Aeternitas - Die komplette Trilogie. Sabina S. Schneider. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabina S. Schneider
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742732699
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mich aufzurappeln und zu rennen. Der Mann in Uniform stößt Laute aus, die ich nicht verstehe. Ein verzweifelter Schrei baut sich in meiner Kehle auf und verlässt meinen Mund. Ich sehe ihn mit geweiteten Augen zurückweichen. Dann tauche ich ab in der Dunkelheit. Sie ist beruhigend, umfängt mich wie die Arme einer Mutter. Sie ist wohltuend und schmerzlindernd. Ich wünschte, ich könnte für immer in ihr bleiben. Doch irgendwo lauert das Nichts. Wartet darauf mich zu verschlingen.

      Ein leises, stetiges Biep-Geräusch weckt mich. Ich halte die Augen geschlossen. Seltsame Laute, die ich nie zuvor gehört habe, ergeben doch einen Sinn.

      „Wo kommt sie her? Im Sumpfgebiet lebt schon lange keiner mehr!“

      „Laut Johwa ist sie vor drei Tagen aufgetaucht.“

      „Wo war sie vorher?“

      „Keine Ahnung. Sie ist in dieser Welt einfach aufgetaucht, wie Venus dem Meer, ist sie dem Matsch entstiegen.“

      „Ist sie gesund?“

      „Johwa hat ihre DNA für gut befunden. Nein, für ausgezeichnet.“

      „Wie kann das sein? Der Sumpf ist verseucht. Ich war derjenige, der sie gefunden hat!“

      „Sie war vermutlich nicht lange dort.“

      „Kann sie in das Volk integriert werden?“

      „Besser! Sie ist eine Eva.“ Jemand zieht scharf die Luft durch seine Zähne. Was ist eine Eva? Frage ich mich und versuche weiter gleichmäßig zu atmen. Wo bin ich? Ich kämpfe gegen den Drang an, meine Augen zu öffnen.

      „Wir haben genug Evas. Das Programm läuft bereits. Jetzt einen Fremdkörper einzuschleusen …“

      „Das Programm läuft, weil wir keine passende Eva gefunden haben. Es ist Plan B. Aber mit ihr … Johwas Entscheidung ist Gesetz.“ Ich spüre eine Wärme auf meiner nackten Haut. Wie tausend kleiner Glühwürmchen schwärmen sie über meinen ganzen Körper. Es ist angenehm, beruhigend. Doch dann sammeln sie sich alle an einer Stelle über meinem Herzen und meine Haut brennt, als würde mir jemand glühendes Eisen zwischen meine Brüste drücken. Ich reiße die Augen auf und schreie. Dann ist alles dunkel und ich gleite dankbar in die Bewusstlosigkeit, auch wenn das Nichts mir auf den Fersen ist.

      Ein leises Summen, eine fröhliche Melodie weckt mich. Meinen Lippen entsteigt ein leises Stöhnen, das begleitet wird von dem Geraschel von Seide. Das Summen erstirbt und türkisblaue Augen blicken mich neugierig an. Ich zucke zurück, mein Blick gleitet über einen luxuriös eingerichteten Raum. Ich liege auf einem riesigen Bett mit seidener Bettwäsche. Eine Kommode mit Schmuck und einem weißen Spiegel stehen dem Bett gegenüber. Der Boden ist dunkel. Aus welchem Material, kann ich nicht sagen.

      „Sind Sie wach, Madam? Es wird auch Zeit. Die Herrschaften warten auf Sie.“ Mein verwirrter Blick scheint sie zu verstören. Sie trägt ein schwarzweißes Kleid und alles an ihr schreit Zimmermädchen.

      „Oh, entschuldigt!“ Ihre Wangen werden rot, sie tritt vom Bett weg, macht einen Knicks und stellt sich vor: „Willkommen im Paradies, Madam. Mein Name ist Lilly und ich werde mich während Ihres Aufenthaltes um Sie kümmern.“ Sie blickt hoch und lächelt mich erwartungsvoll an. Meine Erinnerung kommt langsam zurück. Der See, die Männer, das Blut und das Brennen auf meiner Brust. Ich renne zum Spiegel, reiße das dünne Gewandt von meinem Körper. Eine kleine Narbe, kaum zu sehen, an meiner linken Seite. Sie ist neu. Meine Finger tasten zitternd nach den Unebenheiten an meinem linken Arm. Sie sind da. Dann wandert mein Blick von meinen nackten Füßen, über meine Beine, den Bauch hoch und bleibt direkt über meiner Brust hängen. Bräunlich starren mit drei Buchstaben und zwei Ziffern entgegen: EVA 00.

      Man hat mich wie Vieh gebrandmarkt! Sie haben mich wieder eingefangen, mir ihre Drogen verabreicht und ich bin wieder gefangen in einer Welt zwischen Traum und Realität. Ich schreie und weine, kratzte über das Zeichen bis Blut fließt. Dann legen sich Arme um mich. Ich wehre mich, kratze, beiße und trete, bis ich Blut schmecke. Doch die Arme halten mich fest, tun mir aber nicht weh. Als ich aufhöre, um mich zu schlagen, höre ich ein leises Summen und eine kleine, sanfte Hand streichelt mir über den Kopf. Ist es eine neue Behandlungsmethode? Ich halte still, lauere wie eine Klapperschlange darauf, dass die Hände von meinem Kopf zu meinen Brüsten wandern, vielleicht gleich zwischen meine Beine.

