Richard war mit seiner Thea in dreißig Jahren Ehe immer glücklich gewesen. Sie stand hinter ihm und seinen Entscheidungen und in den wichtigen Momenten des Lebens hatte sie ihm den Rücken freigehalten. Im Weingut hatte sie sich direkt mit eingebracht und immer hart gearbeitet.
An ihrem Ehrentag sollten sie nun einmal die sein, die verwöhnt wurden. In der Villa wurden sie von Marie, Katja und Karim mit großer Freude begrüßt und umarmt. Sie setzten sich zu einem Glas Champagner auf die Terrasse.
„Liebe Eltern“, begann Daniel feierlich, „wir gratulieren euch recht herzlich zu eurem Hochzeitstag. Dreißig Jahre Liebe, das ist auch mein Ziel. Ich bin sehr froh, dass ich euer Sohn bin. Heute wollen wir euch einen ganz wunderbaren Tag bereiten.“
Karim setzte fort: „Zuerst fliegen Daniel und ich mit euch nach Fréjus, wo es ein ganz besonderes Geschenk geben wird. Danach geht es weiter nach Nizza. Tante Marie hat Joshua beauftragt, euch mit der Jacht dorthin zu schippern, wo ihr hin möchtet. Ihr könnte an Bord exzellent speisen und euch verwöhnen lassen.“
Marie ergänzte: „Am Abend bringt euch Joshua nach Toulon, wo ich euch abhole. Später kommen wir hier für einen gemütlichen Ausklang zusammen.“
Katja erklärte zum Abschluss: „Wir werden mit euch feiern, bis der Tag vorbei ist und ich fahre euch heim in euer Bettchen. Jetzt wünschen wir euch viel Spaß! Auf euer Wohl!“
Thea hatte Tränen der Rührung in den Augen, als sie sich bedankte. Richard war ganz still geworden, er lächelte versonnen. Sie erhoben ihre Gläser und stießen auf das Wohl von Thea und Richard an.
Danach küsste Daniel Katja und sagte: „Bis nachher, mein Engel. Ich liebe dich sehr und ich hoffe, wir sind mehr als dreißig Jahre glücklich.“
„Auf jeden Fall.“
Sie zog ihn noch einmal zu einem innigen Kuss heran.
Auch Karim schaute ihr zum Abschied tief in die Augen und küsste zärtlich ihre Wange. Er musste daran denken, dass sie auch seine Frau hätte sein können. Katja umarmte ihn.
Dann winkten Thea und Richard fröhlich und stiegen zu Karim und Daniel in den Helikopter. Katja eilte zu Marie und Francoise in die Küche. Es gab viel zu tun.
*
Thea und Richard hielten sich im Helikopter an den Händen, so glücklich waren sie und voller Stolz auf ihre Familie, die ihnen so einen schönen Tag schenken würden. Richard liebte das Meer und hatte schon länger bereut, dass er nicht wenigstens den Bootsführerschein gemacht hatte. Dann hätte er sich ein Boot gekauft und wäre mit Thea um die Welt gefahren. Deshalb war die Bootstour für ihn eine ganz besondere Freude.
Kurz nach dem Abflug hatten Daniel und Karim sich abgeklatscht und über den gelungenen Plan gefreut. Jetzt ratterte der Helikopter dem Chateau in Fréjus entgegen.
Als sie landeten, wurden sie schon von Sharya erwartet. Sie umarmten sich, an der breiten Treppe kam ihnen der Rest der Familie Heise entgegen und gratulierte. Thea und Richard waren sehr gespannt, was für ein besonderes Geschenk hier wohl auf sie warten würde. Nun ging Sharya mit ihnen um das Haus herum und öffnete die Tür zum Weinkeller.
Daniel lief voraus, Karim war am Helikopter geblieben. Thea und Richard hielten sich an den Händen, als sie die Treppe hinabstiegen. Auf einem Tisch mit weißem Tischtuch stand ein Rosenstrauß. Daneben hatte Sharya eine der Flaschen aufgestellt, die extra für heute vorbereitet waren. Diese Flasche zeigte sie nun den beiden und Daniel erklärte, dass sie den Wein schon einmal getrunken hatten.
