Als die 10 Minuten vorbei waren, befand sich eine kugelhafte >Gestalt< in der Kabine Van Hanroys, deren Umrisse sich ständig änderten. Das Ding hatte etwa 1 m Durchmesser, leuchtete schwach in einem dunklen, samtenen Rot und hatte keine erkennbaren Körperteile.
Hegenbosch versuchte verzweifelt, seinem ABC eine Meldung darüber zu entlocken, wie das Ding die Entfernung zwischen der bläulichen Amöbe und der >Solares Empire< zurückgelegt hatte, oder gar, wie es die Schutzschirme durchdrungen hatte, ohne dass ein Rotalarm losgegangen wäre.
Aus der roten Wabberkugel erklang eine fein modulierte, angenehme Bassstimme. „Wie ich bereits sagte, komme ich in friedlicher Absicht. Mein Name ist Hortal.“
Auf der Oberfläche der seltsamen Energiegestalt bildeten sich kleine Antipodien und formten sich zu Tentakeln, die dann ebenso plötzlich, wie sie erschienen waren, in die Gestalt zurückflossen. Es vergingen einige Sekunden, dann wurde die Gestalt exakt kugelförmig und sank auf einen freien Stuhl. „Es ist für mich zwar völlig egal, wie ich gerade aussehe, aber ich hatte ganz vergessen, dass das für euch möglicherweise einigen Unterschied macht.“, beschied Hortal. „Ab jetzt werde ich mit euch als Kugel kommunizieren“.
„Ich bin Wim Van Hanroy“, sagte der Präsident.
„Ich bin der Kommandant dieses Schiffes und heiße Frank Hegenbosch“, stellte sich auch der Commander vor.
„Ich heiße Georg Atahasi und bin der Adjutant des Präsidenten der Menschheit“, gab sich Atahasi würdevoll, während er gleichzeitig versuchte, die Kugel mit allen seinen Sinnen zu espern.
„Ich weiß“, meinte Hortal nur, und die drei Menschen bildeten sich ein, so etwas wie ein Lächeln in der wohlmodulierten Stimme zu hören. „Sinnlos“, raunte er Atahasi telepathisch zu.
„Wir wissen jetzt Ihren Namen“, versuchte Van Hanroy den Faden wieder aufzunehmen. „Aber was sind Sie? Und was ist eigentlich passiert? Haben Sie etwas mit unserem Ausbruch aus dem 5-D-Raum zu tun? Haben Sie unseren Hyperfunk unterbrochen? Was ist das für ein seltsames Gebilde außerhalb unseres Schiffs?“
„Viele Fragen auf einmal“, schmunzelte die rötliche Kugel nun deutlich. „Ich werde versuchen, sie so zu beantworten, dass es auch verständlich bleibt. Auch wenn das nicht immer ganz einfach sein wird.“
Langsam entspannten sich die drei Zuhörer. Scheinbar war dieser Hortal keine unmittelbare Gefahr. Wenngleich er offensichtlich über ungeheure Machtmittel verfügte.
„Also zuerst: Was bin ich? Ihr müsst euch vorstellen, dass Intelligenzen, die im Zuge ihrer Entwicklung immer älter und reifer werden, schließlich die unterschiedlichsten Konsequenzen aus ihrer Stammesentwicklung ziehen. Die einen bekämpfen sich aus rassistischen Gründen und vergehen in einem alles vernichtenden Atomkrieg. Wieder andere bekriegen sich mit anderen Völkern um irgendwelche Ressourcen aus religiösen oder anderen Gründen und bringen sich dabei ebenfalls gegenseitig um. Die dritten wiederum schaffen es, alle diese Entwicklungsstufen zu überleben und wirklich weise zu werden. Auch hier gab es in der Vergangenheit schon ein paar unterschiedliche Entwicklungen. Bei den Hortal war es so, dass sie beschlossen, sich zu einer Zentralintelligenz zu integrieren.
Was ihr hier vor euch seht, ist nicht ein einzelnes Wesen, sondern sind viele Wesen, die zu einem Bewusstseinszustand verschmolzen sind.“
Nun entstand ungläubiges Schweigen.
Was sollte denn eine Zentralintelligenz sein?