      Doch das Summen verstummt nicht und die Hand bleibt auf meinem Kopf, streichelt zärtlich über mein Haar. Ich blicke in den Spiegel und sehe mich mit zerrissenen Kleidern in den Armen einer Frau. Mit geschlossenen Augen summt sie weiter, wiegt mich wie ein Kind im Arm. Eine Strähne ihres goldenen Haares hat sich aus ihrem strengen Dutt gelöst und fällt weich von ihrer Wange zu ihrem Kinn. Sie ist zu schön, um real zu sein. Ich schließe ebenfalls die Augen, verdränge das Bild von mir, der Frau mit den wilden Augen voller Angst, und weine. Weine um Lilly, die nur eine Ausgeburt meiner Fantasie ist. Und weine um die Falschheit der Geborgenheit, die sie mir gibt. Es ist alles nicht real, denke ich und gleite wieder ab in die Dunkelheit.

      Ein leises Weinen weckt mich dieses Mal.

      „Beruhig dich, Lilly! Es ist nicht deine Schuld. Wenn jemand schuld ist, dann bin ich es. Ich hätte sie besser vorbereiten sollen, ihr erklären, wo sie sich befindet.“ Die beruhigenden Worte helfen nicht. Lilly weint nur noch mehr. Ein leiser Laut, der mein Herz erweicht und es in zwei bricht. Ich öffne die Augen und taste nach der zarten Hand. Lillys Finger versteifen sich und mit tränennassen Augen blickt sie mich an und schnieft: „Es tut mir so leid, Madam. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Es tut mir so leid.“ Ein Zittern geht durch ihren schmalen Körper und ich muss an einen kleinen, zarten Vogel denken, der traurig in einem Käfig sitzt.

      „Es ist meine Schuld. Lilly hat nach bestem Wissen gehandelt. Ich hätte Sie erst aufklären sollen und nicht einfach ins kalte Wasser werfen. Lassen Sie mich bei null anfangen. Willkommen im Paradies. Mein Name ist Michael Serfil und ich bin der Exekutiv Chief dieses exzellenten Programmes.“ Meine Augen fokussieren sich auf den weißen Anzug des Mannes und ich weiß, wo ich bin.

      „Ich bin nicht krank!“, presse ich hervor und blicke mich nach Fluchtmöglichkeiten um, „ich brauche weder Beruhigungsmittel, Psychopharmaka noch irgendwelche anderen Drogen.“

      „Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Laut Johwa sind Sie nicht nur gesund, sondern mit einer idealen DNA beschenkt. Wir sind überglücklich, Sie gefunden zu haben.“

      „Ich bin nicht krank!“, schreie ich erneut und als er mir erneut zustimmt, kommt die Bedeutung seiner Worte bei mir an. Ich blicke an mir herunter und bemerke, dass mein Nachthemd zerrissen ist und meine Brüste ihm entgegenstarren. Schnell bedecke ich mich, während meine Wangen wie Lava glühen.

      „Ihr Erscheinen ist für uns genauso überraschend, wie Ihr Erwachen hier für Sie es sein muss. Doch wir sind dankbar. Noch nie war Johwa sich über eine Kandidatin so sicher, wie bei Ihnen. Sie sind geboren, um eine Eva zu sein!“ Seine Augen glitzern aufgeregt. Ich besehe ihn mir näher. Sein Haar ist schneeweiß wie sein Anzug, seine Augen blau wie der Himmel. Ich kann ihm kein Alter geben, er sieht zeitlos aus.

      Eine kleine Hand legt sich über meine und ich lasse locker. Ich habe nicht bemerkt, dass ich Lillys Hand fest gedrückt habe. Sie hat sich nicht beschwert und blickt mich mit großen, leuchtenden Augen an. Mein Blick fährt ihre zarten Wangenknochen entlang, über ihre delikate Nase, ihren schmalen Hals zu ihrem Arm. Rote Bissspuren bedecken ihre helle Haut. Sie blutet noch an ein paar Stellen. Ich wende meine Augen ab. Die Gewalttätigkeit meines Auftritts ist mir plötzlich unendlich peinlich.

      Ich zwinge meinen Blick zu ihren Augen und ich bitte sie um Verzeihung: „Es tut mir leid … ich wollte dir nicht wehtun …“ Meine Stimme ist brüchig. Anstatt mir Vorwürfe zu machen, sieht sie mich liebevoll an. Ich ertrage ihren Blick nicht und wende mich ab, fokussiere meinen Augen auf den Mann in Weiß.

      „Sind Sie der behandelnde Arzt?“, zische ich. Er blickt mich verständnislos an.

      „Selbst ein Psychen-Verdreher muss doch sicher Erste Hilfe leisten können.“ Als er mich immer noch verdutzt anschaut, schreie ich: „Sie blutet! Desinfizieren Sie die Wunde