Palmer :Black Notice. Stephan Lake. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephan Lake
Издательство: Bookwire
Серия: Palmer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742720078
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nach vorne, „Hast du mir einen Unterschlupf besorgt?“

      Mark nickte.

      „Ist der Unterschlupf sicher?“

      Lis Augenbraue zuckte nach oben.

      Er sah Wang verlegen lächeln.

      Neun Jahre hatten sie sich nicht gesehen, aber in diesem Moment fühlte sich Mark, als hätten sich diese neun Jahre nicht ereignet. Als hätte er in Wirklichkeit Hong Kong nie verlassen und würde, wie hunderte Male zuvor, nur ein weiteres Mal in einem der kleinen Straßenrestaurants auf Hong Kong Island sitzen oder in Kowloon. Und Wang würde ihm Informationen weitergeben und hätte dabei etwas Dummes gesagt oder etwas Selbstverständliches und wäre dafür von ihm mit einer hochgezogenen Augenbraue gerügt worden.

      Mark sagte, „Es ist lange her, Andrew.“

      „Zu lange“, sagte Wang.

      Wie Wang beim Sprechen stoßweise Rauch aus Nase und Mund entwich, er hatte das noch nie ausstehen können. Mark fächelte mit der Hand und schüttelte den Kopf. „Nicht lange genug“, sagte er. „Freund?“

      Wang nickte. „Freund.“

      Mark nahm einen Schluck von seinem Tee. Wang hatte mit seiner Antwort nicht gezögert, das war gut. Aber mit Wang war etwas passiert, das war nicht zu übersehen. Wang schien an den alten Zeiten zu hängen, oder vielleicht wollte er ihn auch nur an seine Schuld erinnern.

      Als ob er diese Erinnerung brauchte.

      Aber er glaubte Wang, dass der ihn noch als Freund betrachtete. Er war sich nur nicht sicher, ob er Wang auch vertrauen konnte.

      Er sagte, „Okay, Freund, dann erzähle mir, um was es geht und was du von mir willst.“

      Und sah Wang den nächsten tiefen Zug nehmen. Asche fiel auf sein Hemd, seine Augen suchten den Tisch ab, kein Aschenbecher, aber sein Blick blieb für einen Moment auf dem No-Smoking-Aufkleber. Wang zog noch einmal und ließ die Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus. Wischte die Asche vom Tisch, trank von seinem Eiskaffee. Knetete dann seine Hand, die immer noch zitterte.

      Was war bloß mit ihm los?

      „Es geht um mein Leben, Mark. Es gibt Leute, die es mir nehmen wollen. Verstehst du? Mein Leben. Weil ich alles gesehen habe. Ich brauche deine Hilfe.“

      „Was für Leute? Profis?“

      „Profis, natürlich.“ Wang nickte. „Weshalb sonst wäre ich denn hier? Ich brauche deine Hilfe, Mark.“

      „Und um was geht es? Was hast du gesehen?“

      Er beobachtete, wie Wang nach den Zigaretten greifen wollte, sein Blick wieder auf den Aufkleber fiel und es dann ließ und damit begann, die andere Hand zu kneten. Dann antwortete Wang, so leise, dass Mark sich weit zu ihm hinüber beugen musste.

      „Es geht um ... Es geht um Amerika. Amerika. Und um unschuldige Tote. Viele unschuldige Tote.“

      Mark lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Er ließ seinen Blick schweifen.

      Die Chinesin blätterte in ihrem Heft.

      Er legte einen Geldschein auf den Tisch, beugte sich wieder nach vorne und sagte, ebenfalls leise, „Wir müssen gehen.“

      Wang griff nach seinen Zigaretten. „Warum?“

      „Wir sind keine Sandkörner mehr“, sagte Mark.

      4

      Zehntausend Meilen entfernt in der Bronx, New York City

      Sein Gegner lächelte. Und zog ein Messer aus der Jacke.

      „I’cut your head off, asshole.“

      Fünfzehn Zentimeter Klinge, beidseitig geschliffen.

       Ich schneide dir den Kopf ab, Arschloch.

      Palmer stand still. Der Kerl hörte sich ernst an. Als ob er das wirklich so meinte. Dabei war Palmer nur nach New York gekommen, weil er Doc einen Gefallen tun wollte. Viel lieber wäre er vor seinem Trailer in der Wüste sitzen geblieben mit dem Becher Kaffee in der Hand, das Gesicht in die kalte Wintersonne gestreckt, der Blick in die Wüste.

