Die Maiskolben waren frisiert wie Puppen und hatten aufgemalte Gesichter. „Das haben wir als Kinder auch gemacht,“ bekannte Magda. „Leute umgebracht und ihnen Maiskolben zwischen die Beine gelegt?“ Ben stupste sie leicht in die Seite und Magda erkannte, dass er sie ein wenig auflockern wollte, um ihr das Entsetzen erträglicher zu machen.
„Ich habe an den Maispuppen Haare flechten von meiner Oma gelernt,“ erklärte ihm Magda träumerisch. „Diese sind auch geflochten,“ meinte Ben nachdenklich.
Mit einem Ruck kehrte Magda in die unschöne Gegenwart zurück. „Wenn unsere Spusi darüber geschaut hat, wissen wir sicher mehr,“ sagte sie und hatte kaum ausgesprochen, als auch schon Eddie, Anne und Freddie bei ihnen eintrafen, dicht gefolgt von Susi, der Gerichtsmedizinerin. Kaum hatte sich diese neben der Frauenleiche niedergelassen, raste hinter ihnen auch schon ein Sanitätsauto heran, mit eingeschaltetem Blaulicht und Sirene. Andrea nahm davon jedoch keine Notiz und umklammerte weiterhin fest ihren Mann, während alle anderen sich die Ohren zuhielten. Zwei Rettungssanitäter standen kurz darauf neben der Frau, auf die Magda mit einer Kopfbewegung gezeigt hatte. Sofort redete der eine Sanitäter sanft auf sie ein, während ihr der Notarzt, der nun auch eingetroffen war, eine Beruhigungsspritze verabreichte. Daraufhin wandte er sich an Magda, die er sofort als die Verantwortliche erkannt hatte. „Wir nehmen sie mit,“ erklärte er knapp. „Wenn sie es möchte,“ gab Magda ebenso kurz zurück. „Sie wird es mögen müssen,“ schnappte der Arzt und Magda sah ihn finster an. Sanft zogen die Sanitäter die Bauersfrau von ihrem Mann weg und legten sie vorsichtig auf eine Trage. Magda erkannte, dass Andrea nun vollkommen schlaff wirkte. Wahrscheinlich von der Spritze, dachte sie bei sich. Sie trat noch einmal zu ihr. „Ihr müsst des Monster fonge, wou des gemocht hot. Verschpresch mer des!“ Bezwingend sah die Frau in Magdas Augen. „Bisher haben wir noch jeden Mörder gefangen, den wir gejagt haben,“ gab Magda zuversichtlich zurück. „Verlassen Sie sich drauf – wir werden alles tun, um dieses bösartige Subjekt zu fangen!“ Beruhigt nickte die Frau, dann schloss sie die Augen, nur um sie gleich noch einmal zu öffnen. „Wo brenge se donn moin Edewadd hie?“ Susi trat neben sie und nahm liebevoll ihre Hand. „Eduard kommt zu mir. Ich werde ihn vorsichtig untersuchen und schauen, was genau passiert ist und dann können Sie ihn beerdigen,“ murmelte sie beruhigend und lächelte sie traurig an. Die Frau nickte noch einmal, verzog die Lippen zu einem halben Lächeln und schloss die Augen. „Bitte socht es moine Söhne,“ murmelte sie kraftlos, dann schlief sie unvermittelt ein.
Als das Sanitätsauto weg war, machten sich die Ermittler aufmerksam an die Untersuchung der Leiche und des Tatortes.
Susi untersuchte die Frau sorgfältig und sprach das Untersuchungsprotokoll in ihr Sprechgerät. Stirnrunzelnd sah sie auf. „Sie wurde hier getötet, wie man unschwer an den Blutspuren erkennen kann. Wieviel Blut es war, kann ich allerdings nicht mehr feststellen, weil es gleich versickert ist. Aber ich denke mal, viel hat sie nicht mehr drin. Es sickerte zwar langsam, aber bis die Wunde sich von selbst durch die Blutgerinnung geschlossen hat, dürfte sie viel verloren haben. Zuviel, um zu überleben jedenfalls.“ Magda schüttelte stumm den Kopf. „Aber sie hat dadurch wenigstens nicht so lange leiden müssen, oder?“ Anne, die mit ihren halblangen braunen Haaren, der schlanken Figur wie ein junges Mädchen aussah und in Jeans und brauner Lederjacke wieder sehr flott gekleidet war, sah Susi bezwingend an. Sie wirkte zwar immer unglaublich taff, war aber ein sehr mitfühlender Mensch, was sie für gewöhnlich sorgfältig verbarg. Susi nickte ihr freundlich zu. „Ich glaube nicht, dass sie lange leiden musste. Ich werde in der Gerichtsmedizin gleich versuchen, noch ein wenig Blut aus ihr herauszubekommen. Vielleicht hatte sie auch noch betäubende Substanzen darin. „Na hoffentlich,“ brummte Magda düster, während sie sich grübelnd umsah. Irgendetwas stimmte hier nicht, sie hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl. Gerade so, als ob sie beobachtet würden. Sie sah sich aufmerksam um. Der Waldrand, hm, da konnte natürlich immer jemand hinter einem Baum stehen, ohne dass sie es sofort merkten. Sie kniff die Augen zusammen und fixierte den Wald noch einmal, dann schüttelte sie den Kopf, nein, sehr unwahrscheinlich. Dennoch, das Gefühl wich nicht. Sie ließ den Blick über den Himmel gleiten. Eine Drohne vielleicht? Nein, auch nicht. „Hast du wieder ein komisches Gefühl?“ Ben stupste sie leicht in die Seite, um sie aus ihrem seltsamen Zustand herauszuholen. „Ja,“ sagte Magda zerstreut. „Ich habe das Gefühl, dass wir beobachtet werden. Sofort ließ auch Ben seinen Blick aufmerksam über die Umgebung gleiten. Er gab sehr viel auf Magdas Gefühle. Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass sie sich bisher nie getäuscht hatte und dass immer irgendetwas im Busch war, wenn sie dieses Gefühl übermannte. „Vielleicht fällt es mir noch ein, was mich hier stört,“ murmelte Magda und kam mit einem Ruck wieder in die Gegenwart zurück.
Freddy