nur Tod und Verderben. Nicole Heuer-Warmbold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Heuer-Warmbold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742730459
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bin nicht Sakar. Das dort wird ein wirklich schlimmes Gewitter, nicht bloß ein kleiner Schauer, und es kommt direkt auf uns zu.“

      „Könnte ich mal die Karte sehen, mir ist da was …“

      Verblüfft drehte Mara sich zu Manik um, der sich schwer auf Bahadir und Vica stützte, bleich, das Gesicht schmerzverzerrt. „Ich meine mich zu erinnern, hier irgendwo in der Gegend …“ Er ließ sich ächzend auf die Deichsel eines Wagens sinken, Bogat reichte ihm die Karte. „Was, ein verstecktes, gut geschütztes Dorf, Gardist?“

      „Nein, das nicht. Aber ein Steinbruch, eine große Aushöhlung im Boden mit hohen Wänden nach drei Seiten.“

      „Hier, auf …“ Unwichtig, Mara unterbrach sich. „Wo?“

      „Ähm, ich … Moment, unser Standort ist …“ Seine Finger zitterten leicht.

      „Hier etwa.“ Mara deutete auf die Stelle. „Ihr hättet nicht aufstehen sollen, Manik.“

      „Verzeiht. Ich hielt es für unpassend, ja anmaßend, Euch an mein Lager zu bitten. Der Steinbruch …“ Flüchtig berührte Manik ihre Finger. „… ungefähr hier.“

      „Das ist geradewegs auf das Gewitter zu.“

      „Aye, meine Herrin. Wir sollten uns beeilen. Leiht mir ein Pferd.“

      Skeptisch musterte Mara ihn. „Könnt Ihr Euch denn im Sattel halten?“

      Manik zuckte nur die Achseln. „Ich muss, es ist nicht leicht zu finden.“

      „Aber für Euch?“

      „Ich habe mal dort gearbeitet. Die Grube gehört dem Vater eines Bekannten.“

      „Verstehe. Janek, du reitest mit ihm. Und dann los!“

      Die drohenden Wolken türmten sich immer höher vor ihnen auf, über ihnen, als wollten sie den Himmel, die Ebenen, sie alle verschlucken. Das Licht immer düsterer, ein dreckiges, schwefliges Gelb, unwirklich, der Wind peitschte ihnen entgegen, als sie direkt auf das Zentrum des Unwetters zuhielten. Mara spürte, atmete die Macht des Sturmes; erste Blitze zuckten hernieder, krachender Donner rollte über die Ebenen und der Wind riss an ihrem Mantel, an ihrem Haar. Sie lachte, konnte nicht anders, schrie beinah vor Lust, vor wilder Lebensfreude, als sie den Zug umkreiste, die Leute zur Eile antrieb. Die Zugtiere kurz vorm Durchgehen, Kinder klammerten sich weinend an ihre verängstigten Mütter, so manche Alte klagte laut, die Männer fluchten. Doch Mara lachte, riss schreiend ihr Schwert heraus und spürte den Sturm im Blut, kribbelnd auf ihrer Haut, als ein Blitz nah einschlug, sehr nah, das Krachen ohrenbetäubend. Manik rief ihr etwas zu, deutete nach links, und sie spornte den Wallach an, weit im Sattel vorgebeugt. „Vorwärts, es ist nicht mehr weit!“

      Der Steinbruch war nichts weiter als ein Kuhle im Boden mit schroffen, steilen, bis zu zehn, fünfzehn Schritt hohen Felswänden, der Eingang ein flacher Abhang, der Grund uneben, voller Gräben, Geröllhaufen und Wälle. Bogat, Liz und Bahadir wiesen die Leute an, die Wagen näher an die hohen Wände zu fahren.

      „Euch gefällt das?“ Manik grinste breit, seine Augen glänzten nicht allein vom Fieber, als Janek atemlos sein Pferd neben Mara zügelte.

