Vergiss nicht, mich zu lieben. Nicole Beisel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Beisel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738034776
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über meine wahre Identität aufklären wollte. Ich habe ihm nicht geglaubt.

      Und dann bin ich gegangen. Habe mir einen neuen Job und eine Wohnung gesucht, nicht allzu weit von Cookstown entfernt. Und doch weit genug von ihm und von all den Lügen. Weit genug von meinem alten Leben. Weit genug von Lilly Jenkins, die seit jeher meiner Vergangenheit angehört. Einer Vergangenheit, an die ich mich immerhin vollständig erinnern kann.

      Bis heute habe ich noch einige Gedächtnislücken was mein Leben vor dem Angriff betrifft, aber die Erinnerung an mein bisheriges Leben ist immerhin in großen Teilen nach und nach zurückgekehrt. Rachel, meine Freundin aus der Therapiegruppe, die ich damals besucht habe, hat mir stets zur Seite gestanden. Ich vermisse sie, auch wenn wir beinahe täglich miteinander in Kontakt stehen. Trotzdem habe ich es in den letzten Jahren vermisst, sie in den Arm zu nehmen und mich persönlich mit ihr zu unterhalten. Aber all das will ich in den kommenden Tagen nachholen, hier in Cookstown.

      Obwohl ich seit meiner Flucht noch oft an Timothy gedacht habe, ist er nicht der Grund für meine Rückkehr an diesem Wochenende. Vielmehr ist es mein alter Arbeitgeber, Mr. Rutherford, der mich nach Cookstown eingeladen hat, um mit ihm und all seinen Angestellten die Eröffnung der zehnten Bankfiliale zu feiern. Die United Bank of Ireland hat sich weiterentwickelt, und das möchte er ganz groß feiern. Er hat eigens dafür eine ganze Etage im Staton Hotel angemietet, inklusive der Bar. Den hohen Tieren wie etwa den Filialleitern hat er sogar Zimmer reservieren lassen, wie er mir erzählt hat. Ich muss zugeben, ich war sehr überrascht, als er mich vorab telefonisch hierzu eingeladen hat, immerhin arbeite ich nun schon eine ganze Weile nicht mehr für ihn. Er sagte, ich sei eine seiner vertrauensvollsten Mitarbeiterinnen gewesen und er wolle mich unbedingt dabei haben. Ich habe lange überlegt und letztendlich doch zugesagt. Ich muss zugeben, dass ich sehr nervös bin. Alleine die Vorstellung, wieder in einen Teil meines alten Lebens einzutreten, weckt Unbehagen in mir. Aber ich wollte ihm gerne die Freude machen, zudem hat mich die Sehnsucht nach Rachel hierhergetrieben. Zumindest ist es das, was ich mir einrede.

      Außerdem bin ich an diesem Samstagnachmittag ja nicht alleine hier. Sam, seit einigen Monaten mein Freund, begleitet mich. Es hat mich einige Überredungskunst gekostet, bis er endlich zugesagt hat. Ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, dass er mich gerne alleine hierher gelassen hätte. Er ist nicht unbedingt ein Kontrollfreak, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass er sich am wohlsten fühlt, wenn er weiß, was ich treibe. Zwischenzeitlich neugewonnene Bekannte und Freunde bezeichnen ihn als „komisch“ oder gar „geheimnisvoll“, aber ich fühle mich recht wohl mit ihm. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob er tatsächlich meine große Liebe ist, bin ich doch recht glücklich. Ich darf ihn nur nicht mit Timothy vergleichen.

      Mit gemischten Gefühlen betreten wir unser Hotelzimmer, das nicht weit von dem Hotel liegt, in dem heute Abend gefeiert wird. Ich habe es bewusst vermieden, ein Zimmer im selben Hotel zu buchen. Ich wollte mir scheinbar eine Art Fluchtweg bereithalten, sollte ich mich auf der Firmenfeier tatsächlich unwohl fühlen.

      „Schön hier, nicht?“ Gelassen lasse ich mich auf das große Bett fallen. Trotz der Aufregung bin ich sehr gespannt auf den Abend.

      „Mhm.“ Sam stellt sein Gepäck ab und sieht sich kurz um. Ich kann mir vorstellen, dass er froh ist, wenn wir morgen wieder nach Hause fahren, nachdem wir uns mit Rachel zum Brunch getroffen haben.

      Ich lasse ihn in Ruhe und lege mir die Sachen zurecht, die ich nachher brauchen werde, wenn ich mich für die Feier zurechtmache. Samuel tut es mir gleich, allerdings ist er dabei die Ruhe in Person. Die Feier geht in drei Stunden los, also genehmigen wir uns unten in der Lobby noch einen Snack, ehe wir nacheinander im Bad verschwinden. Kurz darauf bringt uns ein Taxi in das Hotel, in dem die Feier stattfindet. Sam sieht schick aus in seinem Anzug, und ich frage mich, ob ich ihn jemals darin gesehen habe.

