Denk mal!. Helmut H. Schulz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut H. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847613145
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Heimat zu. Ich mag nicht mehr nachdenken über meine Fahrt zu den Kolchern, bin nur froh und rechne, dass wir bei günstigem Wind in zehn Tagen zu Hause festmachen können. Es ist mir gleich, ob wir nur bis nach Thessalien segeln, um dort im Hafen von Jolkos, wo unsere Reise begann, festmachen oder ob Jason ein anderes Ziel hat; ich werde auf jeden Fall abmustern und zu Lande weiterziehen, bin ich doch viele Monate weg gewesen. Meine Frau ist um so viel älter geworden, falls sie sich keinen anderen genommen hat, in der Annahme, dass ich nicht zurückkehre; meine Kinder werden ihren Vater nicht wiedererkennen, und wofür das alles? Um an einem Raubzug teilzunehmen, der leicht mit meinem Tode hätte enden können.

      An Bord wurde eine Hochzeit gefeiert. Jason heiratete die Tochter des Barbarenkönigs, diese Medea. Dennoch wurde die Fahrt trotz des mehrtägigen Festes, auf dem dieser Orpheus unserer Fahrt schluchzend besang, nicht unterbrochen. Wir segelten weiter bei gutem Wind, die Argo ist ein wunderbares Schiff. Bei einer Freiwache enthüllte mir mein Simon ihr Geheimnis; die Fichten, für ihre Planken kamen von dem Berge Pelion, und aus dem Eichenhain von Dodona, dem höchsten Heiligtum des Zeus, wurde der große Mast geholt. So darf man sich nicht wundern, dass dieses Schiff unter dem besonderen Schutz der Olympier steht, da sie selbst die Hand im Spiele gehabt und irgendeine Absicht mit diesem Zug verbunden haben, den mein Simon als Argonautenzug bezeichnete, nach dem Namen des Schiffes, das die Schnellsegelnde bedeutet.

      Die Rückreise verlief ohne Zwischenfall. Was mein Simon vorausgesagte hatte, traf ein; die Monate in den Kolchis wurden uns Knechten nur mit halber Heuer berechnet, weil wir, wie es hieß, ja keine seemännische Tätigkeit ausgeübt hätten. Uns bei den Barbaren die andere Hälfte unseres Lohnes zu holen, wurde uns anheimgestellt. Ich aber werde mich hüten dort anzufragen, was ich als Hirte und Wollezupfer bei ihnen an Heuer ausstehen habe. Ziehe ich die Summe, so habe ich nicht mehr, sondern weniger als bei einer gewöhnlichen Heuer verdient. Jedenfalls bringt mich niemand mehr an Bord eines Schiffes, ich will meine Tage bei meiner Frau und meinen Kinder beschließen, will meinen Weinberg bebauen, auf dem Felde arbeiten und mit dem zufrieden sein, was mir meine Fleiß beschert.

       9

      Ich muss diesem Bericht, den ich für meine Kinder und Enkel zur Ermahnung und Belehrung geschrieben habe, als Augenzeuge eines einfachen Mannes, einen Anhang geben. Jahre nach meinem Entschluss sesshaft zu werden – ich habe ihn ausgeführt und mich wohl dabei befunden – besuchte mich Simon, mein Wachältester auf der Argo. Wir beiden Alten saßen zusammen und erinnerten uns der Tage in der Kolchis. Den Mund voller Zwiebeln aus meinem Garten, Brot aus Mehl von meinem Acker, und Wein, den ich selber gekeltert habe, sahen wir uns in die Augen. Simon fährt noch immer zur See, er ist heimatlos, seine Kräfte haben nachgelassen, aber er ist ein berühmter Mann geworden, dem nachgefragt wird, ein unvergleichlicher Steuermann, wenn es in den Pontos geht. Seine Erfahrungen auf den Meeren scheinen den Schiffsherren trotz seines Alters die Heuer wert. Ich fragte ihn, ob es die Argo noch gäbe und er fragte zurück, ob ich jene Argo meine, die Athena für Jason aus dem Holz der heiligen Eichen von Dodona in Passagai und den Fichten vom Berge Pelion gebaut habe?

      »Genau die meine ich«, sagte ich, »dass die Gottheiten irgend etwas mit Jason vorgehabt hatten, habe ich immer geglaubt. «

      Simon lächelte skeptisch.

      »Und Jason? Gibt es ihn noch? Was man auch sagen kann, er war eine ausgezeichneter Seemann«, sagte ich.

      »So hast du nichts gehört? « fragte mein Simon, und als ich verneinte, berichtete er, was ich hier hersetze. Es hat der arme Knabe Absyrtus ein schlimmes Ende von der Hand seiner Schwester gefunden; er wurde nicht, wie ich damals wähnte, als Geisel gegen uns ausgetauscht, sondern von seine Schwester ermordet und zerstückelt. Dies geschah auf der Insel vor der wir damals eine Nacht lang festlagen.

      »Aber warum denn? « fragte ich entsetzt über das Ungeheuerliche ihrer Tat.

