Justice justified. Kendran Brooks. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kendran Brooks
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847686958
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Professor Lederer, bitte schön«, gab ihre Tochter keck zurück und fügte altklug hinzu, »Professorinnen werden immer mit dem Familiennamen angeredet, Maman, nie mit dem Vornamen. Das solltest du wissen.«

      Jules war sich unschlüssig. Ihre Suche nach dem Schicksal von Jimmy Santiago hatte sie zwar hierhergeführt, doch nicht viel Neues erbracht. Aber warum sollten sie auch weiter an dieser alten Geschichte herum forschen? Das brachte doch nichts ein, verdarb ihnen höchsten die paar Urlaubstage.

      Bloß ein einziger Punkt beschäftigte den früheren Problemlöser und Geheimnisjäger Jules. Warum nur hatte der Ehemann von Dorothe nie eine Antwort aus Irland erhalten? Die dortigen Behörden mussten doch über ausgewanderte Familien Bescheid wissen? Weshalb ließen sie seine beiden Anfragen unbeachtet? Doch gegenüber Alabima oder Alina erwähnte er diese für ihn noch offene Frage nicht. Er nahm sich jedoch vor, am Abend im Motel das Internet nach einem John McKinn aus Irland zu durchforsten.

      *

      Sie gingen wieder einmal Tanzen, Ginnie und Michael, wie meistens im Dragon-i. Zuvor waren sie in die Chesa Essen gegangen. Denn Ginnie fühlte sich in diesem im Chalet-Stil erbauten Restaurant ganz besonders wohl. Nicht etwa wegen der warmen Holztäfelung oder den freundlichen Kellnern oder gar dem exotischen Essen aus der Schweiz, sondern einzig wegen den illustren Gästen dort. Denn wer im Peninsula abstieg und in seinen Restaurants speisen konnte, der besaß mehr Geld als er in seinem restlichen Leben ausgeben konnte.

      Gegen halb zwölf trafen sie im Tanzpalast ein. Michael hatte sich für seinen traditionellen Smoking entschieden, seine Freundin trug ein enganliegendes Abendkleid aus Seide, das wie Perlmutt schimmerte. Es würde wohl erneut eine spektakulär teure Nacht für Michael werden. Doch im Moment fühlte er sich flüssig genug dafür und er wusste, seine Ginnie brauchte ab und zu den Glamour der Stadt wie die Luft zum Atmen.

      Die beiden Türsteher hatten seiner Freundin allerdings nicht nur freundlich zugelächelt, sondern sie anzüglich angestarrt. Eifersüchtiger Zorn schoss in Michael hoch. Doch Ginnie schritt unnahbar und stolz wie eine Filmdiva an den beiden Idioten vorbei, würdigte sie mit keinem Blick. Bereits an der Kasse war seine Eifersucht darum wieder verflogen. Diese bulligen Schlägertypen schauten eh jede hübsche Frau schräg an, als wäre sie Beute und nicht etwa Gast.

      Drinnen war es ungeheuer laut, denn heute Abend hämmerte ein wahrer Meister die Beats und Rhythmen auf seine Gäste herab, ließ die Tanzfläche mit den zuckenden Leibern wie die Oberfläche eines Hexenkessels brodeln. Sie fanden eine freie Sitznische, allerdings erst in der vierten Tischreihe und damit weit oberhalb des Tanzgeschehens und vor allem außerhalb all der neugierigen Blicke der Kiebitze und der herumstolzierenden Dreiviertel-Prominenz. Gin Davis spitzte ihre süßen Lippen zu einer Schnute, denn dieser Sitzplatz behagte ihr immer weniger, je länger sie sich umblickte. Sie kannte keinen der Gäste in ihrer Nähe und es kamen kaum neugierige Leute an ihrem Tisch vorbei. Selbst die Bedienung ließ sie länger als erträglich warten. Entsprechend spitz bestellte sie bei der hübschen, kleinen Chinesin ihren Daikiwi classic. Michael hingegen entschied sich für eine Frozen Margarita, denn er mochte den Geschmack von Tequila und Lime Juice sehr. Die Getränke kamen überraschend schnell, wurden auch gleich kassiert. Michaels schaute der fünfhundert Hongkong-Dollar-Note etwas wehmütig nach, wie sie in der dicken Servier-Brieftasche der Bedienung verschwand. Zweihundert pro Drink plus Tip. Und es würden noch manche Gläser in dieser Nacht folgen müssen.

