Benjamin biss sich auf die Lippe. Er konnte seinen Freund verstehen und horchte in sich hinein. Wollte er das alles auch so sehr wie Christian? Ja sagte sein Gefühl, nein sagte sein Verstand. Ja, weil dieses kleine Mädchen sein Herz im Sturm erobert hatte. Nein, weil er gesehen hatte, wie sehr Christian in das Kind vernarrt war.
In diesem Moment wünschte er sich, dass nicht er, sondern Christian Nellys Vater war.
Katja konnte den Männern gerade tief in ihre Seele schauen. Letzte Nacht im Bett hatte sie sich vorgestellt, wie sie wieder mit Christian zusammenkommen würde und beide mit Nelly eine kleine Familie sein könnten. Aber das war sehr unwahrscheinlich. Es war ihre Schuld, dass die Beziehung zerstört worden war. Sie musste von Christian weg, sonst würde sie kaputtgehen.
„Sehr geehrte Frau Hardeg … bla bla bla …Person eins … bla bla bla … Vaterschaft ausgeschlossen … Person zwei … Die DNA des Vaters stimmt überein mit der DNA des Kindes … zu 99,999986 Prozent … Vaterschaft bewiesen.“
Katja schaute zuerst Benjamin an, der ganz ruhig geworden war. Danach sah sie in die sehnsüchtigen Augen von Christian.
„Wer? Nun sag schon!“
„Es tut mir leid, Christian. Benjamin ist der Vater.“
Sie faltete das Blatt zusammen und steckte es zurück in den Umschlag. Benjamin war immer noch die Ruhe selbst. Christian stand auf und verließ das Weingut.
Ich bin nicht der Vater, hämmerte es ihm durch den Kopf. Ich bin nicht der Vater. Ich bin nicht der Vater.
Er musste anhalten und sich an einem Baum festhalten. Dort sank er auf die Knie und Tränen liefen ihm über die Wangen. Er konnte es nicht begreifen. Hatte er doch so deutlich die Verbindung zwischen sich und Nelly gespürt. Er raffte sich auf und ging heim.
Katja saß Benjamin gegenüber. Er hatte noch kein Wort gesagt.
„Benjamin, du bist Nellys Vater. Was denkst du denn gerade? Warum sagst du nichts?“
„Oh Mann, ich hätte es Christian so sehr gewünscht. Er dachte wirklich, dass er es wäre. Ich bin Vater.“
Er begann zu lachen. Katja dachte erst, er wäre verrückt geworden, doch dann sah Benjamin so glücklich aus, dass sie einfach mit ihm lachte. Sie standen beide auf und umarmten sich. Sie fühlten eine tiefe Freundschaft und Verantwortung für ihr gemeinsames Kind. Katja brach in Tränen aus. Benjamin fragte, warum sie weinte, obwohl er es eigentlich wusste.
„Ich weine, weil der ganze Druck weg ist. Ich weine, weil meine Süße nun endlich einen Papa hat. Ich weine, weil ich den Mann fürs Leben verloren habe. Aber ich habe Nelly. Wir werden das schon schaffen.“
„Denkst du, dass sich das mit Christian gar nicht mehr einrenken lässt?“
Katja schüttelte den Kopf.
„Es ist vorbei. Ich … liebe ihn, aber ich habe ihn sehr verletzt. Das lässt sich nie wieder reparieren.“
Sie wischte die Tränen ab und schnaufte. Dann machten sich die beiden auf zu Bea.
*
„Du?“, fragte Bea.
Benjamin nickte. Bea bat sie ins Haus. Sie hatte hier gesessen, mit Nelly gespielt und als die Kleine müde war, hatte sie sie ins Bett gelegt.
„Oh, was für eine Erleichterung. Dann kommen ja einige neue Pflichten auf dich zu, Papa Benjamin.“
„Ja, das bereden wir alles. Natürlich werde ich mich um meine Tochter kümmern. Was wohl Justin sagen wird, dass er jetzt eine kleine Schwester hat?“
Katja lachte, denn daran hatte sie noch gar nicht gedacht.
„Das wird toll. Ich habe mir als Kind immer einen großen Bruder gewünscht. Wenn sie mit Justin zum Spielplatz kommt, dann traut sich keiner, sie zu ärgern. Der beschützt sie sicher.“
Sie saßen noch eine Weile auf der Terrasse. Hannes war auch dazu gekommen und gratulierte Benjamin zur Tochter.
