Die Primär-Kommandantin tippte auf das Symbol des dritten Planeten. „Eine ausgezeichnete Wahl“, stellte sie zufrieden fest, ohne erwähnen zu müssen, dass sie selbst diese Wahl getroffen hatte. „Der Planet hat keine Eigenrotation und wendet die der Sonne abgewandte und kaum besiedelte Rückseite dem kleinen Asteroidenfeld zu, in dem wir uns befinden. Hier ist verzeichnet, dass immer wieder kleine Objekte aus dem Asteroidenfeld von der Masse von Nummer Drei angezogen werden und in seiner Atmosphäre verglühen.“
„Wenn wir es geschickt anstellen, Käpp-Tenn“, schaltete sich Waffenoffizierin Ontra ein, „dann werden die Eierlinge unsere Bodenflugkörper für solche Steinbrocken halten.“
„Darauf beruht mein Plan“, bestätigte Desara mit sichtlichem Stolz in der Stimme.
„Ein ausgezeichneter Plan“, lobte Liu-dal-Mandar. „Ich bin mir sicher, dass er gelingen wird.“
„Natürlich wird er das“, meinte Desara. „Sofern uns kein grober Fehler unterläuft.“
Dal-Mandar wusste, dass die Primär-Kommandantin damit auf die drakonischen Strafen anspielte, die bei schuldhaftem Versagen üblich waren. Es war eine Mahnung an sie und sie nahm diese kommentarlos hin, obwohl alles in ihr danach drängte, darauf hinzuweisen, dass ihr noch nie ein vermeidbarer Fehler unterlaufen war. Die Primär-Kommandantin hatte als Oberbefehlshaberin die höchste Position in der Kampfflotte erreicht und die Matriarchin hielt ihre Hand wohlwollend über Desara. Deren Position war nicht zu erschüttern, es sei denn, ihr unterlief selbst ein grober Fehler. Dal-Kellon würde dies zu vermeiden wissen oder aber, wie dal-Mandar düster dachte, einen passenden Sündenbock finden. Da an dieser Operation nur zwei Schiffe beteiligt waren, konnte sie sich auch denken, wen Desara im Falle des Versagens verantwortlich machen würde. Mancher fähige Offizier war schon den Machtkämpfen in der Hierarchie der verborgenen Welt zum Opfer gefallen, statt gegen den Feind kämpfen zu können. Immerhin war Desara-dal-Kellon eine ausgezeichnete Befehlshaberin, wie sich Liu-dal-Mandar eingestand, und ihr Plan war wirklich gut.
„Wir senden zwei Spähsonden zum dritten Planeten, werten ihre Daten aus und legen dann die Details unseres Angriffs fest.“ Desara sah die ältere Kommandantin freundlich an. „Anschließend kannst du auf die Sirandaar zurückkehren und mit ihr den ersten Schlag führen.“
Kapitel 7 Die kleine Mutter Narret
Narret´Nar, Residenz der kleinen Mutter Narret
Die Residenz der kleinen Mutter Narret lag auf der Sonnenseite des Planeten Narret und weit außerhalb der hektischen Betriebsamkeit der Hauptstadt Narret´Nar. Die Residenz unterschied sich von allen sonstigen Bauwerken der Norsun. Ein Ring aus grausilbernem Metallplastik, gut einen Kilometer im Durchmesser, zwanzig Meter hoch und hundertzwanzig Meter dick. Zwei kreuzförmig angeordnete Segmente trafen sich in der Mitte, wo sich die transparente Kuppel der Aufenthaltsräume der kleinen Mutter befand. Der sonstige Raum innerhalb des Rings war als Park ausgelegt. Drei mächtige gekrümmte Bogen stiegen vom Außenring auf, neigten sich nach innen aufeinander zu, ohne sich jedoch zu treffen. Sie waren den Stacheln der Norsun nachempfunden und beherbergten die wenigen Offensiv- und Verteidigungssysteme der Residenz. Noch nie im achthundertjährigen Krieg war es dem Feind gelungen, den Sitz einer kleinen Mutter direkt zu bedrohen.
Die große Mutter und die ihr untergebenen kleinen Mütter waren die Führungselite der Norsun. Obwohl die meisten Angehörigen des Volkes von einfachen Weibchen abstammten, waren es die Mütter, welche die Eliten hervorbrachten. Ihre Eier beinhalteten Hormone, welche die Intelligenz des Brütlings steigerte. Wer von der großen Mutter oder einer der kleinen Mütter stammte, der war ein Adliger und erhielt stets eine hohe Position in der Welt der vielen Stämme.
