Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Simone Stöhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Simone Stöhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847651505
Скачать книгу
meldete.

      „Hi Mike, was gibt’s? Noch Liebeskummer?“

      „Danke für dein Mitgefühl. Aber ich denke den Rest kannst du dir denken! Was ich dich fragen wollte? Ich bin gerade im Umbau in meiner Wohnung und weiß nicht, ob ich es rechtzeitig nach Boston schaffe, um Catherine abzuholen. Kannst du sie zufällig abholen und bei dir aufnehmen, bis ich es schaffe. Gegen Abend bin hier ich sicherlich fertig.“

      „Ich kann dir einen besseren Vorschlag machen. Was hältst du davon, wenn ich Catherine nach New York mitbringe? Ich hatte sowieso vor nach New York ins Meritage zu kommen. Ich bring dir Catherine mit und im Gegenzug habe ich eine Bleibe übers Wochenende bei dir. Abgemacht?“

      „Klingt bestens. Abgemacht! Du bist echt ein Freund, auf den man sich verlassen kann. Habe ich dir das schon einmal gesagt?“

      „Viel zu selten. Aber gern geschehen! Gib in der Klinik Bescheid und wir sehen uns heute Abend! Ich bin auf deine großartigen Veränderungen schon gespannt!“, lachte Charlie, der nicht wirklich glauben konnte, dass sich an dem jahrelangen Trott viel geändert haben sollte.

      „Du wirst schon sehen!“, prophezeite ihm Mike und legte lachend auf. Charlie war eben ein Freund auf dem man sich voll und ganz verlassen konnte. Ein Leben ohne ihn konnte er sich überhaupt nicht vorstellen. Charlies bissige Kommentare und Neckereien waren ihm zu sehr ans Herz gewachsen, doch viel mehr war es seine enorme Hilfsbereitschaft, die Mike immer wieder in Anspruch nahm. So wie jetzt! Sein ganzer Zeitdruck war Vergangenheit, nachdem Charlie Catherine nun abholte und hierherbrachte. Er konnte sich in aller Ruhe um die Gestaltung und Dekoration der Wohnung kümmern, bis die beiden ankamen. Entspannt und erleichtert hinterließ Mike eine Nachricht für Catherine in der Klinik, die gerade beim Mittagessen war.

      Donnerstag, 14.08.2008 Boston, 12:05 Uhr

      Catherine hatte sich von Dr. Briskow zum Abschied von der Klinik zu einem gemeinsamen Mittagessen mit allen Patienten überreden lassen. Normal hätte sie abgesagt, aber der letzte Tag in der Klinik beflügelte sie. Insbesondere, da es sich nur noch um eine Stunde handeln konnte, bis sie Mike wiedersah. Bald wurde sie entlassen und wohnte bei Mike und konnte ihn von ihren Qualitäten als Frau überzeugen. Sie nahm ihr Tablett und suchte sich in der Auslade das ansprechendste Mittagessen heraus. Zum ersten Mal seit langem, verließ sie sich dabei auf ihren Hunger und ihren Geschmack. Das war schon lange nicht mehr der Fall und sie genoss die Möglichkeit zwischen mehreren Gerichten zu wählen, auch wenn alle drei Varianten nicht wirklich einem Restaurantessen glichen. Aber was wollte man schon von einem Klinikessen erwarten? Sie konnte froh sein, dass sie überhaupt ein geregeltes Essen bekam. Ihr Körper hatte schon damit zu kämpfen. Was hatten da falsche Ansprüche zu sagen? Mit ihrem gefüllten Tablett suchte sie sich einen Sitzplatz und wenige Minuten später saß auch schon Dr. Briskow ihr gegenüber, um ihr die neusten Nachrichten von Mike zu überbringen.

      „Es tut ihm leid, aber Mr. Carrington schafft es nicht rechtzeitig und schickt Ihnen daher seinen Freund Charlie Stanton, der Sie nach New York bringt.“

      Dr. Briskow hatte Cathys enttäuschtes Gesicht schon geahnt, als er die Nachricht erhielt. Daher war er nicht überrascht, als er es jetzt auch sah. Hoffentlich war dies nur eine Ausnahme und kein Dauerzustand, dachte Dr. Briskow. Für ihre Therapie war es wichtig, dass sie sich auf ihn verlassen konnte.

      „Wenn Sie möchten, können Sie gerne noch länger hier bleiben bis Mr. Carrington selbst Zeit hat, Sie abzuholen. Ich meine, falls Sie dem Freund nicht trauen“, bot er ihr an.