      »Um die Verfolger aufzuhalten. Sie stellte den Kopf und die Hände des Jungen oben auf dem Felsen für ihren Vater sichtbar auf, und verstreuten die übrigen Teile der Leiche am Strand, und ihr Plan ist auch aufgegangen, wie du weißt, o Kleon,« sagte mein Simon. »Aietes hat sehr an dem Knaben gehangen und wollte ihm ein anständiges Grab geben, deshalb sammelten sie die Leichenteile ein. Sie war eine Hexe, ein furchtbares Weib, aber sie liebte diesen Jason ganz ohne Zweifel ... Deinen Wein kann ich nur loben; ist noch etwas davon im Schlauch? «

      Während er trank, während er sich eine große Zwiebel schälte, sie in den Mund schob und zu kauen begann, dachte ich an diese Mordtat und dankte den Göttern dafür, mit heiler Haut davongekommen zu sein, obschon mir der Knabe leid tat.

      »Wie machst du es, dass deine Zwiebeln so groß und fest werden und einen so vorzüglichen Geschmack bekommen, o Kleon? Ich würde gern davon mitnehmen, wenn es dir passt und natürlich nur, wenn du welche entbehren kannst. «

      Auf meine Frage, wo sich diese Mörderin jetzt aufhalte, und ob sie noch mit Jason verheiratet sei, setzte mein Simon erneut an.

      »Sie hat in der Tat eine Zeit lang mit Jason gelebt, oder er mit ihr, bis er ihrer überdrüssig wurde, sie wegjagte und eine Königstochter zur Frau nahm, Glauke, ein Kind Kreons, hier in der Nähe, also in Korinth. Mich wundert es, dass du nie davon gehört hast. Es ist eine merkwürdige Geschichte mit einer Vorgeschichte, so wie sie jetzt in ganz Griechenland erzählt wird. Jason hatte einst gewünscht, dass ihm Medea seinen Vater verjüngte, und diese verfluchte Zauberin flößte dem Alten einen Absud ein, worauf er zum Jüngling wurde. Nun gab es aber zwei Männer in Korinth mit Ansprüchen an die Herrschaft, nämlich Aison, den sie gerade verjüngt hatte und Pelias, den Onkel Jasons, von dem ich dir seinerzeit erzählt habe. Die Töchter des Pelias, die dem Jason die Herrschaft missgönnten, gedachten ein gleiches an ihrem Vater zu vollziehen, weil Medea den Aison verjüngt hatte...

      Ich kann dein Brot nur loben, o Kleon; besitzt du Kenntnis eines besonderen Backverfahrens? «

      Verstört schüttelte ich den Kopf und bat ihn, seine Erzählung nicht ständig zu unterbrechen.

      »Viel zu erzählen ist nicht mehr. Diese dummen Weiber – hast du Töchter, o Kleon, hoffentlich nicht - brachten ihren Alten um, weil sie nichts von der Zauberei verstanden. Allerdings von Medea angestiftet. Nun war Jason Alleinherrscher, als er diese Heirat mit Glauke betrieb, wie ich dir schon erzählt habe. Er vermählte sich mit der Tochter Kreons und verstieß Medea. Das hätte er besser unterlassen. Diese schenkte der Braut ein Hochzeitsgewand; die legte es an und verbrannte darin. Und das war noch nicht alles, diese verfluchte Asiatin ließ Feuer auf den Palast Kreons regnen, verbrannte den Alten, und tötete und zerstückelte ihre beiden Kinder, die sie mit Jason gezeugt hatte, dann zauberte sie sich einen Drachen und einen Wagen und fuhr auf du davon, Jason seiner Verzweiflung überlassend. Das ist nun wirklich alles. «

      »Beim Zeus«, entfuhr es mir, »ein tolles Stück. «

      »Das kann man wohl sagen«, nickte mein Simon, »du erinnerst dich wohl noch daran, dass Jason seinerzeit bei den Kolchern einige Proben seines Mutes ablegen musste? Nein? Dann höre! Er säte Drachenzähne, aus denen Krieger wurden, die er der Reihe nach im Kampf besiegte; er pflügte mit Stieren und tat Dinge, die von den einfältigen Kolchern bestaunt wurden, wobei natürlich Medea ihre Hand im Spiele hatte. «

      »Mit Stieren hat er gepflügt? « fragte ich. »Stiere ziehen nicht regelmäßig genug, das gibt keine saubere Furche. Deshalb verschneidet man sie doch zu Ochsen. Das weiß doch jeder Bauer. Wann und wo soll denn das gewesen sein? «

      »Das weiß ich nicht«, antwortete mein Simon, »ich bin nicht dabei gewesen, und überhaupt hat es niemand gesehen, wie bei solchen Mähren üblich. Im Übrigen waren es Feuer speiende Stiere. Man sagt, Jason hab seinen Tempelraub nur mit Hilfe dieser Zauberin begehen können, die ihm eine Salbe gab, mit welcher er den Drachen, der den Schatz bewachte, einschläferte. Das übrige weißt du, wir flüchteten Hals über Kopf und die Gottheit schenkte uns eine glückliche Heimkehr...

      Nebenbei bemerkt, vergiss bitte nicht, einen Schlauch mit Wein für mich bereitzulegen, dass wir es morgen, wenn ich aufbreche, nicht etwas vergessen. «

      »Ich werde es nicht