Das Böse bleibt!. Patrice Parlon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patrice Parlon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738053012
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zog, wenn sie sich einfach etwas nahm. Also versuchte sie durchzuhalten. Erst zwei Stunden später erlöste sie Andreas von dieser Qual. Er brachte sie in ihre Zelle, warf ihr ein Stück vom Braten zu und verriegelte die Tür. Loana verschlang das dürftige Mahl. Dann stellte sie sich ans Fensterchen und starrte in die Nacht. Schon bald wurde sie müde und legte sich hin. Eine Serie von Albträumen riss sie immer wieder aus dem Schlaf. Nicht alles aus den Träumen war erschreckend, manches Detail wies auf einen Ausweg hin. Dafür mussten sie alles nur richtig deuten. Nach Stunden voller Angst kam Andreas zurück. Er holte sie zur Arbeit. Sie gehorchte und machte ohne Widerworte weiter. Während sie arbeitete, spürte sie Johannas Blicke im Genick. Sie wusste genau, dass der kleinste Fehler ihren Zorn weckte. Also versuchte sie, so unauffällig wie möglich weiterzumachen. Allerdings spukte ihr nur noch der Fluch im Kopf herum. Sie überlegte pausenlos, ob sie ihn brechen und ihr Leben retten konnte. Doch egal wie sie alles miteinander verband, es ergab keinen Sinn. Nichts schien zusammenzupassen. Loana wartete auf eine Gelegenheit, um mit Coline zu reden. Erst spät abends in ihrer Zelle versuchte sie es. Sie sah in jeden Winkel und rief schließlich nach ihr. Es blieb aber still. Auch der zweite Versuch brachte keinen Erfolg. Jetzt überlegte sie, ob sie wirklich auf sich allein gestellt war. Da hörte sie ein leises „Nein!“ Sie erschrak, da erwiderte Coline: „Du hast es nicht gesagt, aber ich weiß, was du denkst. Du bist mir näher, als du es für möglich hältst. Ich darf dir nur ein bisschen helfen.“ Loana hörte aufmerksam zu und malte sich ihre Chancen aus. Doch die standen schlecht. Coline sprach ihr Mut zu. Sie gab einige Tipps, damit sie ans Ziel kam. Nach so vielen Fehlversuchen musste es doch einmal gelingen. Am Ende der Unterhaltung sagte Coline nur noch, dass sich Loana den Ring von Johanna selbst anstecken lassen sollte. Ausschließlich von ihr! Schon war sie wieder allein. Loanas Kopf brummte. So viele Informationen und doch nichts, was ihr wirklich half. Auch konnte sie sich nicht vorstellen, warum Coline verlangte, dass sie den Fluchring annahm. Zumal er sie zu Höllenqualen verdammte. Da fiel ihr ein Traum wieder ein. Dort hielt ihr Coline ein Amulett entgegen. Half ihr das weiter? Loana hoffte es sehr, denn selbst in Johannas Buch kam eines vor. Während sie über die Hinweise nachdachte, machten sich ihre Entführer an die Arbeit. Sie bereiteten alles für ihr grausames Spektakel vor. Johanna übertraf sich. Ihre Blutgier stieg stetig und sie konnte es kaum erwarten, Loana zu zerfetzen. Sie wusste genau, dass Coline dazwischen gehen würde und sich einem Zweikampf lieferte. Nur darauf hatte sie es abgesehen. Es dauerte nicht lange, da kam Andreas Loana holen. Er führte sie in den Saal und zwang sie bäuchlings auf den Altar. Johanna erschien kurz nach ihnen. In ihrer Hand hielt sie einige Ketten. Loana erkannte nicht, was sie tatsächlich festhielt. Johanna brachte die ZSDK mit. Das war eine Peitsche, die aus zehn verbundenen Ketten bestand. Jedes Glied war mit spitzen Stacheln besetzt. Dieses Mordinstrument mussten alle Opfer spüren. Aber keines starb davon. Loana war dieser Folter nicht gewachsen. Die anderen schützte nur der Fluch vor dem Tod. Sie war aber noch nicht verflucht. Auch Johanna wusste das. Nur hatte sie den Ring an Coline verloren. Das hielt sie aber nicht auf. Sie hatte längst einen neuen Plan. Mit der Peitsche in der Hand trat sie an den Altar heran. Wieder richtete sie das Wort an Coline. „Zeig dich! Komm und erfülle deine Pflicht! Es sei denn du willst, dass dieses Weibsbild stirbt und mit ihr deine letzte Chance, den Fluch zu brechen!“ Augenblicklich flog die Tür auf und Coline stürmte in eine lange Kutte gehüllt herein. Sie brüllte: „Du hältst dich für so schlau! Nur vergisst du immer wieder entscheidende Dinge! Sicher, du könntest sie verfluchen. Doch das würde mich nur verstummen lassen. Es hält mich nicht davon ab, ihr beizustehen oder gar den Fluch zu brechen. Du weißt genau, warum ich es nicht kann!“ Johanna gab nicht nach. Da beschloss Coline: „Wenn du wirklich darauf bestehst! Aber nur unter Bedingungen!“ Sichtlich genervt knurrte Johanna: „Und welche?“ Die Antwort irritierte sie. „Erstens darfst du ihr nicht sagen, was ihr mir wirklich alles angetan habt. Das würde ihrem Zustand zu sehr schaden. Zweitens werde ICH ihr den Ring anstecken. Ich kenne dich! Du wählst den falschen Finger und quälst sie noch mehr. Und Drittens darfst du ihr den Ring nicht wieder wegnehmen!“ Johanna überlegte eine Weile und forderte: „Ich mache es, wenn du mir in die Augen siehst und ganz lieb Bitte, Bitte sagst!“ Coline zögerte keinen Moment. Sie warf den Mantel ab und stapfte als künstlicher Mensch auf Johanna zu. Starr sah sie in ihre kalten, grauen Augen. Mit zitternder Stimme erfüllte sie die Forderung, indem packten die Handlanger zu. Johanna riss Colines linke Hand hervor und zog ihr den Ring vom Finger. Sofort fesselten sie sie an die Wand.

