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Am nächsten Morgen beschloss Kieran, dass es an der Zeit war, etwas zu unternehmen. Er konnte vielleicht nichts für seine Hautfarbe oder das Schwarz der Haare. Letztere konnte er aber zumindest der hiesigen Norm anpassen, um weniger aufzufallen.
Daher griff er bereits vor dem Frühstück nach einem Messer und schnitt die langen Strähnen ab, bis ihm die Haare bloß noch bis auf die Schultern fielen. Garlàn sagte zunächst nichts, als er den Raum betrat und die Masse auf dem Boden liegen sah. Schweigend zog er eine Schublade auf und holte eine Schere hervor.
»Damit sollte es besser gehen, meinst du nicht?«
Dankbar nahm Kieran sie entgegen. »Ich wollte fertig sein, wenn du aufstehst.«
»Ach, wieso denn. So sehe ich wenigstens, was du mit deinem Aussehen treibst. Womöglich hätte ich dich sonst für einen Rumtreiber gehalten, der in meiner Küche sitzt und mir das Brot wegfrisst.«
Kieran grinste. »Ist es so schlimm?«
Ein prüfender Blick traf ihn. »Ach, na ja. Es ist ungewohnt, das sag ich. Mehr nicht. Du fällst damit sicherlich weniger auf als vorher, das ist klar. Aber ausreichen wird der neue Haarschnitt wohl kaum.«
»Gegen das Schwarz kann ich nichts tun.«
»Lass mich das machen, ich hab da was. Das sollte helfen.«
Skeptisch beobachtete er den Schmied. »Tatsächlich? Und was? Wie?«
»Vorher musst du mir eine Frage beantworten.«
»Nur zu.«
»Warum zum Himmel schneidest du dein Haar ab? Warum willst du unbedingt so blass aussehen wie unsereiner?«
Kieran senkte den Blick auf die Schere in seiner Hand. Das Licht brach sich auf der Klinge und ließ sie glänzen. Einen flüchtigen Moment lang sah er sein Spiegelbild darauf reflektiert.
»Ich schätze, es gefällt mir hier einfach besser.«
»Besser als wo?«
»Besser als da, wo ich herkomme.«
»Hm.«
Daraufhin sagte keiner von ihnen noch ein Wort. Kieran schnitt sich weitere Strähnen ab, bis sein Haar im Nacken raspelkurz war. Am Rest seines Kopfes ließ er sie länger stehen, sodass sie ihm vorne bis zum Kinn reichten. In der Zwischenzeit ging Garlàn in das andere Zimmer. Als er zurückkehrte, hielt er eine breite Schüssel in den Händen.
Er stellte sie auf den Tisch, kippte Pulver aus einem Glas hinein und fügte Wasser hinzu, ehe er mit einem Holzlöffel darin herumrührte, bis sich beides zu einer zähen, cremefarbenen Masse vermengte.
»Was ist das?«, fragte Kieran.
»Bleichmittel.«
»Haben denn nicht alle hier helle Haare?«
Garlàn prustete. »Woran du gleich denkst, Fremdling. Das Bleichmittel ist eigentlich für die Kleidung, klar? Vielleicht bleicht es deine Haarpracht ja ebenso.« Er warf Kieran einen Blick zu. »Oder das Ganze ätzt dir die Haare vom Kopf. Ich weiß es nicht, hab die Färberei ja nicht nötig. Willst du es trotzdem versuchen?«
Nach einem kurzen zweifelnden Moment nickte er. Das war seine Chance auf einen Neuanfang in dieser Gegend. Er wollte in den Minen keinen Verdacht erregen, weil er anders war als alle anderen. Er wollte unauffällig sein Gedächtnis wiederfinden.
Garlàn nahm den Holzlöffel zur Hand. »Bereit?«, fragte er und hob einen Löffel voll mit der Masse empor. Kieran nickte.
»Und?«, fragte der Schmied nach einer Weile, in der er die Bleiche auf Kierans Kopf verteilt hatte. »Brennt es?«
»Sind meine Haare noch da?«
Der Garlàn kicherte.
Die Kopfhaut brannte wie Feuer. Das wollte Kieran ungern zugeben, da er das intensive Gefühl verspürte, es gäbe für ihn keinen anderen Weg als diesen hier. Lag es an der Chance des Neubeginns? Er hatte den Eindruck, unbedingt etwas tun zu müssen. Eine Sache erledigen.
In dem Moment hörte er Garlàn scharf Luft holen.
»Was? Was ist los?«, fragte er.
Der Schmied hatte aufgehört, das Gemisch auf den Haaren zu verteilen. Statt einer Antwort räusperte er sich.
»Wahrhaftig«, meinte er. »Jetzt bist du wirklich ein Fremder.« Seine Stimme klang ungläubig belegt. Kieran runzelte die Stirn.
»Garlàn, was ist los?«
»Schau mal in den Spiegel.«
Er wandte sich zu Garlàn um. Dessen Blick spiegelte seine innere Anspannung. Ohne Worte ging er in das andere Zimmer und kam mit einer handflächengroßen Spiegelscherbe zurück. Die hielt er Kieran vor das Gesicht.
Er wusste nicht, was er erwartet hatte oder ob er überhaupt irgendeine Erwartung gehegt hatte. Er blickte ohne jedes Zögern seinem veränderten Spiegelbild entgegen. Dann fuhr er sich mit den Fingerspitzen an die Seiten des Kopfes. Die spitzen Ränder der Ohrmuscheln ließen seine Augen weit werden. »Was ist denn das?«, murmelte er erschrocken.
»Du hast ziemlich spitze Lauscher«, bemerkte der Schmied überflüssigerweise. Sie starrten einander an.
»Aber ... warum?«, fragte Kieran, als wüsste sein Gastgeber die Antwort darauf.
»Es ist, wie es ist, aber pass lieber auf, dass deine Ohren keiner in den Minen zu Gesicht bekommt. Da gab es schon allerhand seltsame Unfälle. Spitze Lauscher spielten bisher keine Rolle dabei, andere nichtigere Dinge jedoch schon«, sagte Garlàn und holte einen Topf mit Wasser.
»Komm, wir müssen den Kram auswaschen. Ich warne dich: Vermutlich fallen dir sämtliche Haare aus.« Er betrachtete argwöhnisch seine eigenen geröteten Hände.
Kieran erhob sich. Draußen traf ihn das eiskalte Wasser unvorbereitet. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund, prustete und keuchte. Das Wasser und die Reste des Bleichmittels liefen ihn unter das Hemd und färbten seinen Hosenbund dunkel. Er strich sich fröstelnd die Haare aus dem Gesicht und sah auf.
Garlàn starrte ihn an wie ein Weltwunder.
»Was? Ist es so schlimm?«, scherzte Kieran, aber der Schmied holte bloß die Spiegelscherbe hervor. Staunend fuhr Kieran sich durch das kurze Haar.
Das Schwarz war einem gelblichen Blond gewichen. Seine Haare waren dermaßen blass, damit hatte er nicht gerechnet.
»Na, jetzt fällst du definitiv nicht mehr auf«, meinte Garlàn. Gleichzeitig deutete er ein weiteres Mal auf Kierans Ohren. »Damit wäre ich mir aber nicht so sicher.«
Kieran strich sich über das