„Hallo, hier ist Beatrix von 3 links“, nannte sie ihren Namen und ihre Position an Bord.
„Was kann ich für dich tun, Beatrix?“
„Die Passagiere stehen im Gang herum und keiner kann mehr wirklich durch. Die Kollegen vom Bordverkauf haben ihre liebe Mühe den Wagen durch die Gänge zu kriegen. Können wir vielleicht die Anschnallzeichen haben, damit wir die Leute wieder auf ihre Plätze schicken können?“
„Klar, kein Problem. Wird sofort erledigt.“
Es war tatsächlich auf den Flügen öfter mal der Fall, dass genervte Flugbegleiter zu diesen Hilfsmitteln griffen. Allerdings meistens, wenn die Passagiere in der Küche standen, weil ihnen an ihren Plätzen zu langweilig war. Da die Flugbegleiter in der Küche immer viel zu tun hatten, war dies der einfachste Weg, sie los zu werden. Aber, so dachte Bea, im Krieg und beim Flirten sind alle Mittel erlaubt. Mit Freude registrierte sie, dass die Zeichen angingen. Lächelnd ging sie auf die Blondine zu und bat diese, mit einem Hinweis auf die Anschnallzeichen, sich doch bitte wieder auf ihren Platz zu begeben. Wenn Blicke töten könnten, wäre Bea auf der Stelle umgefallen. Irgendetwas vor sich hinmurmelnd verschwand sie. Bea nahm gegenüber von Patrick Platz.
„So, jetzt habe ich tatsächlich mal ein wenig Zeit.“
„Und da genau jetzt auch die Anschnallzeichen angegangen sind, musst du dich sowieso hinsetzen. Anscheinend erwartet das Cockpit arge Turbulenzen“, entgegnete er mit einem verschmitzten Lächeln.
Leider konnte Bea es nicht verhindern, dass sie rot wurde. Schnell antwortete sie: „Anscheinend. Wie lange lebst du denn schon in Chicago?“
„In diesem Jahr werden es vier Jahre. Eigentlich möchte ich auch nicht mehr weg. Aber heutzutage kann man nie wissen, wo einen der Job hinführt.“
„Stimmt. Da habe ich weniger Probleme. Ich kann leben, wo ich will. Hauptsache ich bin zu Dienstbeginn in Frankfurt.“
„Ja, du hast schon ein tolles Leben.“
„Die Außenstehenden denken immer, dass wir einen Traumjob haben. Aber glaubst du wirklich, es ist so angenehm, ständig in einer Röhre durch die Gegend zu fliegen, wo alles so eng ist, dass man sich dauernd im Weg steht. Und außerdem muss man sich des Öfteren von Passagieren, sagen wir mal, blöd von der Seite anquatschen lassen und trotzdem immer lächeln dabei.“
„Aber ihr könnt euch die Welt angucken.“
„Ja, genau. 24 Stunden Aufenthalt in Chicago reichen auch vollkommen aus, um sich alles anzuschauen“, erwiderte sie spöttisch.
„In 24 Stunden kann man eine Menge erleben.“
Irrte sie sich oder war da wieder eine Zweideutigkeit in seiner Bemerkung. Bea dachte lieber nicht genauer drüber nach und antwortete: „Allerdings. Nur leider muss man auch irgendwann mal schlafen. Und dann noch den Weg hin und zurück zum Flughafen samt Vorbereitungszeit. Da bleiben vielleicht noch zehn Stunde, die man für die Stadt erübrigen kann.“
„Aber ihr habt doch nicht überall nur so kurz Aufenthalt.“
„Nein. Es gibt schon Ziele, die sind wirklich beneidenswert. Da hat man dann vor Ort drei bis vier Tage frei. Trotzdem wiegt das die Nachteile dieses Berufes nicht wirklich auf. Man fliegt zum Beispiel so gut wie nie mit den gleichen Kollegen. Freundschaften schließen kann man fast vergessen. Jede Tour mit einer anderen Crew.“
„Gesellschaftlich ist das bestimmt nicht sehr fördernd“, stimmte Patrick zu. „Und beziehungstechnisch wohl auch nicht.“
„Auf keinen Fall. Jedenfalls nichts Ernsthaftes.“
Er lachte auf. „Ja, ich habe auch schon gehört, dass die Flugbegleiterinnen sich gerne auf kurze Abenteuer mit den Piloten einlassen.“
Und schon wieder wurde Bea rot. „So war das gar nicht gemeint. Und wenn überhaupt, ist das andersherum. Die Piloten lassen sich auf kurze Affären mit den Flugbegleiterinnen ein und gehen dann wieder nach Hause zu ihren Ehefrauen.“
„Da habe ich wohl einen wunden Punkt erwischt.“ Patrick legte den Kopf schief und schaute sie an.
