Anna und Jadwiga. T. D. Amrein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. D. Amrein
Издательство: Bookwire
Серия: Krügers Fälle
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752929645
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Ahnung. Ich war es jedenfalls nicht.“

      „Ja dann.“

      Krüger setzte sich wieder in Bewegung. „Ich habe hier die Originalskizze dabei.“ Er deutete auf das Klemmbrett, das er in der Hand hielt. „Können Sie mir sagen, wo der Handschuh genau lag, Herr Kollege?“

      Pickel drehte sich und zählte die Stämme ab. Schließlich stockte er. „Wenn ich mich nicht komplett irre, dann stand dieser Baum damals noch.“ Er deutete auf einen Strunk, der offensichtlich schon vor etlichen Jahren abgesägt worden war. „Die Fallrichtung zeigt genau auf die Stelle“, überlegte er laut. „Ob das ein Zufall gewesen ist?“

      Krüger zuckte mit den Schultern. „Was könnte es bringen? Spuren verwischen? Nachdem man die Tote gefunden und die Stelle gründlich untersucht hat?“

      „Unwahrscheinlich“, pflichtete Pickel kleinlaut bei.

      Neue Erkenntnisse blieben erwartungsgemäß aus. Aber damit hatte Krüger auch nicht gerechnet. Er wollte bloß eine naturgetreue Situation im Kopf haben, wenn er über Motiv und Zeugenaussagen nachdachte. Nadja fotografierte fleißig, wie von Krüger aufgetragen, um die Umgebung im Bild festzuhalten. Die original vorhandenen Fotos zeigten nur Dinge, die damals für relevant gehalten wurden wie die Tote oder den einzelnen Latexhandschuh. Teuren Film für die Aufnahme von bloßem Waldboden oder gewöhnlichen Baumstämmen zu verschwenden, war früher absolut nicht üblich gewesen.

      Krüger wusste dies aus eigener Erfahrung. Ein erstes Mal, dass er Meyer mit Ypsilon recht geben musste, dass ein älterer Ermittler bei solchen Fällen tatsächlich über gewisse Vorteile verfügte.

      ***

      Um die Akten zum Vorgang der verschwundenen Jadwiga Grabowska, der Kollegin von Anna Duda zu vervollständigen, schickte Krüger seine neue Assistentin alleine los. Er ging davon aus, sie würde die aktiven und die ehemaligen Beamten der Dienststelle Schramberg bei Bedarf ganz locker um den Finger wickeln. Beispielsweise um an Infos zu kommen, die in keinen Berichten standen. Krüger war aufgefallen, dass die Vermisste zum Schicksal ihrer Kollegin mehrfach befragt wurde, bevor sie selbst verschwand. Obwohl ihre Aussage kaum wesentlich zur Klärung beitragen konnte. Sie hatte Anna nur flüchtig gekannt. Sie stammten zwar aus dem gleichen Ort und waren durch die dieselbe Vermittlerin zu ihren Gastfamilien gekommen. Ein einziges Mal reisten sie gemeinsam nach Hause, zum letzten Weihnachtsurlaub von Anna. Im Zug hatten sie sich kennengelernt und während der Fahrt unterhalten. Lauter Belanglosigkeiten, die Mädchen in diesem Alter vorwiegend interessieren, hatte jemand handschriftlich auf der Akte vermerkt. Die zarte Schrift ließ auf eine Dame schließen. Allerdings hatte die Person es vorgezogen, anonym zu bleiben.

      Jedoch waren von der Zeugin mehrere Fotos in der Akte enthalten, die ihre Eltern zur Verfügung gestellt hatten. Jadwiga Grabowska, damals knapp zwanzig, hinterließ zweifellos bei den meisten Menschen einen bleibenden Eindruck. Sie strahlte eine vornehme Anmut aus, vermengt mit nobler Zurückhaltung. Eine unwiderstehliche Mischung aus zartem Engel und üppigen Formen, gekrönt durch eine absolut aufrechte Körperhaltung, die ihren außerordentlich elegant geschwungenen Hals erst richtig zur Geltung brachte. Krüger war es schwergefallen, die Bilder einfach in den Karton zurückzulegen. Welch ein Frevel, sich an dieser Vollkommenheit zu vergreifen, ging ihm immer wieder durch den Kopf. Auch Anna war eine junge Schönheit gewesen. Jedoch neben Jadwiga verblasste sie zum Mittelmaß.

      Allerdings stimmte die Begründung für Nadjas Alleingang, den er ihr genau erklärt hatte nicht hundertprozentig. Krüger hatte vor, den Fundort Annas nochmals ungestört aufzusuchen. Davon brauchte vorerst niemand etwas zu wissen. Auch Nadja nicht. Noch kannte er sie kaum. Falls er wider Erwarten einen relevanten Fund erzielte, würde er sein Umfeld selbstverständlich einweihen. Oder andernfalls die Sache einfach unter den Tisch fallen lassen. Außerdem ging es darum, sich die Loyalität der Beamten vor Ort zu erhalten. Die könnten seine Aktion leicht als Rückenschuss ansehen. Obwohl die damaligen Ermittlungen den Namen kaum verdienten, bedeutete dies nicht, dass man durch ernsthafteres Suchen zwangsläufig weitere Indizien gefunden haben müsste.

