Yücksel unterbricht seine Gedanken, als er mit Schwung und einem: „Guten Appetit! Im Halse soll es dir steckenbleiben …“ den Teller auf den Tisch stellte, sich einen Stuhl heranzieht und zu ihm setzt. Gerade in diesem Moment öffnet sich die Eingangstür und Alisha, völlig durchnässt, mit zwei prall gefüllten Einkaufstüten erscheint: „Man, ist das ein scheiß Wetter!“ „Hättest du ein paar Kinder in die Welt gesetzt und einen passenden Mann dazu, dann wäre der höchst wahrscheinlich Einkaufen gegangen und du wärst nicht mit weißem Pulverschnee überzogen!“ Alisha war der eigenartige Humor ihres Vaters nur zu gut bekannt, aber doch bitte nicht, wenn Er anwesend war! „Baba!“, protestierte sie lautstark. Und er? Er grinste. Peinlich! Schnellstens schickt sie sich an, mit ihren Tüten im Küchentrakt zu verschwinden, hört aber noch im Gehen, wie sich der Vater lachend an seinen einzigen Gast wendet: „Und was ist mit dir? Willst du sie nicht heiraten? Sie ist doch ohnehin schon den ganzen Vormittag bei dir. Du weißt, ich bin Traditionalist. Ich gebe dir ein Kamel, wenn du sie nimmst!“ „Baba!“, schallt es von der Küche und diesmal sehr energisch. Falk lacht: „Ich gebe ja zu, dein Angebot klingt verlockend. Ich muss dennoch ablehnen.“ Yücksel erwidert verwundert: „Erzähle mir nicht, dass sie dir nicht gefällt.“ „Doch. Aber…“ „Und kochen kann sie auch!“ „Alles gut, Yasar. Tolles Angebot. Bleibt nur die Frage, wie ich das Kamel ohne Flaschenzug in meine Zweiraumwohnung bekomme.“ Gerade will der Türke eine Lösung für dieses Problem präsentieren, als ein neuer Gast das Terrain betritt. Mit einem: „Guten Tag, Efendi Bruno. Ein Bier, wie immer?“, springt Yasar auf, eilt zum Kühlschrank, um das Gewünschte an den Tisch zu bringen. „Jetzt hat er ein anderes Opfer gefunden“, denkt sich Koch grinsend und macht sich daran, endlich seine Dönerplatte zu verspeisen. Ob sich Alisha in nächster Zeit zeigen würde, war fraglich.
2. Kapitel
§ 140
(1) Die Mitwirkung eines Verteidigers ist notwendig, wenn…
2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird.
§ 139
Der als Verteidiger gewählte Rechtsanwalt kann mit Zustimmung dessen, der ihn gewählt hat, die Verteidigung einem Rechtskundigen, der die erste Prüfung für den Justizdienst bestanden hat und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt ist, übertragen.
(Strafprozessordnung der Bundesrepublik Deutschland, Stand 08.05.2015)
Koch war ein Kaffeejunkie. Er war in der Lage, täglich literweise den schwarzen Muntermacher in sich hinein zu kippen. Es war nicht sein Ziel, sich damit aufzuputschen. Nein, das Heißgetränk schmeckt ihm einfach, am besten einen Pott zu jedem Tagesabschnitt. Wahrscheinlich hatte sein Körper sich bereits derart daran gewöhnt, dass ihm der Kaffeegenuss keine Minute Schlaf rauben konnte. Am liebsten trank er ihn schwarz, also ohne „Zusätze“ und so stark als möglich. Jeder andere hätte wohl bei seiner Dosierung der schwarzen Brühe Gift und Galle gespien, aber nicht er! Und eines stand für ihn außer Frage, den besten Kaffee kochte Alisha. Regelmäßig schleppte sie unaufgefordert Tasse für Tasse aus dem Vorzimmer in sein Büro, um sie dann mit einem kopfschüttelnden Lächeln und einem wohl gemeinten „Eines Tages bekommst du von dem Zeug einen Herzinfarkt“ auf seinen Schreibtisch zu stellen. Mit einem: „Glaub ich nicht ...“, lächelte er dann gewöhnlich zurück. Dieses Prozedere wiederholte sich so oft, dass es schon langsam eine Art Kultstatus annahm. Es klopft an der Tür und Alisha steckt ihre schwarze Wuschelmähne zur Tür herein. „Jetzt übertreibst du es aber! Alle zehn Minuten, das schaffe noch nicht mal ich!“, quittiert er. „Du hast Besuch.“ Koch verzieht leicht das Gesicht: „Hättest du nicht einen Termin machen können? Du weißt doch, dass ich diese blöde Bilanz hier fertigkriegen muss! Morgen kommt der Müller. Der will den Scheiß hier abholen und ich habe gerade mal die Hälfte fertig.“ „Glaube mir, dieser Besuch wird dich interessieren …“, flüstert sie leise und fügt hinzu: „Herr und Frau Hohmann!“ Er sieht sie mit starrem Blick an. „Siehst du, sage ich doch, dass dich das interessieren wird. Soll ich sie reinbitten?“, erwidert sie, mit einem leicht bitteren Unterton. Alisha kannte die Wartenden, zwar nur aus Erzählungen und das auch nur wenig, aber immerhin wusste sie, dass es sich um die Eltern seiner großen Liebe handelte. Koch nickt stumm. So stark wie die Neugier auf diesen Besuch auch sein mag, die Gedanken an die Vergangenheit schießen in diesem Moment wie Blitze durch den Kopf. Plötzlich ist seine Erinnerung wieder da, diese Sehnsucht, die er doch so quälend langsam aber mit wachsendem Erfolg bekämpft hatte. Sonja. Seine Sonja. Im inneren Zeitraffer