      „Das ist nett von Ihnen und ich weiß Ihre Fürsorge sehr zu schätzen, aber das wird nicht nötig sein. Ich weiß ja, dass Mike das alles nur wegen mir betreibt. Dabei muss er das alles doch nicht! Ich bin schon froh, dass er mich überhaupt aufnimmt. Ich will nicht, dass er extra wegen mir alles verändert. Aber davon war er einfach nicht abzubekommen!“

      Cathy versuchte sich zu erinnern, wo sie den Namen Charlie Stanton schon einmal gehört hatte. Der Name war ihr nicht unbekannt, dennoch konnte sie ihn einfach nicht einem Gesicht zuordnen. Es war kein Weltuntergang, insbesondere, da er es ihr schon angekündigt hatte und trotzdem war sie enttäuscht von Mike. Er meinte es sicherlich nicht böse und doch empfand sie es so. Sie hatte sich so auf die gemeinsame Fahrt nach New York gefreut. Sie hatte ihm so vieles zu erzählen und wollte so vieles von ihm erfahren, was er die letzten Jahre gemacht und getan hatte. Doch mit einem Mal war genau das nicht mehr möglich. Denn er kam einfach nicht! Die Gefühle übermannten sie und selbst wenn ein kleiner Teil in ihr sagte, dass es ungerecht war, so von Mike zu denken, so war der viel größere Teil in ihr sauer und wütend, und vor allem enttäuscht von ihm.

      „Alles in Ordnung?,“ unterbrach Dr. Briskow ihre Gedanken.

      Sie hatte ganz vergessen, dass er immer noch vor ihr saß und sie besorgt ansah.

      „Ja, schon in Ordnung. Ich bin nur enttäuscht“, gestand sie ihm. „Ich hatte gehofft, dass er mich wenigstens abholen würde.“

      „Wenn Sie wollen, kann ich gerne mit Mr. Carrington sprechen.“

      „Nein, das will ich nicht! Vielleicht lasse ich mich gerade auch nur von falschen Gefühlen verleiten. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich denken soll. Kann es am Entzug liegen, dass ich emotional so verwirrt bin?“

      „Es kann sein, aber ich vermute eher, dass es bei Ihnen tiefergehende Ursachen hat. Die anschließende Therapie wird Ihnen gut tun und sie werden mehr über sich selbst erfahren und auch lernen, wie sie in bestimmten Situationen handeln sollten. Dadurch fällt es Ihnen leichter NEIN zu den Drogen zu sagen. Aber ein eiserner Willen ist immer noch das Wichtigste dabei. Ich möchte, dass Sie das nie vergessen! Mein Ziel ist es, dass ich meine Patienten unter anderen Umständen, wie jetzt wieder treffe.“

      „Ich verspreche Ihnen, dass das nicht mehr vorkommen wird“, schwor sie mit feierlicher Miene. „Ich will mein Leben wieder in den Griff bekommen und werde meine Chance nutzen.“

      Es war nicht nur Optimismus, der aus ihr sprach. Es war eine Überzeugung, die ihn glauben und hoffen ließ. Eine Durchsage unterbrach Ihr Gespräch und bat Dr. Briskow zum Empfang. Vermutlich nur eine Lappalie, aber er hatte seinen Mitarbeitern immer wieder gesagt, dass sie ihn lieber einmal mehr holen sollten, bevor ein Fehler passierte, der im Umgang mit ihrer Art der Patienten erhebliche Folgen haben konnte und dann schwer auszumerzen war. Daher hatte er auch strenge Regeln aufgestellt, die nicht nur die Patienten einschränkten, sondern auch 100%ige Aufmerksamkeit des Personals erforderte. Selbst, wenn es ihn gerade in diesem Moment ärgerte, dass er gehen musste. Er verabschiedete sich von Catherine, die er wahrscheinlich nie wieder im Leben sehen würde und machte sich auf zum Empfang, um zu sehen, wo das Problem lag. Das Problem war schnell auf den Punkt gebracht: ein unangemeldeter Besucher stand am Eingang. Zu den strengen Regeln der Klinik gehörte auch, dass nicht jeder ein- und ausgehen konnte, wie er wollte. Niemand kam an der Schleuse des Empfangs vorbei, ohne dass er oder die diensthabende Oberschwester Bescheid wusste. Und dieser Mann war keineswegs bekannt. Verunsichert stand er, groß gewachsen wie er war, und mit unsicherem Lächeln, das seine Grübchen zeigte, vor der Empfangsschwester, die es gewohnt war grundsätzlich nichts zu glauben, was ihr erzählt wurde.

      „Hören Sie, ich soll Catherine Coleman für meinen Freund Mike Carrington abholen und nach New York bringen“, versuchte er die Empfangsdame, die einem Schlosshund glich, zu überreden. „Ich will Ihnen hier sicherlich niemanden entführen oder sonstiges. Hat Mike Carrington denn nicht Bescheid gegeben, dass ich komme?“

      „Doch hat er“, mischte sich nun Julian Briskow ein. „Ich habe nur nicht gedacht, dass Sie schon so schnell kommen und habe gerade eben erst Ms. Coleman darüber informiert, bevor ich dem Empfang Bescheid geben konnte. Sie müssen Charlie Stanton sein. Würden Sie sich bitte ausweisen und in die Besucherliste eintragen. Wir nehmen die Regeln sehr ernst. Ich werde Ms. Coleman derzeit über Ihre Ankunft informieren.“

      An die Empfangsschwester gewandt sagte er noch „danke Maggie“ ehe er sich umdrehte und den Weg, den er gerade gekommen war, wieder zurückging.

      Catherine war unterdessen dabei ihre Sachen zu packen. Viel