„Du hast versprochen auf sie aufzupassen und du hast es nicht getan.“ Nathan hatte sich zu ihnen umgedreht und war nun auch stehen geblieben. „Und sie ist gerade vierundzwanzig Stunden tot, da hast du schon die nächste Schlampe an deiner Seite.“
Nathans Stimme war laut geworden und die Worte trieben Natascha die Röte ins Gesicht, hatte er sie eben wirklich Schlampe genannt? Bevor sie etwas dazu sagen konnte, sprach der Priester weiter: „Was hatte sie hier eigentlich zu suchen? “
„Nenn sie nie wieder Schlampe!“ Caleb war wütend, seine Stimme kalt wie Eis. Im Bruchteil eines Augenblicks stand Nathan so dicht vor Tascha, dass sich ihre Gesichter beinahe berührten, sie merkte, wie ihr schlecht wurde vor Angst.
„Nimm dich in acht vor ihm, er bringt den Tod!“ Er wandte sich Caleb zu. „Du hast es nicht verloren, weißt du? Es steckt immer noch in dir drin. All die unendlich lange Zeit hast du es nie verloren! Das Böse steckt in deiner Seele und es ist dir bewusst. Du kannst es leugnen, aber du weißt es. Du versuchst es nur zu verbergen, aber es wird dir immer schwerer fallen. Du bist ein Heuchler, du spielst allen nur etwas vor. Du hast dich nicht geändert, im Gegenteil, in dir ist die Finsternis. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass Richard vielleicht gar nicht so unrecht getan hat, als er versuchte deine wahre Natur zu unterdrücken? Er weiß, was du bist. Ich hätte dir niemals helfen sollen! Ich habe sie geliebt, verstehst du? Ich habe sie geliebt und du hast sie mir weggenommen und du hast nicht auf sie aufgepasst.“
„Ich habe sie dir nicht weggenommen, sie gehörte niemandem, schon gar nicht mir!“
Nathan und ihn hatte in diesem Leben nicht so eine tiefe Freundschaft verbunden wie in den Vorherigen, das hatte er im Laufe der Zeit eingesehen. Auch war Sarah immer ein Punkt gewesen, der ihre Freundschaft auf die Probe gestellt hatte, aber, dass Nath so dachte, hatte er nicht vermutet.
„Du bist genauso wie ich Nath!“
„Nein, das bin ich nicht. Das was wir einmal gemeinsam hatten habe ich schon lange nicht mehr. Ich habe etwas gefunden, das mir Frieden gibt, den Glauben. Meinen Drang zu töten und schlecht zu sein den habe ich nicht mehr, ich habe Frieden in mir!“
Calebs Augen funkelten bedrohlich. „Du kannst glauben an was du willst, aber du solltest nie vergessen was sie uns angetan haben und du solltest nie vergessen, dass du ein Grauer Krieger bist, ein Bewahrer und, dass du in unserem Team mitspielst. Vergiss nie wer du warst!“
Der Priester baute sich vor ihm auf und nahm eine Drohgebärde ein. Er kniff seine Augen zusammen und sprach langsam und deutlich: „Unterstelle mir niemals wieder ich würde nicht wissen, wo ich hingehöre das weiß ich sehr genau. Ich weiß aber auch, dass ich weder zu der einen noch zu der anderen Seite zu gehören habe. Ich bin neutral und schütze die Wesen der Hellen und der Dunklen Seite. Ich richte ohne Vorurteile und schütze damit die Menschen.“
Auf Calebs Lippen lag ein spöttisches Lächeln, als er antwortete: „Hörst du dir eigentlich selber zu? Hörst du eigentlich, was du für Scheiße von dir gibst? Trink noch einen, Mann Gottes, oder vögle die nächste Hure, die dir über den Weg läuft, damit stellst du deinen Glauben unter Beweis. Du bist der Heuchler von uns beiden!“
Nathan schlug zu, schnell, hart, voll Wut und Zorn und Caleb taumelte ein Stück zurück. Natascha hatte das Gefühl, es sei innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde geschehen. Sie hatte es fast nicht wahrnehmen können, hatte nur eine Bewegung gesehen und nun Calebs blutende Lippe. Zu ihrer Verwunderung schlug er nicht zurück, sondern ließ Nathan einfach gehen.
„Komm!“, sagte Cale und zog sie mit sich Richtung Auto. Mit dem Ärmel seines Shirts wischte er sich das Blut ab.