      Weites Land.

      Palmer hatte bei dem Kerl auf Einsicht gehofft, auf eine unkomplizierte Einigung zwischen zwei Erwachsenen. Aber das kam dabei heraus, wenn er anderen einen Gefallen tat. Irgendwann stand jemand mit schlechter Laune und jugendlichem Starrsinn vor ihm. Und manchmal sogar mit einem Messer in der Hand. Obwohl, jetzt, in diesem Fall hatte Palmer eine Pistole erwartet. Berettas sind sehr verbreitet bei denen, Glocks auch. Sie konnten sich ihre Dienstwaffen aussuchen, oder?

      Sein Gegner machte einen schweren Schritt über seine golden glitzernde Marke hinweg. City of New York Police. Das falsche Lächeln in dem feisten Gesicht verschwand. Der rechte Arm weit ausgestreckt, die harte Baumwolle der Jacke spannte über den massigen Schultern, die Klinge zwischen Daumen und Zeigefinger zeigte auf Palmer.

      Jetzt noch drei Schritte entfernt.

      Palmer stand immer noch still. Der rechte Fuß vorne, beide Ellbogen vor dem Körper, die Hände offen.

      Bereit.

      „Du kannst mein Angebot immer noch annehmen“, sagte er. Und meinte es. So, wie er alles meinte, was er sagte.

      Der Cop machte einen zweiten Schritt, die Lippen jetzt zusammengepresst vor Wut und vor Schmerz. Sein linker Arm schlaff, gebrochen, aber er hatte Palmer angefasst, obwohl der ihm das verboten hatte. Dont touch. Was ist daran nicht zu verstehen? Nicht anfassen.

      „Ich kann ja verstehen, dass du nicht bester Laune bist. Der gebrochene Arm und so? Aber du bist das selbst schuld. Das siehst du ein, nicht?“

      Der Cop machte den dritten Schritt, schneller als die beiden zuvor, so schnell er konnte bei seiner Masse, aber immer noch zu langsam für Palmers Welt. Krümmte zugleich den Arm, um ihn im nächsten Moment wieder zu strecken.

      Die Klinge würde Palmers Hals knapp oberhalb des Adamsapfels durchbohren.

      Aber nicht heute.

      Palmer wich zur Seite.

      Der Cop streckte den Arm, die Klinge verfehlte ihr Ziel.

      Mit beiden Händen zugleich packte Palmer das wulstige Handgelenk und drehte sich, eine halbe Drehung nur, der ausgestreckte Arm wich mit ihm zur Seite und weg aus der Richtung, in die der träge Körper noch unterwegs war. Der Cop verlor das Gleichgewicht, taumelte, balancierte für einen kurzen entscheidenden Moment seinen Körper auf dem rechten Bein.

      Palmer trat das Bein unter ihm weg.

      Hundert Kilogramm verteilt auf einen Meter neunzig klatschten auf den kalten Asphalt.

      Palmer stand über ihm, weiter das Handgelenk haltend und streckte den Arm mit einem Ruck.

      Die Hand öffnete sich, das Messer fiel heraus.

      Noch bevor die Klinge den Boden berührte, ließ sich Palmer mit seinem Knie voran auf den Ellbogen fallen.

      Achtzig Kilo und angewinkeltes Knie gegen ausgestreckten Ellbogen. Die Wirkung war furchtbar.

      Der Ellbogen platzte mit dumpfem Knall auseinander, zugleich knickte der Unterarm nach oben. Der Cop? Stierte auf seinen Arm, der in die völlig falsche Richtung zeigte. Stumm, weil der Schmerz auf seinem Weg über das Rückenmark noch nicht im Gehirn angekommen war, und entsetzt, weil er zu verstehen begann, was gerade passierte.

      Und immer noch hielt Palmer das Handgelenk mit beiden Händen, drehte jetzt den Unterarm nach rechts – das Gelenk knirschte – und nach links – das Gelenk knirschte wieder. Palmer spürte, wie die Bänder rissen.

      Der Cop schrie auf.

      Und er hatte allen Grund dazu.

      Die Gelenkkapsel