Dolúrna. Mira Birkholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mira Birkholz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847671954
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ihren Übermut, ihre Leichtfertigkeit. Doch heute Abend hatte sie sich zu vorschnell dem verrückten Plan dieses fremden Mannes hingegeben. Eine seltsame Anziehungskraft ging von ihm aus, und Ben machte sich Sorgen.

      5 Die Pflanzliste

      Freitag, 10. September 2010 – Portmullen, Baumschule

      „Du, Hazel, Emily hat erzählt, der neue Lehrer ist ganz nett“, berichtete Caitlin erleichtert, während sie rosa blühende Sommerheide in Reihen auf den Verkaufstisch stellte.

      Doch plötzlich sah sie beunruhigt auf.

      „Aber er ist ganz anders als Mrs. Montgomery, die jetzt die erste Klasse übernommen hat. Emily sagt, er ist über den Schulhof gerannt und hat mit den Jungen Ball gespielt!“

      Hazel sah sie strahlend an: „Ist doch toll! So einen Lehrer hab ich mir früher auch immer gewünscht!“

      „Ja, schon. Aber wenn er sich wie ein Schüler benimmt, haben sie doch keinen Respekt mehr vor ihm!“

      „Wie kommst du denn darauf?“

      „Das hat Mrs. Montgomery uns immer erklärt. Sie sagte, sie müsse streng sein und dürfe keinen persönlichen Kontakt zwischen sich und den Kindern dulden, weil diese sonst nicht lernten, erwachsenen Menschen mit Gehorsam und Respekt zu begegnen.“

      „Findest du nicht, Caitlin“, Hazel blickte sie ernst an, „Emily braucht einen Lehrer, der sie ein wenig aus der Reserve lockt und ihr Freude am Lernen vermittelt?“

      „Du meinst, weil sie so still ist?“

      „Ja, ich denke Emily braucht jemanden, der mit ihr fühlt, sie zum Lachen bringt und ihr Mut macht, anstatt sie noch mehr einzuschüchtern!“

      Betreten senkte Caitlin den Blick.

      „Du meinst, sonst wird sie so ein verschüchtertes graues Mäuschen wie ich?!“

      Hazel schwieg und trennte die verschiedenen Heidesorten mit einer grünen Reihe kleiner Buchsbäume von einander, damit die Kunden sie besser unterscheiden konnten.

      „Du hast ja Recht, Hazel“, stellte Caitlin resigniert fest. „Emily fehlt Leichtigkeit in ihrem Leben, Ausgelassenheit. Seit Jake weg ist, haben wir nicht mehr viel Spaß. Und bei Mrs. Montgomery durften die Kinder nicht lachen.“

      Caitlin seufzte, doch dann stellte sie überrascht fest: „Vielleicht ist sie wegen Mr. Wood plötzlich so fröhlich?! Stell dir vor, Hazel, sie kommt singend aus der Schule heim und erzählt wie ein Wasserfall. Das hat sie vorher nie getan!“

      „Siehst du, dann ist dieser „Fremde“ aus dem fernen Frankreich gar nicht so schlimm wie du befürchtet hattest!“

      „Und sein Englisch ist wirklich gut! Man hört gar nicht, dass er aus Frankreich kommt.“

      „Vielleicht hat er nicht immer dort gelebt.“

      „Kann schon sein.“

      „Sonst hätte er doch auch einen anderen Namen“, bemerkte Hazel, „Wood ist nicht typisch französisch, nicht wahr?!“

      „Du hast recht, Hazel“, kicherte Caitlin, „sonst hieße er ja Monsieur Forêt!“

      Die Frauen lachten.

      „Wer ist Monsieur Forêt?“, fragte plötzlich Jamie, der soeben das Gewächshaus betreten hatte.

      Hazel hielt inne.

      „Kann es sein, dass du furchtbar neugierig bist, James MacDougall?!“, schalt sie.

      „Ich will bloß nichts verpassen! Ein Monsieur Forêt passt nämlich gar nicht in meinen Plan! Schließlich sollst du dich unsterblich in mich verlieben, Hasel-Äuglein!“

      Breit grinsend trat er auf Hazel zu und legte den Arm um ihre Hüfte.

