so dass das Schiff sofort informiert wird, wenn es den vorgeschrieben Sektor des Fahrwassers verlässt. Dies war nicht immer so, bei schwerem Wetter, wenn der Lotse nicht bei Elbe I versetzt werden konnte, kam der Lotse erst bei Cuxhaven. In dem Fall musste der Kapitän damals bis nach Cuxhaven navigieren. Allein auf sich gestellt und ohne Radarberatung, nur die Betonnung war eine Hilfe.
Der neue Lotse hat die Brücke erreicht. Nach der Begrüßung und Übermittlung aller notwendigen Informationen übernimmt er wieder die Beratung des Kapitäns. Er kennt das Fahrwasser am bestem, nur im Zweifelsfall greift der Kapitän ein, da er trotz Lotsen an Bord weiterhin verantwortlich ist für die sichere Schiffsführung. Im Falle von erkennbar schwierigen Begegnungen / Situationen wird vorher abgesprochen welche Manöver gefahren werden.
Wir passieren gerade Brunsbüttel mit seinen Schleusen an Bb-Seite. Da wir Elbe aufwärts fahren, haben wir mit dem auslaufenden Verkehr der Schleusen keine Probleme. Der Nordostseekanal ist mir durch eine Vielzahl von Passagen bekannt. Besonders im Sommer immer wieder ein Erlebnis. Weniger während der Winterzeit, wo Schnee, Eis, Nebel oder starker Wind die Durchfahrt erschweren. Leider hatte ich nach der Wende nie wieder die Möglichkeit durch diesen Kanal zu fahren. Genauso wie ich nach der Wende nie wieder mit einem Schiff den Hafen Rostock angelaufen habe. Einsatzgebiete waren jetzt Ostasien, Australien, Nord- Südamerika. Neu für mich, da wir damals zu DDR Zeiten in unserem Flottenbereich Spezialschifffahrt andere Einsatzgebiete hatten beziehungsweise nur vereinzelt Häfen in diesen Gebieten anliefen.
Die Schiffsführung verlangt nun meine volle Aufmerksamkeit. Wir nähern uns Teufelsbrück, wo der Elbelotse von Bord geht und der Hafenlotse an Bord kommt.
Zu meiner Überraschung kommen zwei Hafenlotsen an Bord, die uns zum Liegeplatz bringen sollen. Einen der Hafenlotsen kannte ich aus der DSR-Fahrzeit. Wir fuhren mal beide eine Reise auf einem unserer kleinen Typ-IX-Massengutschiffen. Er war damals Zweiter Offizier, und ich kam gerade frisch von der Seefahrtschule. So viel Zeit war noch, dass wir uns kurz unterhalten konnten. Er hatte sich nach der Wende hier in Hamburg als Hafenlotse beworben und war angenommen worden. Für mich wieder eine Bestätigung. dass unsere Ausbildung an der Seefahrtsschule so schlecht nicht gewesen sein konnte. Der Beruf des Lotsen war für mich nie eine Option gewesen. Ich wollte eigentlich immer bis zum Ruhestand zur See fahren.
Eher wäre für mich die Arbeit in der Schifffahrtsverwaltung in Frage gekommen.
Genauso wie ich mich nie für den Segelsport begeistern konnte. Mit der Hilfe und Unterstützung beider Lotsen hat das Schiff mit der Stb.-Seite sicher im Container–Terminal Burchardkai festgemacht. Für mich war diese Ankunft eine große Genugtuung, es war ein langer und beschwerlicher Weg von meinem Neuanfang hier in Hamburg, als ich am 7. Januar 1992 als Zweiter Offizier an Bord ging bis zu diesem Tag mit der Ankunft in Hamburg, nun als Kapitän eines Schiffes. Deshalb sage ich, ich bin angekommen, erst in der Bundesrepublik Deutschland konnte ich nach vielen Umwegen und Rückschlägen meinen Kindheitstraum Kapitän zu werden verwirklichen. Nach diesem gedanklichen Rückblick holt mich sofort der Alltag ein. Die Wasserschutzpolizei kommt an Bord und beginnt mit der Klarierung, der üblichen Kontrolle der Pässe, Seefahrtsbücher und aller Schiffspapiere. Da es der erste Anlauf des Schiffes in einem deutschen Hafen war, erfolgte dies mit sehr großer Gründlichkeit. Plötzlich kommt Hektik auf, der Kollege, der das Öltagebuch kontrollierte, war der Meinung, dass bei der Abrechnung des Sludge (Reste aus der Verbrennung des Schweröls) eine Diskrepanz besteht. Nach seiner Meinung und gemäß den Schiffsunterlagen müsste eine größere Menge angefallen sein wie abgerechnet. Wo war die fehlende Menge verblieben, außenbords gepumpt? Der Leitende Ingenieur sagte, da das Schiff so gut wie neu war, ist nicht mehr Sludge angefallen wie abgerechnet. Da man ihm nicht glaubte, wurde begonnen im Maschinenraum verschiedene Leitungen auszubauen, um sie auf Ölrückstände zu untersuchen.