      Ginnie wollte tanzen und so nippte Michael nur kurz am Strohhalm seiner Frozen Margarita, nahm galant ihre Hand auf und führte sie stolz wie eine Königin die Treppe hinunter und in den Hexenkessel hinein. Dort wiegten sich die schwitzenden Leiber immer noch dicht an dicht. Doch seine Freundin drängte forsch hinein in den Pulk, hatte sich ihm dabei zugewandt und benutzte ihren Rücken und ihr Hinterteil als Wellenbrecher. Bald standen sie Face to Face aneinandergepresst, fühlten die Körper anderer Tänzer auf ihrem, wurden von Armen und Händen berührt, manchmal sogar gestreichelt, schmeckten das Salz in der Luft und den Alkohol, spürten die feucht-schwüle Atmosphäre und fielen wie all die anderen in den Rausch der Sinne. Die Bass-Töne aus den Lautsprechern ließen die Bauchdecke vibrieren, stießen den harten Sound hinein in ihre Eingeweide, brachten sie zum Kochen. Irgendein Spinner ganz in ihrer Nähe wirbelte auf einmal wild herum, reckte dabei immer wieder seine Arme in die Höhe, stieß dazu spitze Schreie aus, als tanzte er auf glühenden Kohlen. Als er seine Arme wieder in die Menge senkte, passierte es. Mit seinem Ellbogen traf er mit viel Schwung Mitten in das Gesicht einer jungen Frau, stieß ihr den Kopf fast von den Schultern. Einen Moment lang taumelte die Angeschlagene, fiel dann bewusstlos oder im Schock in sich zusammen. Die Tänzer um sie herum versuchten, sie nicht zu treten und einige der Männer bildeten rasch einen Schutzwall um die Frau herum. Zwei von ihnen knieten sich neben sie nieder, einer hielt ihre Hand, der andere wollte sie an der Schulter aufrichten oder aufziehen.

      Auch Ginnie hatte nun die Veränderung in der bisherigen Konsistenz der recht homogen wirbelnden Masse erkannt und schaute interessiert hinüber. Vier Security Leute drängten heran, stießen die Gäste recht grob aus ihrem Weg, wiesen die hilfsbereiten Männer weg. Zwei hoben die junge Frau fast spielerisch hoch, stellte sie auf ihre Beine und führten sie weg. Blut tropfte ihr aus der Nase und ruinierte das silbern glitzernde, enganliegende, knielange Abendkleid, färbte es im Brustbereich hässlich rot. Die beiden anderen Angestellten hatten sich dem wilden Tänzer zugewandt. Der stand immer noch betroffen da, unfähig seinem Opfer zu helfen, aber auch zu unerfahren, um sich aus dem Staub zu machen. Sie packten ihn links und rechts, riefen ihm irgendeinen Befehl ins Ohr. Er versuchte ihren Fäusten zu entkommen und so drückten sie seine Arme brutal auf seinen Rücken, führten ihn durch die glotzende Menge wie einen Straftäter ab.

      Michael schaute seine Ginnie an. Doch die hatte sich längst wieder vom Schauspiel abgewandt, starrte mit fiebrigen, leicht verdrehten Augen zum flimmernden, mit Licht überfluteten Himmelszelt hoch, wand sich wie eine sich aus der eigenen Haut schälenden Schlange. Das kannte Michael leider schon. Gin hatte sich bestimmt wieder irgendein Dreckzeug eingeworfen, Speed oder Ecstasy. Er hasste sämtliche Drogen, ob sie die Leute anfeuerten oder sie vergessen machten, ihnen eine falsche Sicherheit eintrichterten oder ihnen für kurze Zeit das Gefühl überragender Größe vorgaukelten. Doch für seine Ginnie waren die Pillen bloß ein wenig Spaß und er die große Bremse. Sie habe die Sache voll im Griff, wie sie ihm erklärte, nie mehr als drei oder vier pro Nacht, hatte sie ihm gepredigt, nur um ein wenig lockerer zu werden. Und lustig. Seine eigenen Beobachtungen zählten weit mehr Pillen, was sie jedoch stets wie ein kleines Kind abstritt.

      »Du kannst doch die kleinen Muntermacher nicht in denselben Topf wie echte Drogen werfen?«, beklagte sie sich bei ihm, »denn sie machen nicht abhängig, sondern nur fröhlich.«

      Mit ihr darüber zu streiten hatte keinen Sinn, denn dann verflog die Wirkung der Pillen noch rascher, was sie wütend machte. Also sagte Michaels auch in dieser Nacht nichts zu ihr, tanzte weiter, gab sich lustig, als wäre es ihm egal oder hätte er nichts bemerkt.

      Der Einpeitscher auf der Kanzel über ihnen rief irgendetwas Anfeuerndes ins Mikrophon, das wohl er selbst in all diesem Lärm nicht verstehen konnte. Trotzdem antwortete ihm die Menge begeistert, grölte und kreischte irgendetwas, heulte und lachte. Die übliche hirnlose Erwiderung eines entfesselten und enthemmten Mobs.

      »Das ist nicht meine Welt«, sagte Michael laut vor sicher her, ohne dass es jemand in diesem Tumult hätte verstehen können, »und doch bin ich Teil von ihr.«

      Dank meiner Ginnie, fügte er in Gedanken und etwas bissig hinzu, bevor er sich wieder seiner Freundin widmete. Die hielt den Blick wieder auf den Boden gerichtet, verdrehte nur noch ihren Oberkörper wie zuvor. Die Droge schien bereits nachzulassen.

      »Genug getanzt?«, schrie er ihr fragend ins rechte Ohr. Sie nickte und so ging er diesmal voraus, bahnte ihnen den Weg aus der Masse der zuckenden Leiber.

      Wie ein betrunkener Haufen Ameisen, dachte Michaels angewidert, oder wie ein riesiges Tier, das im Sterben liegt.

      Als sie wieder oben bei ihrer Nische angekommen waren, saßen andere Leute dort. Ihre noch fast vollen Gläser hatte man längst abgeräumt.

      »Setzen wir uns an die Bar?«, fragte ihn seine