„Moment mal“, unterbrach Atahasi seine ausufernden Gedankengänge. „Wollen Sie damit andeuten, dass Sie mehrere Personen gleichzeitig sind?“
„Stellt euch vor“, war die Antwort Hortals, „dass die Menschheit noch weitere 100.000 Jahre lebt und sich technisch, organisatorisch, mentalitätsmäßig und spirituell weiterentwickelt. Eines Tages könnte es dann soweit sein, dass eure Rasse beschließt, ihre Individualität zu beenden, um zu einem Gemeinschaftswesen zu verschmelzen. Die Entwicklung muss nicht so sein. Es ist aber eine der Möglichkeiten.“
Nachdem Hortal den Zuhörern einige Sekunden des erschütterten Nachdenkens gegönnt hatte, setzte er fort: „Wir jedenfalls haben das so gemacht. Damals vor rund 50.000 eurer Jahre.“
Die Stimme der Kugel bekam nun wieder einen geschäftsmäßigen Klang: „Zu den anderen Fragen: Ich habe euren Hyperflug unterbrochen, da ihr zu einer wichtigen Mission in das politische Zentrum der Galaxis unterwegs seid. Das blaue Gebilde – wie ihr es nennt – ist mein Raumschiff.“
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und der Wachführer wollte mit lauter Stimme wissen, wieso sein ABC keinen Kontakt mit den ABCs der Delegation mehr habe. Commander Hegenbosch beruhigte ihn und bat, dass man sie so lange nicht mehr störte, bis sie sich von selbst wieder meldeten.
„Sie sind also 50.000 Jahre alt und bestehen aus vielen Personen?“, wollte Wim Van Hanroy noch einmal wissen.
„So ungefähr“, klang die tiefe Stimme aus der Kugel wieder etwas belustigt. „Und ich bin gekommen, um euch zu warnen. Und nun sagt einfach >du< und Hortal zu mir.“
„Du bist gekommen...?“, setzte nun Commander Hegenbosch nach einer neuerlichen Nachdenkphase fort. „Du hast uns aus dem Hyperraum geholt, den Funk unterbrochen und willst uns warnen?“
„Langsam nähern wir uns den Fakten“, beharrte Hortal auf seiner Geschichte. „So ist es. Hört zu:
Im Galaktischen Zentrum entwickelten sich vor Äonen die ersten Intelligenzen. Diese haben nach und nach die Raumfahrt erfunden. Sie haben sich bekämpft oder sind friedlich geblieben, haben sich zusammengeschlossen oder sind für sich geblieben, haben eine Religion entwickelt oder auch nicht. Manche haben sich selbst vernichtet, viele haben sich gegenseitig umgebracht. Einige wenige haben sich weiterentwickelt. Diese wiederum sind unterschiedliche Wege gegangen. Gleichzeitig aber konnte keines dieser Wesen die Naturgesetze auf den Kopf stellen oder außer Kraft setzen. Auch wenn so manche technologische Entwicklung so ausgesehen haben mag. Die Grenzen der Physik des 7-dimensionalen Raumes kann niemand sprengen.“
„Gibt es etwa 7 Dimensionen?“, rief Hegenbosch aufgeregt.
„Ja, aber von dieser Antwort hast du gar nichts“.
„Immerhin erfahren wir soeben etwas, was wir vorher noch nie gehört haben.“
„Nun, herausragende Neugier scheint mir eine der Voraussetzungen gewesen zu sein, warum sich die Solaner im Verhältnis zu anderen Völkern so rasch entwickelten. Aber hört nun weiter zu. Meine Erzählung hat nichts mit Wissenschaft zu tun:
Irgendwann - lange vor eurer Zeit – wurden viele Völker der Milchstraße von Unbekannten angegriffen und in ihrem Fortbestand bedroht. Erst nach langem und verlustreichem Kampf konnte die Bedrohung schließlich besiegt werden. Der Preis war allerdings sehr hoch. Hunderte Sonnensysteme wurden vernichtet. Milliarden intelligenter Lebensformen wurden getötet. Sogar die geschichtlichen Überlieferungen gingen verloren. Heute weiß in eurer Galaxis kaum noch jemand über die damaligen Ereignisse Bescheid.“
Hortal legte eine Pause ein, um den drei Menschen Gelegenheit zum Nachdenken zu geben.
Van Hanroy fragte schließlich mit nachdenklicher Stimme: „Und woher weißt du etwas davon?“
„Wir sind ihnen damals entkommen.“
„Den Unbekannten?“
„Da waren sie nicht mehr so unbekannt. Jedenfalls erhielten wir dann den Auftrag, so einen galaktischen Krieg in Zukunft verhindern zu helfen.“
„Es gibt jemanden, der so mächtigen Wesen, wie ihr es scheinbar seid, Aufträge erteilt?“ Die Stimme Van Hanroys zitterte leicht bei dieser Frage.
„So kann man das nicht bezeichnen. Wenn ich euch diese Dinge so erzählen wollte, wie sie wirklich sind, würdet ihr mich nicht verstehen.“
„Wieso