„Das lässt du dir einfach so gefallen?“ Natascha war erstaunt.
Caleb zuckte mit den Schultern. „Er ist verletzt und traurig.“
Sie deutete auf seine Lippe. „Und das da?“
„Ist nachher verheilt.“
„Ich hätte ihm …“
„Was? Auch eine gedonnert?“
Sie nickte.
„Wir sind ähnlich stark, es würde nichts bringen. Das ist es nicht wert. Ich habe damit abgeschlossen. Er war einmal mein bester Freund.“
Caleb hätte nicht einmal mehr sagen können, ob es eine Frau oder ein Mann gewesen war, der oder die an ihm vorbeigegangen war, er wusste nur, dass er es gefühlt hatte. Nathan würde sterben und dieser jemand würde dafür verantwortlich sein. Er sah, dass Nathan gerade an seinem Auto angekommen war, und lief los, ließ Natascha stehen und rannte. Er rief nach Nath, aber der wollte oder konnte ihn nicht hören und als Cale ihn beinahe erreicht hatte, öffnete der Priester seine Wagentür.
Die Explosion war nicht groß, reichte aber aus Nathans Körper zu zerfetzen. Caleb stand da und starrte auf das, was noch von seinem Freund übrig war, als Natascha bei ihm angekommen war.
Er bewegte sich nicht. Es schien, als würde er nicht einmal atmen. Sie sah ihn an, sein Blick war starr auf das grausige Bild gerichtet und auf seinem Gesicht stand der Schock geschrieben. An ihm klebte das Blut des Priesters und noch irgendetwas, von dem sie gar nicht so genau wissen wollte, was es war.
„Cale?“ Er reagierte nicht, er tat ihr leid.
Caleb erwachte aus seiner Starre. Er stöhnte leise auf und wischte sich das Blut aus dem Gesicht, diesmal nicht sein eigenes.
„Wir sollten verschwinden!“, flüsterte er und griff sie am Ärmel ihrer Jacke. Sie folgte ihm, einfach so. Auf dem Weg zu seinem Wagen fand sie ihre Worte wieder.
„Wir hätten die Polizei rufen müssen.“ Er lief zügig und es war schwer für sie Schritt zu halten, Natascha war außer Atem.
„Nein!“ Er schüttelte den Kopf. Am Wagen zog er die Schlüssel aus seiner Hosentasche, sie sah, wie seine Hand zitterte.
„Ich werde fahren!“
Er schaute sie an. „Du?“
Natascha nickte.
„Aber-“
„Ich habe einen Führerschein, ich fahre nur nicht so gerne.“
Caleb reichte ihr ohne ein weiteres Wort den Autoschlüssel und ging auf die Beifahrerseite, die fehlende Gegenwehr zu ihrem Vorschlag zeigte ihr wie entsetzt er sein musste. Aus der Ferne waren Polizei- und Feuerwehrsirenen zu hören. Sie fuhren los.
„Wo soll ich dich hinfahren?“ Er musste duschen und sich neue Klamotten anziehen, dann mussten sie überlegen, was sie tun sollten.
„Keine Ahnung.“
„Wie keine Ahnung?“ Sie verstand nicht.
„Ich weiß es nicht, es gibt keinen Ort, wo ich hin kann.“
„Aber du musst doch irgendwo geschlafen haben heute Nacht?“
Er nickte und schaute auf die Straße.
„Wo?“
„Im Auto.“
Oh Gott! „Im Auto?“
Wieder nickte er.
„Aber ich dachte ihr hättet so etwas wie einen Unterschlupf, oder Verbündete oder so.“
„Vieles hat sich geändert, einen Unterschlupf haben wir nicht mehr, seit ihr die Fabrik gestürmt habt. Eigentlich hätte ich in dieser Wohnung übernachtete, aber …“ Er ließ den Satz unvollendet. „Und was ist mit deinem Bruder und Mia?“
Er schaute zu ihr herüber, und obwohl sie sich angestrengt auf den Straßenverkehr konzentrierte, blickte sie ihm kurz in die Augen. Sie glaubte Schmerz in ihnen zu sehen, dann sprach er leise: „Nach dem was mit Sarah geschehen ist kann ich nicht verantworten sie und die Kinder in Gefahr zu bringen. Wenn er mich jagt und vor Sarah keinen Halt macht, was macht er dann mit meiner Familie?“
Natascha