„Sprich.“
„Die oberste Matriarchin stimmt deinem Plan zu, Käpp-Tenn. Sie entsendet das Schattenschiff Sirandaar zu unserer Unterstützung. Es bringt Verstärkungen für unsere Gardeabteilung und die erforderliche zusätzliche Ausrüstung.“
Desara lächelte. „Das war nicht anders zu erwarten.“
Desara-dal-Kellon war als Primär-Kommandantin die Oberbefehlshaberin der Flotte der verborgenen Welt. Sie hatte ihre Position durch die erforderliche Kombination aus Fähigkeit, Zähigkeit und Rücksichtslosigkeit erlangt. Manche untergeordnete Frau neidete ihr die Position und Gewalt war auf der verborgenen Welt der Negaruyen ein probates Mittel, um in der Hierarchie aufzusteigen. Desara verfügte daher über eine eigene kleine Leibwache persönlicher Gardisten. Ihre Wahl für diese Nacht hatte ihr erneut bewiesen, dass diese Männer nicht nur zähe Kämpfer waren, sondern auch erheblich zu Desara´s Vergnügen beitragen konnten.
Desara-dal-Kellon war es zu verdanken, dass es nun gelang, einen Keil des Misstrauens zwischen den Erzfeind, die Eierlegenden Norsun, und jenes Volk zu treiben, welches sich als Menschen bezeichnete und zu einer weiteren Bedrohung für die Negaruyen werden konnte. Seit über achthundert Jahren lagen Negaruyen und Norsun in einem Krieg, der keine Entscheidung brachte. Die überlegen Technik der Negaruyen und der Umstand, dass ihre letzte Welt im Verborgenen existierte, hatte bislang die Niederlage gegen die zahlenmäßige Überlegenheit der „Eierlinge“ verhindert.
Negaruyen und Menschen waren sich überraschend ähnlich. Körperlich unterschied sie eigentlich nur die Tatsache, dass Negaruyen lediglich über eine angedeutete Nase verfügten, die zwei flachen senkrechten Schlitzen entsprach. Diese Ähnlichkeit hatte sogar dazu geführt, dass die Norsun die Menschen zunächst für eine Abart des Feindes hielten und diese angriffen. Jetzt hatte man diesen Irrtum erkannt und war zu einem Waffenstillstand gekommen. Ein Bündnis beider Völker konnte für die Negaruyen verheerende Folgen haben und so hatte Desara-dal-Kellon einen heimtückischen Plan ersonnen.
Es war ihr gelungen den menschlichen APS-Kreuzer D.S. Nanjing zu erobern. Nachdem die menschliche Besatzung ohne Erbarmen ausgelöscht worden war, übernahmen Desara und ihre Negaruyen deren Rolle. Die Primär-Kommandantin war Perfektionistin und gab sich nicht damit zufrieden, über ein Schiff der Sky-Navy zu verfügen. Nein, alle an Bord mussten Kleidung und Verhalten der Menschen übernehmen, bis hin zu künstlichen Nasen, welche die menschlichen imitierten.
Mit ihrer „menschlichen“ Besatzung und dem Menschenschiff hatte Desara-dal-Kellon die Norsun-Kolonie auf Kell´Nar überfallen und so den Norsun den Eindruck vermittelt, die Menschen seien für das dortige Massaker verantwortlich. Eine Verständigung oder sogar Frieden zwischen Norsun und Menschen rückte nun in weite Ferne und Desara war entschlossen, den Erzfeind in einen erbarmungslosen Krieg gegen die Menschen zu treiben. Sie hatte große Pläne und nun war der nächste Schritt von der großen Matriarchin genehmigt worden.
„Herrin?“
Desara schreckte aus ihren Gedanken. Der Gardist hatte die Kabine inzwischen schweigend verlassen und Ontra sah ihre Befehlshaberin fragend an.
„Ich bin zufrieden“, sagte Desara leise und lächelte. „Und denke künftig daran, dass wir keine Gardeabteilung an Bord haben, Lutänent Ontra, sondern eine Abteilung der menschlichen Skai-Truupers.“
Ontra erwiderte das Lächeln. „Ich werde daran denken, Käpp-Tenn. Der beste Plan kann an der Nachlässigkeit in einer Kleinigkeit scheitern.“
„So ist es, Ontra, so ist es. Bis die Eierlinge gegen die Menschen in den Krieg ziehen, ist dies ein menschliches Schiff mit menschlicher Besatzung. Vergiss dies niemals, soll unsere Täuschung perfekt sein.“
Ontra nickte und schaltete den Kommunikator aus.
Desara-dal-Kellon trat an das Sichtfenster und blickte in das Sternenfeld hinaus.