Im Augenblick nutzte die kleine Mutter Narret den Park ihrer Residenz, um sich ein wenig zu erholen. Sie war deutlich größer als ein gewöhnlicher Norsun und ihr Hinterleib wirkte aufgedunsen, da Narret, zusätzlich zu den Eiern, auch Hormone und spezielle Nährstoffe produzieren musste. Das Gehen war ihr längst unmöglich und so ruhte sie auf einem gepolsterten Motorwagen, der von vier Leibwachen eskortiert wurde.
Narret genoss die Komposition aus den Duftstoffen der zahlreichen verschiedenen Pflanzen, die hier wuchsen und ihre Farbenpracht präsentierten. Insekten schwirrten umher, bestäubten die Blüten und sammelten deren Honig, dessen Genuss ausschließlich den Müttern und Adligen vorbehalten war.
Neben der Ehrenwache wurde Narret von Nor begleitet. Er war die führende Hand des Wissens im Stamm der Narret-Norsun und der persönliche Berater der kleinen Mutter. Ihr Gespräch drehte sich um den Konflikt zwischen Norsun und Menschen, denn die Nachricht vom Überfall des fremden Volkes auf Kell´Nar hatte überall Beunruhigung hervorgerufen.
„Ich glaube nicht, dass von den Menschen eine ernsthafte Bedrohung ausgeht“, meinte die kleine Mutter Narret. „Wir wissen wie erbärmlich klein ihr Machtgebiet ist. Ihre Zahl ist gering und das gilt erst recht für die ihrer Schiffe und ihrer Stecher.“
„Deine Worte sind weise, ehrwürdige kleine Mutter.“ Nor trug lediglich die leuchtende Schärpe seiner Amtswürde und so konnte sein Hinterleibstachel die vielfältigen Pheromone der Pflanzen aufnehmen. Sie bereiteten ihm ein fast euphorisches Wohlbehagen, doch sein Verstand blieb davon ungetrübt. „Dennoch erlaube ich mir auf die verhängnisvolle Schlacht hinzuweisen, welche eine Flotte der großen Mutter um jene erbärmliche Welt führte, die von den Langnasen Regan genannt wird. Ihre Schiffe sind nicht zahlreich, doch ihre Waffen sind stark. Die große Mutter handelt weise, da sie zögert die Schlacht gegen die Menschen aufzunehmen. Wir wissen noch zu wenig von ihnen.“
„Wir wissen genug um sie vernichten zu können.“
„Verehrungswürdige kleine Mutter, einst dachten wir auch bezüglich der Flachschlitznasen so. Als wir den Negaruyen begegneten begriffen wir, dass der Weltraum nur ihnen oder uns genug Platz bietet. Wir kannten alle ihre Welten und so entschloss sich die damalige große Mutter, die Flachschlitznasen auszulöschen.“
„Ich kenne diese alten Legenden ebenso wie du, Nor.“
„Daran habe ich keinen Zweifel“, versicherte der Wissende. „Und doch erfülle ich meine Pflicht, in dem ich dich an die damaligen Ereignisse erinnere. Wir nahmen uns die Ehre des ersten Stechens und konnten viele Welten und Schiffe der Negaruyen auslöschen. Doch sie waren stärker, als wir angenommen hatten. Sie leisteten Widerstand gegen das Unvermeidliche. Ja, es gelang den Flachschlitznasen sogar, ihrerseits einige unserer Welten anzugreifen und die Stämme zweier kleiner Mütter zu ermorden.“
„Beim Feuerfall von Istwagh, die Abgründe mögen die Negaruyen und ihre Brut verschlingen“, sagte Narret und ihre Stimme und Duftstoffe spiegelten die Empörung wieder, die sie empfand. „Sich an einer kleinen Mutter zu vergreifen ist empörend.“
„Das ist es“, stimmte Nor voller Überzeugung zu. „Verehrungswürdige kleine Mutter, das erste Stechen gegen die Negaruyen liegt nun schon weit in der Vergangenheit und doch sind diese hässlichen Kreaturen noch immer nicht bezwungen. Wir wissen nicht wie viele Welten sie noch beherrschen. Wir wissen nicht wie viele Schiffe sie besitzen. Doch wir wissen, dass sie noch immer kämpfen.“
„Sie verlieren.“
„Ganz gewiss verlieren sie. Doch in letzter Zeit haben sie neuartige Waffen entwickelt. Den Zersetzer, der das grüne Biometall unserer Schiffe auflöst und sie haben neue Waffen, die nicht mit Energie schießen, sondern mit Dingen aus Metall, die beim Aufschlag explodieren. Sie zertrümmern auch die härtesten Panzer unserer Schiffe.“
„Ausführende Hand des Wissens, du willst doch nicht behaupten, die widerlichen Flachschlitznasen seien dem erhaben Volk der Norsun überlegen?“
Nor´s Körperfarbe wurde eine Spur heller und er ging hastig in eine demütige Haltung über. „Verzeih, verehrungswürdige kleine Mutter Narret, du Sonne und Schoß des Stammes von Narret, wenn