Ohne Hirn bist halt ein Depp. Johann Eckerl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Eckerl
Издательство: Bookwire
Серия: Sammelband
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738072471
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Grund hat er meistens schon!“

      Der Herr Doktor Maurer war ein wenig verwundert, als am Montagmorgen die halbe Augseeer Feuerwehr – teils mit Ehefrauen – in seinem Wartezimmer versammelt war. Hochrote Köpfe leuchtetem dem Augseeer Allgemeinarzt entgegen, als er sich nachdenklich umsah im überfüllten Raum. Er wusste noch nicht, dass der Herr Bürgermeister samt Gattin bereits vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht worden waren.

      Der Heudobler Heini saß auf einem Stuhl in der Ecke und blickte gebannt auf ein Bild an der Wand gegenüber. Der darauf abgebildete Hirsch mit seinem mächtigen Geweih machte ihm gerade etwas Angst.

      Der Rosenhuber Rudi lief nervös auf und ab, stieß sich dabei mehrfach das Schienbein am Kinder-Lesetisch, der inmitten des kleinen Warteraumes stand.

      Der Behringer Franzl hatte Tränen in den Augen, weswegen der Schuhmacher Markus unaufhörlich kicherte, während die Heudobler Waltraud apathisch ins Leere blickte.

      Auch das Verhalten der restlichen Patienten schien ihm seltsam, dem Herrn Doktor Maurer, da sprang der Heudobler Heini von seinen Stuhl auf und schrie:

      „Hörts auf! Halts an, halts doch endlich an! ... Ich möcht‘ aussteigen! Auf der Stell‘ möcht‘ ich aussteigen!“

      Der Doktor Maurer nahm den Heini in den Arm und fragte in die Runde:

      „Ja, sagts einmal! Was ist denn mit euch los?“

      Im wüsten Chor schallte es ihm entgegen: „Uns geht‘s gar nicht gut!“

      Nur der Schuhmacher Markus rief laut dazwischen: „Mich hat meine Frau g‘schickt, weil‘s mir sooo gut geht!“ und begann sogleich hysterisch zu lachen und durch den Raum zu tanzen.

      Gleich darauf begann ein wildes Plappern. Der Doktor Maurer machte ein paar Schritte durch das Wartezimmer blickte jedem tief in die Augen, ließ sich die eine oder andere klumpige Zunge zeigen, fühlte hier und da den Puls und meinte dann laut:

      „Wissts ihr was? ... Ihr seids ja alle high! Im Drogenrausch seids ihr!“

      Das Plappern hörte auf.

      „Ein bisserl krank ist ja nicht gleich ungesund!“

      Manchmal haben die Dinge ja recht verwirrende Namen. Die Weißwurst zum Beispiel, die heißt zwar Weißwurst, dabei weiß sie auch nicht mehr als eine Knackwurst. Sie ist halt nur weißer. Ja, und die Tollkirsche ist eben auch nicht eine besonders tolle Kirsche. Sie macht einen halt nur toll. Jetzt weniger vom Ausschauen her, sondern mehr vom Durcheinander im Hirn her gesehen.

      Der Doktor Maurer hat sie ja gleich erkannt, die Tollkirschen im Beerenkompott, als ihm der Jakob tags darauf ein paar Gläser davon auf den Tisch gestellt hatte. Und zum Inhalt der unbeschrifteten Gläser meinte er entsetzt:

      „Ja, Herr Teufel, das sind ja durch und durch nur Tollkirschen! Schauens her da: schwarze, kirschgroße Beeren mit ganz vielen Körnern. Ein wenig verkocht zwar, aber gut zu erkennen. Ja, du liebe Zeit, was da hätt‘ passieren können!“

      Wo er die denn her hätte, fragte er den Jakob, der antwortete:

      „Ja, mei, gell! Von der ... Dings, ... von der Oma halt hab ich das Kompott. Und die Schwammerl auch.“

      Ein wenig aufgeregt fuhr er fort:

      „Wissens Herr Doktor, ich hab mir da nichts dabei gedacht. Hab halt g‘meint, das wären feine Beeren, wo‘s doch so schön ausg‘schaut haben, im Glaserl, gell? Das ist mir jetzt alles recht zuwider. Ich wollt‘ doch niemandem was Böses, wissens, wie ich mein‘?“

      „Ist schon recht, Herr Teufel, aber die Beeren müssens schleunigst entsorgen! Nicht, dass noch wer zu Schaden kommt!“

      ***

      Ein paar Tage später, nachdem die Herrschaften wieder bei Sinnen waren, lud der Bürgermeister Haberecht zur vertraulichen Aussprache ins Rathaus ein. Man müsse gemeinsam entscheiden, was man denn nun unternehmen sollte, wegen dem Jakob.