      Es sind bereits eine Menge Gäste vor uns eingetroffen und ich überlege gerade, ob ich hier überhaupt jemanden kenne, als mir plötzlich jemand von hinten an die Schulter tippt.

      „Miss Austen, da sind Sie ja! Wie schön, ich freue mich, Sie zu sehen! Ich hoffe, Sie haben gut hergefunden?“ Ich drehe mich um und kann Mr. Rutherford kaum ins Gesicht schauen, weil er mich so schnell in den Arm nimmt um mich zu begrüßen.

      „Hallo, Mr. Rutherford. Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, hier zu sein. Wie geht es Ihnen?“ Wir führen den üblichen Smalltalk, nachdem ich Samuel vorgestellt habe, der eher zurückhaltend ist.

      „Was machen Sie denn nun eigentlich beruflich? Haben Sie wieder in die Bank gefunden?“

      Ich erzähle ihm, dass ich zwar wieder für eine Bank arbeite, dort allerdings nur am Schreibtisch sitze, was völlig okay für mich ist.

      „Oh, dann haben Sie vielleicht in den Nachrichten verfolgen können, dass wir letztes Jahr einen großen Rechtsstreit gewonnen haben? Es ging um einen Betrugsfall, in den wir angeblich verwickelt gewesen sein sollen.“ Ich schaue ihn verdutzt an und schüttle den Kopf.

      „Nein, das ist scheinbar an mir vorbeigegangen.“ Betreten weiche ich seinem Blick aus.

      „Oh, das macht doch nichts. Wir hatten einen super Anwalt, der uns da rausgebracht hat. Ah, da ist er ja schon. Hallo, kommen Sie ruhig her!“

      Er winkt jemanden zu sich, ein junges Pärchen, das sich neben mich stellt. Ich hebe den blick und schaue nach rechts, ehe mein Herzschlag aussetzt. Mr. Rutherford scheint nichts davon zu bemerken und redet unbeirrt weiter.

      „Mr. Bold, wie schön, dass Sie es einrichten konnten.“ Vielleicht war es ganz gut, dass ich von den Nachrichten zum Gerichtsverfahren nichts mitbekommen habe. Ich sehe ihn an, und auch er erkennt mich in diesem Augenblick. Nur aus dem Augenwinkel erkenne ich, dass auch er nicht alleine hier ist. In diesem Moment wünsche ich mir, ich hätte die Einladung abgelehnt, aber nun ist es zu spät.

       Timothy

      Fast wie damals

      Ich verschlucke mich beinahe, als ich meinen Kopf nach links drehe und die Dame neben mir höflicherweise begrüßen will. Meine Hand bleibt auf halber Strecke in der Luft hängen, als ich sie erkenne.

      Elizabeth.

      Ich wusste nicht, dass sie auch eingeladen war und hatte nicht erwartet, sie hier zu sehen. Ich hatte ohnehin nicht erwartet, sie überhaupt je wiederzusehen. Als sie damals ging, klang es nach einem endgültigen Abschied. Das Schicksal sollte uns wieder zusammenführen, hatte sie geschrieben. Ich habe gewartet, lange sogar.

      Bis ich Jane fand, die mich an diesem Abend begleitet. Und auch Elizabeth ist nicht alleine, wie ich sehen kann. Endlich finde ich meine Sprache wieder und versuche, so locker wie möglich zu klingen, obwohl ich angespannter bin denn je.

      „Hallo Elizabeth. Das ist ja eine Überraschung.“ Ich strecke ihr noch immer die Hand hin, und zögerlich nimmt sie meine Geste an. Gott, alleine diese kurze Berührung lässt mich innerlich zusammenzucken und ruft sämtliche Erinnerungen wach.

      Erinnerungen, sie waren unser Problem.

      „Hallo Tim. Ganz gut, danke.“ Ich bin mir nicht sicher, aber ich könnte schwören, sie ist ebenfalls nervös.

      „Oh, Sie kennen sich? Das ist ja schön“, meldet sich Mr. Rutherford zu Wort.

      „Ja, wir hatten mal miteinander zu tun.“ Verstohlen werfe ich einen Blick auf Jane, die ziemlich ratlos aussieht. „Jane, darf ich vorstellen: Elizabeth Austen. Elizabeth, das ist Jane Miller.“ Die beiden reichen sich die Hände, und es kommt mir beinahe schon absurd vor, dass wir uns hier alle in einem Raum befinden.

      „Das hier ist Samuel Dalton. Samuel, das ist Timothy Bold, der Anwalt der Bank.“ Wir reichen uns ebenfalls die Hände, aber ich glaube, dieser Typ wirkt nicht gerade erfreut, mich zu sehen. Ob er wohl etwas ahnt und eifersüchtig ist? Er macht allgemein einen eher reservierten und griesgrämigen Eindruck auf mich. Wie konnte Elizabeth nur an so jemanden geraten? Ach, wenn doch damals nur alles anders gekommen wäre …

      Dieser Samuel kommt mir irgendwie bekannt vor,