„Oh ja!“, rief Thea. „Das ist der Wein von unserer Hochzeit. Ach, Schatz, mein lieber Mann, das ist wunderbar.“
Schon wieder liefen ihr Tränen der Rührung über die Wange. Richard nahm seine Frau in den Arm und küsste sie. Sharya öffnete die Flasche und goss allen ein Glas ein. Sie stießen an und freuten sich gemeinsam über dieses Geschenk. Daniel strahlte und war glücklich, dass er so viel Liebe in den Gesichtern seiner Eltern sah.
Thea erzählte von der Hochzeit vor dreißig Jahren. Richard betrachtete das Hochzeitsbild auf dem Etikett und schmunzelte.
Er sagte zu Thea: „Du siehst noch genauso toll aus wie damals und ich liebe dich genauso sehr.“
„Ja, mein Schatz, die Liebe hält einen eben jung.“
Jetzt drängte Daniel zur Eile. Er und Richard nahmen je eine Kiste Wein, die dritte fassten Thea und Sharya zusammen an. Karim verstaute den Schatz im Helikopter und sie verabschiedeten sich herzlich von der Familie Heise.
Karim flog an der Küste entlang. Die roten Felsen des Esterel-Gebirges, das sich bei Saint-Raphaël erhob und auf einer Landzunge ins Meer hineinwuchs, waren besonders auffällig und sehenswert. Der höchste Gipfel war über sechshundert Meter hoch. Rechterhand glitzerte das Meer in der Sonne. Zwei Jachten lagen wie Spielzeugschiffe in Küstennähe vor Anker.
Als sie um die Landspitze des Pointe de l’Esquine de l’Ay herum an den Bergen entlang flogen, erfüllte plötzlich ein kratzendes, knatterndes Geräusch den Helikopter. Karim und Daniel sahen sich unsicher an. Karim zuckte mit den Schultern und warf einen Blick auf die Instrumente, aber es schien alles in Ordnung. Daniel hatte ein Gefühl der Angst gepackt. Er fror trotz der Wärme und bemerkte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Karim blickte immer wieder unruhig auf die Instrumente und spürte, wie schwerfällig die Maschine wurde.
Plötzlich wurde der Helikopter heftig zur Seite gerissen. Karim versuchte mit aller Kraft, die unkontrollierte Bewegung abzufangen, aber es gelang ihm nicht. Mit Entsetzen sah er, wie einer der Rotorflügel an ihnen vorbei in die Tiefe stürzte. In dem Moment wusste er, dass sie sterben würden.
„Nein, bitte nicht“, flehte er leise.
Thea schrie und alle versuchten sich irgendwo festzuklammern.
Mit einer wilden Drehung driftete der Helikopter in Sekundenschnelle nach links ab und schlug mit voller Wucht ins Felsmassiv ein. Er explodierte sofort und wurde in einem Meer aus Flammen in Stücke gerissen. Unendlich viele brennende Teile stürzten wie ein Feuerregen in die Tiefe.
Dann herrschte undurchdringliche Stille.
*
Die Personen auf den beiden aneinander befestigten Jachten hatten dem Helikopter zugeschaut. Eine Frau hatte gewunken. Ihr Mann hatte ihr einen Vogel gezeigt und gesagt, dass die Leute dort oben sie sowieso nicht sehen würden. Was sie danach beobachtet hatten, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren.
Der Helikopter hatte einen heftigen Schlenker gemacht. Kurz danach war einer der Rotorflügel einfach abgerissen und weggeflogen.
Die Menschen auf den beiden Booten hatten vor Angst und Entsetzen zu schreien begonnen. Einen Moment später krachte der Helikopter in die Felsen und explodierte. Die Frauen weinten, nur einer der Männer blieb ruhig und ging direkt ans Funkgerät.
Er informierte die Polizei über den Absturz und löste damit eine große Aktion aus. Drei Rettungshubschrauber kreisten über der Absturzstelle, Retter seilten sich ab und versuchten, an der Unglückstelle noch ein Fünkchen Leben zu finden.
Vergebens.
Brennende oder verkohlte Wrackteile lagen über eine riesige Fläche zwischen den Bergen verteilt. Von den Menschen im Helikopter war nur Asche geblieben. Mühevoll suchte man nach Spuren, aber das Feuer hatte alles, was nicht bei der Explosion zerrissen worden war, vernichtet. Die Polizei kam mit einem kleineren Schiff zu den beiden Jachten und befragte die Menschen an Bord. Die Frauen waren erschüttert und konnten