Anton Weiß
Grundlegende Fragen spiritueller Sucher
Antworten auf der Grundlage von drei großen Denkern
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Inhaltsverzeichnis
Was versteht man eigentlich unter Erleuchtung?
Was sind die Voraussetzungen, um zur Erleuchtung zu gelangen?
Braucht man einen Meister? Kann mir ein anderer helfen?
Warum gibt es so paradoxes Reden?
Was sind die grundlegenden Übereinstimmungen in den spirituellen Lehren?
Wie kann man als spirituell Strebender in dieser Welt leben?
Vorwort
Natürlich ist meine Sicht auch nur eine unter vielen anderen Sichtweisen, aber das bietet dem Leser die Möglichkeit, sich selbst über die für ihn richtige und zutreffende Sichtweise klar zu werden. Es ist ganz im Sinne von Hui-neng, dass nur jeder selbst für sich seine Weise entdecken kann. Und ganz im Sinne von Angelus Silesius: „Und wäre Jesus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir – du wärest doch auf ewiglich verloren.“ Nur die Geburt des Neuen Seins in einem selber ist von Bedeutung. Alles andere ist nur intellektuelles Gerede.
Dennoch kann man versuchen, sein Erleben und seine Sichtweise anderen mitzuteilen. Welche Gültigkeit das für den anderen hat, muss dieser selbst auf Grund seines Lebensweges beurteilen.
Ich sehe, dass es mir genau so geht wie Hui-neng und Nisargadatta: Hui-neng hat eine „plötzliche Erleuchtung“ erfahren, während Nisargadatta durch das unbedingte Vertrauen zu seinem Guru die Erleuchtung erlangt hat. Deshalb vertritt Hui-neng die Lehre von der plötzlichen Erleuchtung, während Nisargadatta das Vertrauen in einen Guru als Voraussetzung der Erleuchtung ansieht. Es war jeweils ihr Weg.
Ich bin überzeugt davon, dass nur durch den totalen Zusammenbruch des Ichs Erleuchtung zu erlangen ist. Ich bin durch die tiefste Verzweiflung gegangen, deshalb bin ich überzeugt, dass der Weg zum Licht nur durch die dunkelste Nacht erreicht wird. Daher vertrete ich diese Sichtweise – genau aus dem gleichen Grund: Weil ich es so erfahren habe.
Jeder redet eben von dem, wie er es erlebt hat; nur davon kann einer mit absoluter Sicherheit reden. Vielleicht gibt es so viele Weisen um zur Erleuchtung zu kommen, wie es Menschen gibt. Es nützt einem sowieso nichts, wie es bei einem anderen verlaufen ist. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen. Das betont kein anderer so sehr wie U. G. Krishnamurti.
Jeder sieht es so, wie er es erlebt hat: Ich bitte den Leser, dies bei allem, was ich sage, im Hinterkopf zu haben, damit der Eindruck vermieden wird, dass ich nur das gelten lassen würde, wie es für mich richtig ist. Ich lasse alles gelten!!, aber ich kann es nur so sagen, wie es sich mir gezeigt hat! Daher gibt es überhaupt nie Streit, und Recht haben spielt überhaupt keine Rolle, sondern ich lege die Dinge lediglich aus meiner Sicht dar und stelle sie damit der Sichtweise von anderen gegenüber, ohne diese im geringsten negieren zu wollen. Wenn ich Zweifel anmelde, dann nur, um zum Ausdruck zu bringen, dass für mich anderes gilt.
Ich sehe es immer als bedauerlich an, wenn sich Schulen um die richtige Weise streiten, wie es in nahezu allen Religionen, einschließlich des Zen-Budddhismus, der Fall ist. Es gibt nur drei Möglichkeiten, wenn es jemand anders darstellt als es der eigenen Sicht entspricht:
1 der andere hat keine Ahnung; dann ist Streit sinnlos
2 der andere hat es anders erlebt; das muss man respektieren
3 es sind Sprachprobleme; die können durch geduldiges Austauschen geklärt werden
Mir geht es um eine Klärung. Ich möchte klar sehen. Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis meines Ringens um Klarheit in der Auseinandersetzung mit den großen Weisen Shankara, Hui-neng, Huang-po und anderen.
Die eigene Erlebensweise als Ausgangspunkt zu betrachten beinhaltet sowohl Stärke als auch Schwäche: Die Stärke besteht darin, dass man für sich eine absolut gültige Weise der Sicht auf die Welt und das eigene Leben erlangt hat; die Schwäche, weil man nun in der Gefahr ist zu glauben, dass das für jeden anderen auch gelten müsste. Mir ist das bewusst.
Anmerkung:
Meine Darlegungen beziehen sich auf die Werke von Shankara, Hui-neng und Huang-po. Shankara und Hui-neng sind kommentiert. Ich beziehe auch die Kommentare mit ein, ohne es immer klar kenntlich zu machen. Es werden aber immer die Stellen angegeben, so dass ein interessierter Leser herausfinden kann, ob der Bezug direkt auf den Verfasser oder auf den Kommentator gegeben ist. Nur ausnahmsweise, wo es mir wichtig erscheint, unterscheide ich zwischen dem Kommentator und dem Verfasser selbst. Bei Shankara werden seine eigenen Worte durch Verse zitiert (z. B. V 122), während Sh 122 auf die Seite 122 verweist, in der der Kommentator zu Wort kommt.
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Was versteht man eigentlich unter Erleuchtung?
Es gibt verschiedene Ansichten darüber, was unter „Erleuchtung“ zu verstehen ist.
Mehrmals begegnet einem beim Lesen von Hui-neng die Stelle, wo es am Ende einer seiner Reden heißt: „Die bei dieser Gelegenheit versammelten Mönche