      ***

      Diesmal fuhr Krüger selbst. Zuvor hatte er sich bei der Fahrbereitschaft einen Geländewagen und bei der Spurensicherung einen Metalldetektor besorgt. Seine neue Stellung ermöglichte dies ohne klare Angaben, wozu er die Ausrüstung benötigte. Den Weg wiederzufinden, schaffte er nur dank seiner Kreuzchen auf der Luftaufnahme. Die direkte Erinnerung an den Ausflug mit Pickel und Nadja erwies sich als praktisch nutzlos. Die einheitlich braunen Stämme am Wegrand wiederholten sich unablässig. Egal, auf welchem Waldweg man sich bewegte.

      Ein Aspekt, den man keinesfalls außer Acht lassen durfte, wenn man sich gedanklich in denjenigen versetzen wollte, der Anna hier deponiert hatte. Schon bloß diese Erkenntnis rechtfertigte den heutigen Aufwand, dachte er. Für einen Stadtmenschen wie ihn wäre es völlig unmöglich, sich in diesem Wald zurechtzufinden. Selbst ohne Leiche im Kofferraum.

      Er parkte wie üblich ein Stück vor der Stelle. Die Reifenspuren am Wegrand von Pickels kompliziertem Wendemanöver zeigten ihm an, dass er richtig lag. Die Abdrücke wirkten so frisch, als ob sie erst von heute stammten. Hier im Wald dauerte jegliche Veränderung viel länger als in seiner gewohnten Umgebung, schloss Krüger daraus.

      Er griff nach dem Detektor und stieg aus. Die Stille im Wald brachte ihn dazu, sich selbst so lautlos wie möglich zu verhalten. Ungewohnt, sogar irgendwie beklemmend. Was konnte er tun, wenn plötzlich ein Bär auftauchen sollte?

      „Bären in Schramberg“, murmelte er vor sich hin. „So ein Blödsinn!“

      Ein deutliches Rascheln ließ ihn erschauern. Allerdings kein Bär, sondern einige Rehe, die ein Stück entfernt vorbeihuschten. Er schüttelte den Kopf. Tatsächlich geschafft, sich selbst zu erschrecken.

      Entschlossen schaltete er den Detektor ein, nachdem er sich einen der Ohrhörer eingesteckt hatte. Das andere Ohr wollte er sich lieber freihalten. Natürlich nicht um möglicherweise auftauchende Bären …

      Ein Schlenker am Wagen vorbei zur Kontrolle entlockte dem Gerät einen an- und abschwellenden Signalton. Er nickte zufrieden. „Wenigstens macht das Ding keine Sperenzchen!“, murmelte er.

      Wie vorgegeben, schlenderte er in regelmäßigen Bahnen hin und her, das Gerät vor sich schwenkend. Natürlich erschwerten die Bäume eine genaue, schachbrettartige Suche. Irgendwelche Zeichen, wo er bereits gesucht hatte, verkniff er sich. Außerdem versuchte er, gelegentlich vorkommende Kräuter oder andere kleinere Grünpflanzen unbehelligt stehen zu lassen. Schließlich wollte er Spuren suchen, nicht welche legen.

      Nach und nach näherte er sich der Liegestelle. Pickel hatte sie durch einen hingelegten, flachen Stein markiert. Als Krüger den Suchteller darüber schwenkte, schlug das Gerät an. Natürlich grenzte er die Stelle sofort genauer ein. Auf dem Display blinkte ein Symbol, ein durchgekreuztes Hufeisen.

      „Nichteisenmetall“, brummte Krüger. Offenbar genau unter dem Stein.

      Moment! Das hatte er schon einmal erlebt. Da wurde er durch einen Stein, der offenbar irgendwelche Metallanteile in sich barg, zum Narren gehalten. Er griff nach dem Stein und legte ihn zur Seite. Erneut glitt die Spule des Gerätes über die Stelle. Das Signal blieb unverändert. Kein Zweifel, hier lag Metall in der Erde. Kein Eisen. Möglicherweise der Verschluss einer Aludose. Oder ein Kronenkorken, den ein durstiger Wanderer achtlos ins Gebüsch geschmissen hatte. Wahrscheinlich. Sehr wahrscheinlich sogar. Jedoch würde ein im Boden steckendes Geschoss vermutlich kaum ein anders geartetes Signal verursachen.

      Was nun?

      Wenn er zu graben begann, war es vorbei mit der Geheimhaltung. Den Waldboden konnte man nicht perfekt wiederherstellen. Falls er doch nur ein Stück belanglosen Müll erwischte, würde man ihm zu Recht vorwerfen, dass er wie ein Trottel gehandelt hatte. Das Gerät zeigte eine Tiefe von mehr als zwanzig Zentimetern an. Eine unauffällige Sondierung schloss sich damit aus. Andererseits, wie gelangte ein Stück Abfall so tief ins Erdreich? Die Antwort fügte sich gleich an. Manche Menschen vergruben nach einer Rast ihren Müll, um nicht erwischt zu werden.

      Allerdings könnte eine auf eine liegende