Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms. Helmut H. Schulz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut H. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783847668756
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und nie wieder aufstülpte, ganz ähnlich wie der mächtige Zar Peter. Der nun schon knapp dreizehnjährige Friedrich Wilhelm, unser Kronzeuge, dem die Großmutter aus Hannover, wie einige andere Damen und Herrn, neben seiner beispiellosen Ungezogenheit eine auffallende Frühreife nachsagen, denkt: ... nur Geduld, Herr Vater, man sagt, daß Euer herrlicher karmesinroter und golddurchwirkter Rock, strotzend von Edelsteinen, daß Euer hellroter Hermelinmantel darüber, alles sind, was Ihr als König zu geben habt! Auch soll jeder der Diamantknöpfe auf Eurem wunderbaren Kostüm an die 3 Tsd. Dukaten gekostet haben. Mit diesem Aufwand könnte ich ein Regiment länger als ein Jahr, nein, viel, viel länger, beköstigen und erhalten. 'Wahrlich, Ihr seid jeder Zoll ein König, Ew. Majestät! Muß man Euch jetzt mit Sir ansprechen, wie den Sonnenkönig, unseren lieben Verwandten, Euren lieben Paten, der uns die Schweden auf den Hals geschickt hat und weiter schicken wird, obschon diese einer anderen Religion als der seinen angehören, und es geht doch um solch schöne Sachen, wie den wahren Glauben, nicht wahr? Ich werde sogleich niederknien und Euch, wie es die Sitte erheischt, die Hand küssen. Ew. Majestät! Eure erlauchte Gattin, meine verehrte Mama, die schönste, die geistreichste rstin Europas, wie alle Hohlköpfe in Briefen für die Nachwelt versichern, wird in wenigen Augenblicken von Euch zur Königin gemacht werden. Werden ihr Schauer über den Rücken laufen, ob der Erhabenheit dieser Stunde, der Größe ihres Glückes, sie, die Euch haßt, verachtet, überall herabwürdigt, verehrte Mama? Ich höre, Ihr werdet Eure Königin in einem Nebenraum eigenhändig krönen? Wie schön und wie vortrefflich ausgedacht, Sir! Wir folgen Euch gern, um auch diesem Akt beizuwohnen; nehmt nur erst die Huldigungen aller Anwesenden entgegen, wir folgen Euch in die Gecher Eurer Königin, ma tres chere Mama Sophie, die mit ihrem eigenen Hofstaat, allen diesen Ohrenbläsem, Lustbarkeitsmachern, Querflötern, Klavichordvirtuosen. allen diesen gottverdammten Projektemachern und Anbetern des holden Müßiggangs, darunter der hochgerühmte Herr Leibniz, der gewichtige, der philosophische Herr Leibniz, ein bedeutender Mann, Mitbringsel aus dem großen Hannover. Fürchten Sie nichts, Sir! Großvater und Grandmere am bedeutenden Hofe zu Hannover werden einmal Kurfürst und Kurfürstin, aber niemals Könige, wenigstens nicht in Deutschland. Vielleicht in England? Vielleicht, nein, gewiß oder nicht gewiß? Dort steht Bolingbroke, der englische Gesandte. Wißt Ihr, was er über Euch eines Tages sagen wird? Er wird sagen, daß Ihr der beste Majestätsdarsteller Europas gewesen seid, und Ihr selbst werdet zuletzt von einer Commedie sprechen. Genug, genug ... Noch sehen wir Euch staunend und erregt von dem Glanz der Kerzen, dem Rausch der Farben, der Musik, die Ihr mehr liebt als den Donner der Kanonen, die gleichwohl unsere Macht sichern könnten, wir hätten sie denn, wären da nicht die Kosten für Eure Feten, Eure Röcke und Perücken. Eh bien! Gehen wir, gehen wir also ins Nebengemach. Da ist Madame, Sophie Regina Prussia, alsbald Königin. Nun drückt Euch der König die Krone auf das gelockte Haupt, liebe Mama! Ihr dürft Euch wieder erheben, Madame, falls Euch die Last an Brokat und Juwelen, falls Euch Euer Fett nicht daran hindern. Ich verspreche es Euch beiden, verehrte Eltern und Ew. Majestäten, und meine liebe Mama, so wahr ich lebe und hier stehe, und so wahr mir Gott dabei helfe, einst wird ein herber, ein eiseskalter Wind durch Euren verfluchten Luxus wehen und fegen, fegen ... wenn ich dereinst König sein werde. Denken Sie daran, Madame, denken Sie daran, Sir, Rois, Regina de Prusse ...

      Aber kommen wir aus dem Himmel solcher Prosa zurück auf die Erde des Prosaischen. Mit den beiden Krönungen waren die Feierlichkeiten keineswegs zu Ende. Zwar hatte sich Friedrich III. selbst zum König Friedrich I. und Sophie Charlotte zur Königin gekrönt, gleichwohl aber wollte er nicht auf die Einsegnung der Kirche verzichten, unterstreichend, dass die Königsmacht letzten Endes eben doch von Gott kommt, auch wenn sie einen gepfefferten irdischen Preis hat. Die Sache hatte ja schwierig genug ausgesehen, konnte aber glücklich zu Ende gebracht werden. König und Königin waren Kalvinisten, Sophie erst durch Übertritt, verschiedenen Konfessionen gehörten die neuen Untertanen an. So mussten zunächst einmal zwei Bischöfe gemacht werden, die nacheinander die Salbung des Herrscherpaares vornahmen. In der Kirche zu Königsberg rieben ihnen zwei Geistliche, ein Lutheraner und ein Kalvinist, Stirn und Handgelenke mit dem Öl der Salbung ein. Wir wissen nicht, woher es genommen wurde, das heilige Öl, ob es römisch-papistisch, lutherisch oder kalvinistisch war, allein es war zur Stelle, als es gebraucht wurde. Dass die Einsegnung in einer lutherischen Kirche vorgenommen wurde, sollte die Toleranz des Königs herausstellen. Damit endete das offizielle Krönungsprogramm des 18. Januar Anno Domini 1701, und wir alle sind ein erhebliches Stück weiter in der Weltgeschichte.

      Später folgte der heitere Teil der Krönungsveranstaltung. Wie auch heute, bestand die Hauptlustbarkeit im Essen, im Genuss schwerer fetter Speisen und berauschender Getränke, Wein, Bier und Schnaps, seinerzeit im Festsaal des Schlosses. Aber auch im Schlosshof beging das Volk den neuen König auf hergebrachte Art und Weise. Ein ganzer Ochse wurde geröstet, dessen leere Bauchhöhle mit allerlei Kleingebratenem gefüllt worden war. Zwei Brunnenschnäbel, Adlerschnäbeln nachgebildet, lieferten Wein, an die 4 Tsd. Liter sollen geflossen sein. Der Tag konnte mit einem großen Feuerwerk beendet werden, es muss eine großmächtige Lustbarkeit ausgebrochen sein, die Feier eines glücklichen Volkes sozusagen, der unter dem Brandenburger Tor zu einer anderen Zeit nicht unähnlich und noch teurer als diese. Der Kronprinz vermerkte mit Empörung, dass es sich um einige Millionen Taler, 6 Millionen, das Jahreseinkommen des Staates, handelte, die durch eine nachträgliche Sondersteuer beigebracht wurden, was denn sonst?

      Der Kronprinz führte nämlich