      „Hör‘ mal, Jamie, es gibt hier nicht nur unbekannte französische Männer, sondern auch noch andere Frauen außer mir!“

      Flink entwand sie sich seinem Griff und sah in Caitlins Richtung. Jamies Blick folgte, und Caitlin lief rot an wie ein Schulmädchen.

      „Ich glaube, da ist gerade ein Kunde gekommen“, erklärte Hazel schelmisch und ließ Caitlin mit Jamie zurück.

      Tatsächlich war ein Auto vorgefahren, und ein Mann stieg aus. Entschlossen betrat er das Baumschulgelände. Er trug Jeans und einen roten Pullover – und pechschwarze Locken, die ihm bis in den Nacken fielen. Hazel erstarrte. Der Kunde ebenfalls. Für einen kurzen Moment standen sie sich wie angewurzelt gegenüber, bis Hazel den Vorteil des vertrauten Terrains nutzte und lächelnd auf ihn zu trat.

      „Hi, Connor! Was machst du denn hier?!“

      Connor blickte an Hazel hinab, registrierte die grüne Arbeitshose, Sicherheitsstiefel und ein Lederetui am Gürtel, in dem eine Gartenschere steckte.

      „Arbeitest du hier?“, fragte er überrascht. Doch dann lächelte er. „Natürlich arbeitest du hier!“

      „Sieht so aus! Und du? Möchtest du etwas kaufen?“ Hazel griff nach der nächsten Pflanze.

      „Vielleicht einen schönen Ilex oder hier die Hortensie? Blau oder rosa?“

      Lachend hob sie einen Container nach dem anderen an, damit er ihre Verlegenheit nicht bemerkte. Doch Connor zog einen Zettel aus der Hosentasche, den er nun entfaltete. Sorgfältig strich er ihn glatt, als handelte es sich um ein wertvolles Manuskript, das irrtümlich ins Altpapier geraten war.

      „Ich möchte ganz bestimmte Pflanzen kaufen, Hazel“, sprach er betont, und die frühe Nachmittagssonne erleuchtete sein Gesicht. Diesmal schien es nicht Rotgold, sondern Milchig-weiß. Seltsam, dachte Hazel, wie das Licht die Farbe der Haut beeinflusste. Dennoch verlor Connor nichts von seiner außergewöhnlichen Ausstrahlung. Im Gegenteil. Das Aquamarinblau leuchtete noch heller und verlieh ihm eine Kühle, die in unerklärlichem Kontrast zum Ausdruck seiner Augen stand. Denn darin schien ein Feuer zu lodern. Eingerahmt von dichten schwarzen Wimpern, um deren Länge und Schwung ihn gewiss jede Frau beneidete.

      Hazel war gespannt. Welche Pflanzenarten ließen ihn dermaßen entflammen? Fragend sah sie ihn an.

      „Ich hätte gerne je eine dieser Pflanzen:

      Quercus robur

      Ulex europaeus

      Sorbus aucuparia

      Calluna vulgaris

      Sambucus nigra

      Fraxinus excelsior

      Abies alba“, las Connor die Liste gewissenhaft vor, doch Hazel spürte, dass er die Namen auch im Traum gekannt hätte.

      „Eine ungewöhnliche Zusammenstellung“, erklärte sie, „hoffentlich haben wir alle Pflanzen vorrätig!“

      „Wichtig ist mir auch“, sprach Connor, „dass sie schon eine gewisse Größe haben. Die Bäume hätte ich gerne als Halbstamm mit einem Umfang von 16/18.“

      „Du kennst dich ja gut aus! Dann bist du wohl nicht nur Geschichtsprofessor, sondern auch Biologe?!“, lachte Hazel bewundernd.

      „Das könnte man meinen“, gab Connor zu.

      „Komm‘, wir sehen mal nach, ob wir die passenden Pflanzen finden.“

      Hazel führte Connor über das Gelände zu den Laubbäumen.

      „Hast du dir die Pflanzliste selbst zusammengestellt?“

      „Ja“, Connor stockte, „mehr oder weniger.“

      Fragend sah Hazel ihn an.

      „Es hat mir jemand Hinweise gegeben, einen Plan sozusagen.“