Le Havre, April 1964 /// Tsch-tsch-tsch, das Wichsen von Opa. Er ruft Katy jedes Mal zu sich, wenn die Oma weg ist, ihr Wichs-Opa Gaston. „Ach, Liebes,“ fängt der Opa brummend an, „wärme mir die Eingeweide mein Schatz!“ Katy muss ihm dann einen blasen oder mit ihren zwei kleinen Händen einen runter holen. Wenn sie das Wichsen nicht richtig hin kriegt, dann hilft er mit. Dann besteht er aber darauf, dass sie nicht weg schaut. Oder er setzt sie auf seinen Schoß und reibt seinen Schwanz zwischen ihren Arschbacken. Diese krautigen Haare am Sack. Katy war schon mal ganz wund von der Nummer. Katy lässt alles über sich ergehen. „Du Zwerg, du und deine winzige Möse“, murmelt er sauer, wenn er sie auf sich setzt. Dann kommt so was wie: „Mein Schatz, deine innere Umgebung kneift, das wird sich bald ändern.“ Diese doofen Sprüche bringen Katy mehr zum Lachen als zum Weinen. Sie versteht so und so Bahnhof. Zu der Zeit geht sie noch nicht einmal zur Schule. Wenn der Opa fertig ist, dann schrumpelt sein hässlicher Pimmel wieder zu dem Piss-Ding, von dem ihre Oma denkt, er hätte es nur zum pinkeln. Dann streichelt er Katy ganz lieb übers Haar und steckt ihr Schokolade oder ein Päckchen Kaugummi zu. Ob der Opa die Sache mit den Eingeweiden auch seiner eigenen Tochter verpasst hat? Die hätte dann vielleicht besser auf ihr kleines Mädchen aufgepasst. Oder auch nicht. Katys Mutter, die fette Larve, kriegt den Arsch für überhaupt nichts hoch! Eines Tages fliegt die Sache auf, bis dahin hält Katy dicht. Was soll denn die Oma von ihr denken, das kann sie Marceline nicht antun. Ihre Oma hat Katy lieber als den Opa. Die Oma nimmt sie als einzige in den Arm und kämmt ihr die Haare, Marceline ist als einzige nett zu Katy. Dieser lieben Oma darf Katy keinen bösen Kummer anhängen, nein! / Die Bombe platzt, weil sich Katy verplappert. Mist. Sie sitzt gerade auf dem Klo. Ihr Vater reißt die Tür auf, die Hose aufgeknöpft und sein Ding in der Hand. Katy bekommt einen Heulkrampf und brüllt: „Sieht ja aus wie der von Opa!“ Und klack, eine auf die Nuss. „Hau ab, du Nichtsnutz!“ Katy zieht fix die Unterhose hoch und hechtet vorsichtshalber unter den Küchentisch. Der Vater verrichtet sein Geschäft, kommt aus dem Klo geschossen und schnappt sich die Larve: „Ruf’ sofort deinen Vater an! Der hat augenblicklich aufzulaufen, augenblicklich, hörst du!“ Und als der Opa ankommt, da ist der Skandal perfekt. Den Brüdern steht die Panik ins Gesicht geschrieben als sie kapieren worum es geht. Kann kommen, dass die Göre überhaupt alles heraus quatscht! / Katy hält die Klappe. Sie spuckt nichts vom Opa aus und sie verrät die Brüder nicht. „Ich hab doch bloß mal Opas Eier gesehen“, gesteht sie kleinlaut. Mehr ist nicht aus ihr herauszuquetschen. Besser so. Ihr Sauf-Kopf von Vater hat seinen Karabiner und den Revolver immer griffbereit. Sie mussten sich schon oft vor ihm verstecken, weil er im Vollrausch um sich geballert hat. All der Schrecken, der von diesem Vater ausging, oh ja, sicher das. Sie haben sich oft unterm Bett versteckt. Zusammen mit der Larve als sie noch nicht ganz so fett war. Sobald sie das trockene plop-plop vom Laden seines Karabiners hörten verschwanden sie wie verabredet im Untergrund. Dieser Blödian. Bei der Sache mit dem Opa macht er alle mit den Fäusten nieder. Den Opa, die Mutter, die Brüder. Zwei Küchenstühle müssen dran glauben und das schmutzige Geschirr im Waschbecken. Verdammte Hacke, die Beziehung zu den Großeltern ist im Arsch. Katy erwischt er am Arm und schleudert sie durch die Luft bis sie an den heißen Herd kracht. Zisch, macht die Haut der linken Hand als sie auf den heißen Kochtopf trifft. Ab da kriegt Katy nichts mehr mit. Sie sieht nur noch Sterne.
Le Havre, Oktober 1970 /// Es geschieht ungefähr zwei Jahre nach den ersten nächtlichen Besuchen der Brüder, als Katy von einem Fremden vergewaltigt wird. Widerliches Schwein das, der trickst sie ganz übel aus. Der Vorfall ereignet sich am frühen Abend. Katy hat den dicken Schal ihrer Mutter über ihr dünnes Kleidchen gezogen und ist auf dem Weg, eine Kanne voll Öl zu besorgen. Die kabylische Küche benötigt oft und viel Öl. Katy kümmert sich um alles. Katy schwingt den Besen seit sie neun ist. Kocht mittags Kartoffeln für die Brüder, kocht abends Couscous für den Vater. Bedient tagsüber die fette Larve. Bring mir ein Tässchen Tee, Katy! Setze Kaffee auf, aber dalli. Oder: du Schlampe, kannst du mal fegen. Oder: hebe mir sofort den Fotoroman auf, wenn die Mutter über eine ihrer Liebesschnulzen eingepennt ist. Katys Arbeit gleicht dem einer erwachsenen Haushaltshilfe. Von den zwei großen Kochtöpfen, die der Haushalt besitzt, steht der eine immer auf dem Herd, auf dem anderen steht die kleine Katy und rührt ihre Mahlzeit. Nudeln mit Fleischsauce, wenn Geld da ist. Sonst Gemüse aus dem Garten. Und jede Menge Kartoffeln mit Essigsauce, das stopft den Magen am besten. Am Sonntag gibt es ab und zu Pommes frites mit Braten. Aber nur in den aller besten Zeiten. Dann bekommen die Kinder sogar einen Löffel Bratenblut eingeflößt. Das macht bärenstark. Haben die Gören bei ihrem brutalen Vater auch nötig. /// Katy hat sich mit etwas Geld aus der Haushaltskasse auf den Weg gemacht. Da hält ein glatt rasierter Monsieur auf seinem Moped an. Eine nagelneue Lederjacke am Körper. „Salut, Kleine, halt, warte mal! Kannst du mir aus der Klemme helfen?“ „Ich, Monsieur, wie kann ich Ihnen helfen?“ „Du gehst doch zur Schule? Wenn du hier in der Nähe wohnst, was ich stark annehme, dann gehst du in die Schule Claude Bernard?“ „Das stimmt, Monsieur.“ „Gut, meine Kleine. Wie heißt du überhaupt?“ „Katy, Monsieur.“ „Also Katy, ich suche diese Schule