Achthundert Jahre Krieg gegen die Norsun… Desara war fest entschlossen, ihn zu Gunsten ihres Volkes zu beenden.
Kapitel 2 Aktualisierungen
Werft-Hangar 7, Arcturus-Sky-Base
Werft-Hangar 7 lag im unteren Bereich der Flottenbasis Arcturus. Der zehn Kilometer durchmessende Diskus mit den beiden aus den Polen heraus ragenden Türmen der Raumüberwachung und Kommunikationsanlagen war die Hauptbasis der Sky-Navy und Sitz des High-Command, des Hauptquartiers von Flotte und Kampftruppen. Die riesige Anlage diente jedoch nicht ausschließlich militärischen Zwecken, denn sie war zugleich noch immer einer der Umschlagplätze für die zivile Raumfahrt und den interstellaren Handel. Zwar war die Bedeutung für den Handel mit Entwicklung des Hiromata-Nullzeitantriebs gesunken, denn wozu sollte man eine Zwischenstation einlegen, wenn man das eigentliche Ziel in kaum einem Tag erreichen konnte, dennoch wurde Arcturus gerne von den großen Konzernen und kleinen freien Händlern angeflogen, da die Basis über Werft-Hangars verfügte. Hier konnten Schiffe der verschiedensten Typen gewartet, modernisiert oder instandgesetzt werden.
Werftanlagen waren selten. Eigentlich gab es sie nur im Orbit um den Mars, zwei der großen Kolonialwelten und auf der Arcturus-Sky-Base. Sie verschlangen Ressourcen und Credits und sie benötigten eine Menge hochqualifizierten Personals.
Seitdem man die kleinen Fast Landing Vehicles mit einem Nullzeit-Antrieb versehen konnte, dienten die ursprünglichen Landungsboote als kleine Frachter oder Passagierschiffe. Nur die ganz großen Konzerne, wie Hollmann, Nundagai oder United Mining Industries, nutzten große Frachtraumer, die normalerweise in Modultechnik konstruiert waren und in die man kilometerlange Tragekonstruktionen für die genormten Container einfügte. Seit einigen Jahren lebte der interstellare Tourismus auf. Auch hier ermöglichte der Hiromata-Antrieb Rundflüge von wenigen Wochen, in denen man die Sehenswürdigkeiten zahlreicher Planeten erleben konnte. Die Zeit des langsamen Überlichtfluges, mit den langen Kälteschlafphasen für Besatzungen und Passagiere, war unwiederbringlich vorbei.
Hangar 7 passte sich der Krümmung der Station an und war eine riesige Halle von 200 Metern Höhe, 360 Metern Tiefe und einer seitlichen Ausdehnung von fast anderthalb Kilometern. Ausfahrbare Trennwände erlaubten die Aufteilung in kleinere Sektionen, so dass das Einfliegen oder Ausfliegen eines Schiffes nicht die Arbeit an den anderen behinderte.
Die künstliche Schwerkraft in der Basis wurde nicht durch Rotation, sondern durch das Shriever-System erzeugt. Im Hangar hatte man die Leistung der Shriever-Platten auf fünfzig Prozent reduziert, um so die Arbeiten mit schweren Teilen zu erleichtern. Zur Ausbildung der Arbeiter gehörte auch das Fixieren von Schraubbolzen in der Schwerelosigkeit und so empfand man eine weitere Reduktion der Schwere als eher hinderlich.
Im Augenblick waren die Trennwände zurückgefahren. Alles war erfüllt von den Rufen der Arbeiter und den Geräuschen, die ihre Tätigkeiten begleiteten. Es roch nach Öl, Fetten, heißem Kunststoff und Metall sowie ionisierter Luft, die eine Folge einiger der Schweißarbeiten war.
Derzeit wurde in Werft-Hangar 7 an fünf Objekten gearbeitet: Den Modulen zweier Großraumfrachter, dem kleineren Frachter eines Freihändlers, einem modifizierten Langstrecken-FLV und einem modernen APS-Kreuzer der Sky-Navy, der D.S. Remington.
Die Remington gehörte zu jenen Schiffen welche Hoch-Admiral John Redfeather, Oberkommandierender der Streitkräfte, auf die Suche nach der Nanjing geschickt hatte, mit dem Befehl, das Schiff aufzubringen oder zu zerstören. Welche Bedrohung es für den brüchigen Waffenstillstand zwischen den Norsun und dem menschlichen Direktorat darstellte, hatte die Besatzung der Remington aus erster Hand erfahren. Sie hatte die Norsun-Welt Kell´Nar zu spät erreicht, die Nanjing verpasst und war von den wütenden Norsun prompt für den Angreifer auf ihre Kolonie gehalten worden. Captain Tangaroa hatte sein Schiff nur mit Mühe retten