»Aber ist das so wichtig? Ich bin doch jetzt so lange ohne dieses Wissen ausgekommen. Warum nicht auch noch länger?«
»Nichts, Schniefer, ich renne nicht x-mal wegen Dir die Stufen rauf und runter, nur um den richtigen Schlüssel zu finden, damit Du jetzt so tust, als wenn das alles plötzlich gar nicht mehr wichtig wäre. Jetzt lass mal gut sein. Oder bist Du ein Geisterfeigling?«
»Nein, aber ein klein wenig Hasenfuß ist doch jeder, oder nicht, Tobias?«
»Hör auf Dich rauszureden,. Los, sag mir jetzt wo wir sind. Oder weißt Du das auch nicht?«, wollte Tobias von seinem, derzeit recht feige wirkenden, Geisterfreund wissen.
Mit ängstlichen Geisteraugen sah Schniefer Tobias an und schüttelte seinen Geisterkopf. Dann begann er sich umzusehen. Er schwebte mal kurz hier hin, dann dort hin, anschließend kam er zurück und flüsterte Tobias zu: »Wir sind im Zwischenreich.«
»Zwischenreich?«
»Ja, Tobias. Das ist kein Hier, aber auch kein Dort. Wir sind hier nicht mehr in Deiner Welt, aber auch noch nicht im Geisterreich, aber auch noch nicht im Reich der Hexen und Zauberer, auch nicht in dem von Dämonen, wir sind einfach in einem Zwischenreich. Das dient wohl dazu, dass man nun rausfinden muss, wohin man will...«
Plötzlich wurden die beiden unterbrochen. Von ganz weit hinten kam eine tapsende, sehr große Gestalt. Durch den Umhang, der diese umsäumte, konnten die beiden ungleichen Freunde auch nicht gleich die Größe des Kommenden erkennen. Auch war das Licht zu spärlich, um dass sie überhaupt hätten sehen oder erkennen können.
»Oh, Mann, was da wohl auf uns zukommt?«, flüsterte Tobias seinem Geisterfreund zu.
»Weiß ich nicht. Bin mir auch gar nicht sicher, ob wir das überhaupt wissen wollen.« pisperte dieser zurück.
Kapitel 10: Baptisè, der Wächter des Zwischenreiches
»Was wollt Ihr hier? Wer hat Euch den Weg hierher gezeigt? Hier hat kein Sterblicher etwas zu suchen. Also redet, was sucht Ihr hier?« Der Fremde war näher gekommen. Er war fast zwei Meter groß, hatte lange graue Haare mit schwarzen Streifen durchzogen. Sein grüner Körper war beinahe nackt. Außer einem braunen Lendenschurz trug er nichts an seinem Körper. Nur eben noch seinen weiten, offenen Umhang.
Tobias sah den Fremden ganz verschreckt an.
Auch Schniefer fühlte sich nicht so ganz wohl in seinem Geisterkörper.
Selbst Emilie hatte es vorgezogen sich mal wieder von Tobias auf die Arme nehmen zu lassen.
»Ich bin kein Sterblicher. Ich bin ein Geist. Mein Name ist Schniefer, zumindest haben mich die Geister immer so genannt. Mir diesen Namen durch die dicken Mauern zugeflüstert, nein, zugerufen. Sie haben mir diesen Namen gegeben. Weil ich so viel weine. Das hier, das ist mein Menschenfreund Tobias. Er will mir helfen meine Vergangenheit wieder zu finden.« erklärte er dem Fremden vorsichtig.
»Wie kann man denn eine Vergangenheit verlieren?« Der Fremde schien überrascht. Seine Stimme hatte nicht mehr ganz so einen scharfen Klang.
»Das weiß er ja nicht. Ich heiße Tobias van de Ströhm. Meinen Eltern gehört das Schloss, allerdings noch nicht sehr lange. Vielleicht würdest Du mich sonst womöglich bereits kennen. Oder wenigstens schon mal von mir gehört haben.« versuchte Tobias dem Fremden seinen Schlossherrenstand zu verdeutlichen.
»So, Deine Eltern sind die neuen Besitzer, dann bin ich ja mal gespannt, wie lange sie es hier aushalten werden. Seit den letzten zwei Jahrhunderten bleibt hier kein Sterblicher mehr allzu lange. Aber das muss meine Sorge nicht sein. Du bist also Tobias. Aber weißt Du gar nicht, das Du gar nichts in der Geisterwelt zu suchen hast?«
»Ich bin nicht in die Geisterwelt gekommen, Herr, wie heißt Du eigentlich? Schniefer ist in meine Welt gekommen.« antwortete und fragte Tobias den Fremden.