„Was hat denn Christian gesagt?“
„Der hatte es sich so sehr gewünscht, Nellys Papa zu sein“, erklärte Katja. „Er war enttäuscht und traurig, als er gegangen ist. Benjamin, du musst nachher unbedingt zu ihm gehen. Ich mache mir Sorgen. Er liebt Nelly und sie mag ihn auch sehr. Wir werden in Kontakt bleiben. Ich reise dann morgen ab.“
„Schon so schnell?“
„Benjamin, wir wollten herausfinden, wer der Vater ist. Das haben wir nun. Ich lebe jetzt im Havelland und so wird es bleiben. Du kannst immer zu uns kommen und ich komme gerne für ein paar Tage hierher, aber wir leben nun mal nicht zusammen. Denkst du, wir brauchen einen Anwalt, um das Rechtliche zu regeln?“
„Nein, ich denke nicht. Wir kriegen das hin.“
Katja atmete auf. Es würde alles gut werden, nur Christian tat ihr leid. Sie spürte, wie groß die Liebe zu ihm noch war, aber es war vielleicht besser, dass Benjamin der Vater war. So musste sie Christian nicht so häufig sehen, das tat nur weh.
Sie verschloss ihre Liebe zu ihm ganz tief in ihrem Herzen.
„Also Benjamin“, sagte Kirsten, als Katja wieder zurück war.
Cora hatte das am Telefon auch gesagt. Alle waren enttäuscht, denn auch sie hatten gehofft, dass Christian der Vater war und die beiden wieder zusammenkommen könnten, um eine kleine Familie zu sein.
„Sehr gut. Was hab ihr vereinbart, wenn Benjamin seine Tochter sehen will?“
„Solange sie noch so klein ist, werden wir uns gegenseitig besuchen, dann sehen wir weiter. Ich werde in den Ferien immer hinfahren.“
„Und der Unterhalt?“
„Benjamin legt ein Konto für Nelly an. Das bekommt sie dann später.“
*
Benjamin fuhr am Abend zu Christian. Er klingelte, aber niemand öffnete die Tür, danach wartete er eine halbe Stunde im Auto, doch Christian tauchte nicht auf. Hofhund Benni schlief ausgestreckt auf der Rückbank. Benjamin nahm sein Handy und wählte die Nummer seines Freundes. Niemand ging dran. Er machte sich Sorgen. Wieder im Weingut aß er eine Scheibe Brot und setzte sich mit Benni und einem Glas Wein unter die Kastanie.
Als es dunkel war, wollte Benjamin schlafen gehen, da sah er eine Gestalt um die Hausecke kommen. Benni hob den Kopf, legte sich aber sofort wieder bequem hin. Es war Christian. Wortlos setzt er sich zu Benjamin auf die Bank, der gab ihm sein Glas und legte eine Hand auf seinen Arm.
„Ich habe so gehofft, dass du Nellys Papa bist, aber nun ist es alles ganz anders. Bruder, wie geht es dir damit?“
Christian stürzte den Wein auf einen Zug herunter.
„Es geht mir beschissen. Ich fühle mich leer und kaputt. Was soll’s. Es ist nicht zu ändern. Glückwunsch. Wie geht ihr beide damit um?“
„Christian, sie liebt dich und du liebst sie. Warum verzeihst du ihr nicht und nimmst sie in den Arm.“
„Ich liebe sie, da hast du recht. Aber es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Sie will mich doch gar nicht mehr und nun habt ihr ein gemeinsames Kind. Ich bin total am Ende. Wenn ich die Kleine nur ab und zu mal sehen könnte …“
Christians Blick war voller Liebe und Schmerz. Er hatte nicht nur Katja, sondern auch seine zweite Liebe Nelly verloren. Benni spürte anscheinend sein Leid und legte den Kopf auf Christians Schoß. Der kraulte ihm in Gedanken versunken die Locken am Hals.
„Natürlich kannst du sie sehen“, sagte Benjamin. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass Katja in der Ferienzeit immer zu mir kommt. Da bist du dann auch dabei. Versprochen.“
„Es