Inzwischen kamen laufend Anrufe aus unserem Hamburger Office, Direktor und Inspektion fragten nach, was auf meinem Schiff los sei und warum ich nicht umgehend die Reederei informiert habe. Umweltdelikte stehen sofort im Fokus der Öffentlichkeit, dies war das Letzte was ich jetzt gebrauchen konnte. Ich sagte erst einmal, es steht ein Anfangsverdacht im Raum, und ich vertraue der Aussage meines Leitenden Ingenieurs. Man sollte bitte das Ergebnis abwarten. Trotz intensiver Suche konnte nichts festgestellt werden, so dass der Verdacht fallen gelassen werden musste. Die Lade- / Löscharbeiten und der Crewwechsel hatten inzwischen begonnen. Proviant und Ausrüstung für die nächste Reise kam und muss übernommen werden. Gott sei Dank, auch der Service mit dem nötigen Ersatzteil für unseren Kreiselkompass war da. Inzwischen sind auch aus der Reederei der Nautische und Technische Inspektor sowie Crewmanagerin an Bord. Es war einiges zu besprechen und abzuarbeiten, da das Schiff schon am nächsten Vormittag wieder auslaufen sollte.
Meine Frau und meine Tochter habe ich erst einmal in meine Kammer gebracht. Im Moment hatte ich einfach keine Zeit, hoffte dass sich gegen Abend die Hektik lege.
Dies ist ein ganz „normaler Hafenablauf“, meist kommt noch eine Port State Control oder sogar Flag State Controle und andere Inspektionen hinzu. Alle verlangen natürlich nach der Präsenz des Kapitäns, so dass man froh sein kann später wenigsten für ein paar Stunden zum Schlafen zu kommen. Nicht zu vergessen die Vorbereitungen für den nächsten Hafen (Lotsenanforderung, Informationen an Agenten und Charterer etc.) sind auch noch abzuarbeiten.
Gott sei Dank haben alle Besucher gegen Abend das Schiff verlassen. Nur der Lade- und Löschbetrieb geht weiter. Nach letzten Informationen soll das Schiff morgen gegen Mittag wieder auslaufen. So habe ich endlich Zeit für eine richtige Begrüßung von Frau und Tochter. Auch wir haben einiges zu besprechen, da ich die nächste Reise noch mitfahre. Nach dem Abendbrot verabschiedet sich meine Tochter. Sie arbeitet und wohnt inzwischen in Hamburg. Meine Frau wird morgen nach dem Frühstück nach Hause fahren, da sie weiß, dass ich kurz vor dem Auslaufen wohl kaum noch Zeit für sie habe. Für mich ist es auch besser so, so kann ich mich voll auf das Auslaufen konzentrieren.
Der 1. Offizier berichtet mir gerade, dass die Lade- und Löscharbeiten abgeschlossen sind und der Lotse in einer Stunde kommt. Das Auslaufen aus Hamburg verläuft ohne Probleme.
Nächster Hafen ist Thamesport. Das Wetter meint es weiterhin gut mit uns. So werde ich also noch diese Rundreise mit der „CIMBRIA“ absolvieren und danach in Urlaub gehen. Mit dem Schiff hatten wir mehrere Premieren. Für mich der Anlauf eines deutschen Hafens als Kapitän. So hatte ich die Ehre, dieses Schiff erstmalig durch den Suezkanal zu führen. In Tuticorin (Indien) war die „CIMBRIA“ das erste Schiff dieser Größenordnung, welches den neu fertig gebauten Containerterminal angelaufen hat. Deshalb möchte ich noch kurz davon erzählen.
Den Hafen Tuticorin kannte ich schon von Anläufen mit kleineren Reederei-Schiffen.
Die „CIMBRIA“ war nun das erste Schiff, welches nach Fertigstellung den neuen Containerterminal den Hafen anlief. Geplant war, dass nach Fertigstellung der Containerpier dann der Hafen wesentlich größeren Containerschiffen angelaufen werden konnten. Demensprechend waren die Länge der Containerpier und der dafür notwendige Tiefgang ausgelegt worden.
Der Lotse kam auf Reede an Bord, wir gingen Anker auf und nahmen Fahrt auf. Ich hatte ihm wie üblich die Schiffsdaten gegeben, wie Länge, Tiefgang, Geschwindigkeit bei den einzelnen Fahrstufen, eben die Manövriereigenschaften des Schiffes. Er muss wohl nicht ganz zugehört haben, wir waren inzwischen dicht vor dem Einlauf in den Kanal, welcher mit Tonnen begrenzt war, Richtung Molen, als er noch mal nach unserer Minimum-Geschwindigkeit fragte. „Oh“, sagte er „das ist viel zu schnell“ und drehte vor Einfahrt in den Kanal mit Hart Steuerbord ab und fuhr zurück zur Reede. Dort wurde wieder geankert. Sorgen bereitete das Stoppen des Schiffes unmittelbar nach Passieren der Molen. Das Problem war, das nach Passieren der Molen nur wenig Raum verblieb das Schiff aufzustoppen und nach Backbord zu drehen, dahinter kam flaches Wasser mit steinigem Untergrund. Zum Einlaufen war aber eine gewisse Grundgeschwindigkeit notwendig, um das Schiff bei Wind und Strom steuerfähig zu halten. Dazu musste mit Minimum 7-9 Knoten gefahren werden, um das Schiff steuerfähig