»Nun, wenn das so ist. Aber da müssen wir gleich mal darüber reden, denn so einfach ist das alles eigentlich nicht. Für alles gibt es Regeln. Deswegen, es kann und wird niemals so einfach werden, wie Ihr gerne hättet, dass es zu sein hätte, sein sollte. Da kommt mal ganz schön was auf Euch zu. Doch nun werde ich mich zuerst einmal vorstellen: Ich bin Baptisè, der Wächter des Zwischenreiches. Ich bin dazu da, genau aufzupassen, dass niemand in ein Reich geht, in das er nicht zu gehen hat. Und hier oben sind die Pforten zu den einzelnen Welten.«
»Hier oben, auf unserem Schlossdachboden? Wow, das ist ja mal toll. Aber sag mal, Baptisè, Wächter des Zwischenreiches, wieso sind die Pforten für dieses Reich hier in diesem Schloss? Und ist das der Grund, weshalb so viele nie für lange hier gewohnt haben?«, wollte Tobias von dem Wächter des Zwischenreiches wissen.
»Hast Du die Neugierde erfunden?«, fragte der Wächter Tobias.
»Ich, die Neugierde? Wie kommst Du darauf? Nur weil ich ein paar Fragen an Dich habe? Du kannst uns doch auch fragen was Du willst.« entgegnete Tobias.
»Ich werde Euch auch Fragen stellen und danach werde ich entscheiden, ob Ihr weitergehen dürft oder nicht.« Der Wächter sah die beiden mit seinen grünen Augen durchdringend an. Er versuchte herauszufinden, ob er ihnen trauen konnte.
Was wenn nicht?
Was, wenn sie den Zwischenreich-Wächter-Check nicht bestanden?
Was würde dann aus Schniefers Vergangenheit?
Wäre sie ihm dann für immer verloren?
Tobias und Schniefer sahen den Wächter mit großen fragenden Augen an. Doch er schwieg. Seine Augen durchdrangen die beiden Freunde.
Weder Schniefer, noch Tobias trauten sich derzeit etwas zu sagen. Sie wussten, dass nun alles davon abhing, ob sie weitergehen durften oder nicht. Sie durften den Wächter nicht gegen sich aufbringen, wenn sie sich weiter auf die Suche nach Schniefers Vergangenheit machen wollten. Folglich mussten sie Baptisè, den Wächter des Zwischenreiches, so lange gehen lassen, bis dieser mit seinen Gedanken zu Ende war, bis er all diese gegeneinander abgewogen hatte.
So saßen sie da und sahen schweigend zu Baptisè hin, während dieser in ihre Gedanken einzudringen suchte...
Kapitel 11: Der geheime Weg in Spiritos Reich
Tobias hörte die alte Schlossstanduhr schlagen. Er zählte die Schläge.
– Na klasse –, dachte er, – Geisterstunde! –
Dabei hätte er niemals gedacht, noch es für möglich gehalten, dass sie bereits schon so viele Stunden unterwegs waren.
Doch Baptisè der Wächter des Zwischenreiches schwieg noch immer.
Plötzlich, als wenn er von einer Hummel gestochen worden wäre, stand er auf. Den Freunden machte er ein Zeichen, dass diese sitzen bleiben sollten.
Baptisè rieb sein grünliches Kinn. Auf jeden anderen hätte er gewirkt, als wenn er eine Fischvergiftung hätte, so grün wie er war. Nicht so auf die Freunde, wussten sie doch mittlerweile, dass es seine natürliche Hautfarbe war, dieses eigentümliche Grün, das doch sehr an die Schale einer Avocado erinnerte.
Er lief auf und ab, rieb sich sein Kinn, als würden ihn wachsende Bartstoppeln jucken. Dann blieb er abrupt stehen, sah die Freunde durchdringend an.
»Gut, es geht nicht anders. Auch, wenn ich mal so gar nicht verstehen kann, wie es angehen kann, dass ein Geist seine Vergangenheit verlieren kann, so kann ich aber auch verstehen wie wichtig es ist, eine solche zu haben und über diese auch Bescheid zu wissen. Da auch mir kein anderer Weg einfällt, als Euch weiterziehen zu lassen, werde ich das dann auch erlauben. Aber, Ihr müsst wissen, dass es für Euch beide sehr gefährlich werden kann, der Weg zum Wissen der Vergangenheit. Deshalb, bevor ich Euch nun sage, wie Euer Weg weitergehen muss, will ich Euch nochmals inständig raten: Überlegt