      Siegessicher schaukelte Johanna zum Altar. Sie beugte sich zu Loana und höhnte: „Hast du gehört, was sie verlangt? Sie will nicht, dass du unsere Methoden kennst! Weißt du warum? Das würde deiner Psyche schaden und deine Albträume wären realer! Aber ich will dir nichts verschweigen! Der Ring kann dich nur schützen, wenn du absolut alles weißt. Das, was du gelesen hast, war eigentlich nur eine abgeschwächte Version der Ereignisse. Ich kann mit Stolz sagen, dass ich ihr alles genommen habe. Stück für Stück! Weil sie mir auch alles weggenommen hat. Das wirst du bald am eigenen Leib erfahren! Nun zum zweiten Punkt. Eigentlich hat sie Recht, ich würde den Ring erst einmal am falschen Finger anbringen, aber nicht diesmal. Du weißt noch nicht genug. Was den dritten Wunsch angeht, übernehme ich keine Garantie. Das wird sich ergeben. Dann wollen wir den Fluch besiegeln!“ Johanna nahm Loanas linke Hand und bog ihr den Ringfinger vor. Da gebärdete sich Coline wie eine Wilde, brachte aber keinen Ton heraus. Johanna drehte sich schadenfroh feixend zu ihr um: „Du brauchst nur bitte sagen und ich höre auf!“ Coline bewegte den starren Mund, blieb aber stumm. Schuld war der Ring. In ihrem Zustand hatte sie nur eine Stimme, solange er an ihrem verfluchten Finger steckte. Johanna genoss Colines Machtlosigkeit in vollen Zügen. Sie schob den Ring bis zur Hälfte auf Loanas Ringfinger, da schrie sie aus voller Kehle und brach in Tränen aus. Erst als das geschah, steckte sie den Ring an den richtigen Finger. Diesmal blieb Loana stumm, was Johanna nicht verstand, denn auch da hätte es eine Reaktion geben müssen. Nun musste sie dafür sorgen, dass er die nächsten vierundzwanzig Stunden am Finger blieb. Erst dann konnte sie ihr grausames Spiel fortsetzen. Loana hob den Kopf. Sie schaute Johanna direkt in die Augen und sagte: „Gib mir nur einen einzigen Tag. Ich will mich frei bewegen können. Dann werde ich alles tun, was du verlangst.“ Für ihre Peiniger kam es auf einen Tag nicht an. So stimmten sie zu und gewährten einen Aufschub. Johannas Misstrauen war aber deutlich zu spüren. Sie ahnte, dass eine Absicht dahinter steckte. Loana musste einen Plan haben. Welchen, verriet sie natürlich nicht. Vorsichtshalber sorgten sie dafür, dass sie den Ring auf keinem Fall ablegte. Sie musste ihre ganze Hand in Kleber tauchen. Andreas verband die feuchte Haut und stülpte einen Boxhandschuh darüber, den er fest verschnürte.

      In der folgenden Nacht setzte Loana alles daran, das Amulett zu finden. Sie machte sich auf den Weg in den Foltersaal. Ihr Ziel war die schwarze Truhe. Da drinnen musste etwas sein, das ihr weiterhalf. Sie ging geradewegs auf den Altar zu und um ihn herum. Sie kniete sich vor die Truhe. Mit einer Taschenlampe leuchtete sie jeden Zentimeter ab, doch so sehr sie auch daran rüttelte, sie bekam diesen störrischen Klotz nicht auf. Coline schlich sich in ihre Gedanken und zeigte ihr den Weg. Nun gab es kein Halten mehr. Loana zerrte alles heraus, was sie erwischen konnte. Sie besah sich die zahllosen Gerätschaften und erinnerte sich an das Gelesene. Je tiefer sie vordrang, umso verwirrender wurde es. Sie entdeckte Dinge, die in Johannas Buch nicht vorkamen. Da war beispielsweise eine eiserne Birne mit einer Schraube. Sie drehte daran und erschauderte, als die Birne wie eine Knospe aufsprang. So langsam verstand sie, warum sie nicht alles wissen sollte. Loana verdrängte ihre schaurigen Gedanken und suchte weiter. Sie entdeckte einen Brief und überflog die Zeilen. Sie las Colines inständige Bitte, sich mit Johanna zu treffen, um endlich die zahllosen Albträume loszuwerden. Hinzu kam noch die Drohung, Johannas Namen unverändert im Buch zu belassen und es definitiv zu veröffentlichen, falls sie nicht auftauchte. Auch las sie heraus, dass es mehr als eine Variante der Geschichte gab. Loana fragte sich, ob dieser Brief wirklich einmal in Johannas Händen lag. Vielleicht sogar, bevor das Ganze überhaupt eskalierte. Coline gab ihr eine eindeutige Antwort: „Sie hat den Termin nicht abgewartet, sondern mich gleich aufgesucht und mit Polizei gedroht! An diesem Tag habe ich ihr zum letzten Mal freiwillig direkt in die Augen gesehen. Sie behauptete zwar, dass sie nichts unternehmen würde, aber das war eine ungeheure Lüge! Sie hat es vorgezogen, sich an mir zu rächen!“ Noch ehe Loana weitere Fragen stellen konnte, war Coline wieder verschwunden. Loana übermannte ein innerer Drang, in den Garten zu gehen und durch die Falltür zu steigen. Sie gab dem Drängen nach.

      Schon