„Nein, eigentlich stehe ich über diesen Dingen. Mich ärgert nur die öffentliche Meinung ein wenig. Das macht es uns Stewardessen nicht einfach, weil vielen denken, dass wir leicht zu haben sind. Und dann fassen sie auch schon mal gerne an.“
„Ich bin sicher, dass du dich wehren kannst.“
Bea lächelte. „Auf alle Fälle. Wer mich anfasst, bestimme immer noch ich.“
In diesem Moment kam der Purser vorbei und teilte ihr mit, dass sie bereits jetzt mit dem zweiten Service anfangen müssten, da sie dreißig Minuten früher als geplant in Chicago landen würden. Schweren Herzens erhob Bea sich und begann, die Vorbereitungen zu treffen.
„Vielen Dank für den angenehmen Flug“, bedankte sich Patricks Sitznachbar Hans bei ihr. Und an Patrick gewandt: „Wollen wir uns ein Taxi in die Stadt teilen?“
„Nein danke. Ich werde von meiner Freundin abgeholt.“
Das war das zweite Mal auf diesem Flug, dass es Bea fast umhaute. Diesmal allerdings nicht, weil sie verlegen war. Patrick hatte eine Freundin. Da lernte sie das erste Mal in ihrem Leben einen Mann kennen, der ihr buchstäblich die Sprache verschlug und dann hatte er eine Freundin. Und sie hatte sich eingebildet, dass er ihr gegenüber nicht abgeneigt war. So kann man sich täuschen.
„Also, Beatrix“, sagte Patrick und reichte ihr die Hand. „Es hat mich sehr gefreut, dass ich diesmal nicht wie ursprünglich geplant in der Business-Klasse geflogen bin. Und ich würde mich noch viel mehr freuen, wenn ich dir in deinen verbleibenden zehn Stunden ein bisschen von Chicago zeigen darf.“ Mit diesen Worten reichte er ihr seine Visitenkarte. „Ruf mich doch einfach an, wenn du im Hotel bist. Dann können wir was ausmachen.“
„Äh-danke. Ja, mache ich.“
Und schon war er weg. Bea schaute auf die Karte in ihrer Hand.
„Hey, alles klar? Der Flieger ist leer. Komm schon. Die anderen warten bereits.“ Ihre Kollegin stupste sie in die Seite. Bea beeilte sich ihr Handgepäck zu holen uns ließ sich dann mit dem Crew Bus ans Gepäckband fahren, um dort die Koffer abzuholen. Und während sie auf die Koffer wartete, sah sie Patrick, der seiner Freundin einen Kuss gab. Er hatte also doch nicht geflunkert, um den aufdringlichen Hans loszuwerden, wie sie bis zum Schluss gehofft hatte.
Als sie im Hotel ankamen, fragten die Kollegen, ob man noch gemeinsam etwas essen gehen würde. Bea sagte, sie sei zu müde und würde gleich ins Bett gehen.
Als sie auf ihrem Zimmer war, legte sie sich enttäuscht aufs Bett und starrte die Decke an. Nachdem sie das eine halbe Stunde lang getan hatte, griff sie zum Telefon und rief ihren besten Freund Sven in Deutschland an.
„Bea!? Ich dachte du bist in Chicago?“ Sven klang verdutzt.
„Bin ich auch.“
„Oh je, dann muss das ein echter Notfall sein. Sonst würdest du nicht die teure Telefonrechnung riskieren.“
„Es ist ein Notfall. Komm sofort her!“
„Alles klar“, sagte Sven lachend. „Ich mache mich gleich auf den Weg.“
„Schwindler.“
„Aber ein charmanter. Was ist denn los, Kleine?“
Bea schilderte ihm alles, von dem ersten Augenblick, wo sie Patrick gesehen hatte bis zu seinem Satz: Meine Freundin holt mich ab. Sven hörte schweigend zu ohne sie zu unterbrechen. Als Bea geendet hatte, hörte sie ihn seufzen: „Das ist wirklich ein Notfall. Ich habe noch