      „Oh ja, es ist …“ Mara reckte den Arm, und der Blitz fuhr nicht in den Felsen dicht am Rand des Bruchs, sondern harmlos in den Boden ein Stück weiter weg. „Kraft.“

      „Meine Herrin, wenn ich Euch jetzt, in diesem Augenblick küsste …“

      Lachend beugte sie sich zu ihm vor. „Übertreibt es nicht, Manik.“

      Janek schlenderte neben Mara am oberen Rand des Steinbruchs entlang, schaute immer wieder hinunter. „Mann, das ist wirklich tief. Schon ganz dunkel, dabei kann man hier oben noch richtig deutlich sehen.“

      „Aye, wohl noch ein, zwei Stunden.“ Sie setzte sich auf einen länglichen Felsbrocken, blinzelte in die untergehende, rot glühende Sonne und breitete die Karte sorgsam auf ihren Knien aus. Neugierig blickte Janek ihr über die Schulter. „Wo sind wir noch mal?“

      „Hier.“ Mara tippte auf die Karte. „Und hier ist Samala Elis.“

      Er grinste. „Das weiß ich.“

      „Gut. Wie lange wirst du brauchen?“

      „Ähm, wieso ich …“

      „Wenn du jetzt losreitest? Dein Pferd ist noch recht kräftig, ansonsten nimmst du den Wallach.“

      „Deinen …“ Verwirrt musterte er sie. „Mara, ich verstehe nicht, was du meinst. Ich soll nach Samala Elis reiten? Allein?“

      „Ja. Wir brauchen Hilfe, die Leute können nicht mehr und die Zugtiere brechen auch bald zusammen. Also schicke ich jemanden, der Hilfe holt.“

      „Mich?“

      „Wen sonst, Bahadir?“

      „Nee, der Priester fällt glatt …“ Er setzte sich neben sie, dichter als notwendig, doch Mara ließ ihn, und studierte die Karte. „Ich sehe keine geeigneten Wege.“

      „Na ja, gibt wohl auch keine. Du könntest einfach nach Norden reiten, bis du auf den Nesbra triffst, und dann am Fluss entlang … Flussabwärts, etwa … knapp einen Tagesritt.“

      Janek blickte sie gespannt an. „Oder?“

      „Oder ich gebe dir die Richtung.“

      „Du gibst mir … Und wie soll das gehen?“

      „Steh auf.“

      Mara stellte sich hinter Janek, legte die Hände auf seine Schultern und drehte ihn in die entsprechende Richtung, lehnte die Stirn an seinen Hinterkopf. „Steh einfach ganz entspannt, Janek, schließ die Augen. Und hör auf darüber nachzugrübeln, ob ich dich küsse.“

      „Du … du bist in meinem Kopf?“

      „In deinem Geist, sei still. Ich werde dir nicht wehtun.“ Sie konzentrierte sich auf die Richtung, das Gefühl. Die Richtung auf den Tempel von Samala Elis und somit auf die Stadt, nahm sacht die Hände von seinen Schultern.

      „Ähm …“

      „Probier‘ es aus.“

      Gehorsam drehte Janek sich ein paarmal im Kreis, streckte den Arm Richtung Nordwesten. Den Zeigefinger genau Richtung Samala Elis, Mara nickte und küsste ihn. „Gut. Kannst du es jetzt auch noch?“

      Janek drückte Mara fest an sich, küsste sie seinerseits. „Noch viel besser. Was brauchst du?“

      „Wagen, sieben, acht, natürlich Zugtiere, noch zusätzliche Pferde. Und ein paar Leute, nicht nur, um die Wagen zu lenken. Verpflegung, trockene Decken, du weißt, was wir benötigen. Wende dich an seine Majestät … nein, besser gleich an die Königin.“

      Zärtlich zupfte Janek an ihrem nassen Haar, streichelte ihre Wange. „Und ich soll jetzt gleich gehen, nicht die Nacht …“

      „Deine Entscheidung. Ich verlasse mich auf dich, Janek.“

      Janek seufzte und ließ sie los. „Wahrscheinlich wartet mein Pferd bereits gesattelt auf mich?“

      „Meinst du?“

      „Ah, du bist grausam. Küss mich wenigstens noch mal zum Abschied.“

      Mara lächelte verhalten. „Wenn du zurück bist.“

      Zwei Tage brauchte Janek bis Samala Elis und überquerte am Abend des zweiten Tages den Nesbra; Mara folgte ihm in Gedanken. Im Lager, einem sehr provisorischen Lager, hatten sich die Leute mehr schlecht als recht eingerichtet, zwei weitere Kinder bekamen fiebrigen Husten, eine alte Frau klagte über Schmerzen beim Atmen.

      Mara wartete, zunehmend ungeduldig, und hockte, Mavi auf ihrem Schoß, einmal mehr auf dem Felsen und schaute zu, wie die Sonne das fünfte Mal unterging. Sie glaubte nicht ernsthaft, dass die Helfer es so schnell schaffen würden. Ein Mann auf einem guten Pferd konnte die