      Drei Tage könne so ein Tollkirschen-Rausch anhalten, wenn man nicht gerade vorher stirbt, erklärte der Doktor Maurer.

      Bei fünf, sechs Beeren mag‘s ja noch gehen. Erweiterte Pupillen, einen recht trockenen Mund, hohen Puls und Sehstörungen, vielleicht auch schon ein wenig Herzrhythmusstörungen könnt‘s da geben. Und Weinkrämpfe, Rededrang und mehr oder weniger lustige Halluzinationen wären da auch ganz normal, meinte der Herr Doktor. Aber ab zehn, zwölf Beeren hätte es leicht der letzte Rausch gewesen sein können.

      Es blieb eine Weile still im Sitzungssaal des Augseeer Rathauses, weil gerade alle ein wenig nachdachten.

      So schlimm wäre es jetzt auch nicht gewesen und so ein kleiner Drogenrausch wäre ja auch mal ganz interessant, war das Resümee der Denkpause. Schließlich könnte einem so was schon mal passieren, wenn man sich nicht so genau mit den Beeren auskenne, war die Meinung.

      „Da kann einer gar nicht recht was dafür, wenn‘s anderen schlecht wird!“, stellte der Rosenhuber Rudi fest.

      „Aber sind wir jetzt gar alle süchtig?“, warf die Haberecht Rosmarie sorgenvoll ein.

      „Aber gehns, Frau Bürgermeister, natürlich nicht!“, versicherte ihr der Doktor Maurer und meinte lachend, da müsste man schon noch öfter solche Räusche haben.

      „So, wie ich das seh‘, ist ja niemandem was Schlimmes passiert!“, fasste der Bürgermeister schließlich zusammen, weil, beim Schwanninger Herbert, da hätte man ja ohnehin nicht genau gewusst, ob der überhaupt ein Kompott gegessen hatte oder einfach schon zu alt zum Weiterleben gewesen wäre.

      „Ja, und bei der Frauenbundversammlung könnt‘s leicht der Marillenlikör g‘wesen sein, dass die ganze Bagage so aufgekratzt g‘wesen ist und der einen oder anderen ein wenig schlecht g‘worden ist, gell, Herr Doktor?“, richtete sich der Heudobler Heini fragend an den Doktor Maurer.

      „Da waren ja auch viel weniger Tollkirschen drin, weil der Herr Teufel da keine von den Extragläsern reingemischt hat“, wusste der Doktor.

      „Und der Marold Margarete geht‘s ja auch längst wieder gut, nach ihrem Bluthochdruck“, meinte der Heini.

      „Was war aber jetzt beim Seniorenkränzchen vom Pfarrer?“, fragte der Bürgermeister Haberecht den Doktor Maurer.

      „Da waren‘s wohl die Schwammerl!“, wusste der, „Weil da hat‘s ja gar kein Kompott gegeben. Aber der Herr Teufel hat mir erzählt, dass er getrocknete Schwammerl reingetan hat ins Essen.“

      „Was war‘n denn das für Schwammerl?“, fragte der Bürgermeister weiter.

      „Bei den Schwammerln kenn‘ ich mich jetzt nicht so aus. Aber g‘sund ist so ein giftiger Schwammerl auf gar keinen Fall!“, erklärte der Doktor, woraufhin der Behringer Franzl meinte, ob denn das Dahinscheiden von der alten Christl von den Schwammerln hätte kommen können?

      „Ja mei, was G‘wiss‘s weiß man nicht, gell?“, zuckte der Doktor Maurer mit den Schultern.

       ***

      Der Jakob war schließlich ganz froh, dass er künftig kein Koch mehr sein musste. Das alles war ihm ohnehin schon zu viel Arbeit geworden. Und als Pensionär hätte man ja auch was anderes zu tun, als immer nur zu kochen, meinte der Jakob zum Bürgermeister Haberecht und zum Doktor Maurer, als diese ihm erklärten, dass jetzt eine Ruh‘ sein müsste mit der Kocherei für Augsee. Was der Jakob auch hoch und heilig versprach.

      Nur hin und wieder, wenn es an seiner Tür klopfte und man ihn leise und verstohlen fragte:

      „Hast vielleicht noch ein bisserl ein Kompott, Jakob?“, dann machte der Jakob auch mal eine Ausnahme.

      „Manchmal braucht’s halt was, wo man meint, das würd’s eh nicht brauchen!”