Eine Insel in 650m Höhe. Wolfgang Cremer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolfgang Cremer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847640479
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welcher Richtung ich nun weitergehen wollte. Ich hatte keinerlei Ahnung wo ich war, keine Ahnung welche die kürzere Seite sein mochte. Dabei könnte sich die kürzere natürlich auch als die mit Abstand zeitraubende Strecke sein. Nein, man konnte nicht sagen welche Seite sich schlussendlich als die günstigste erweisen würde. Von daher war es also vollkommen egal wie ich mich entscheiden würde. Dennoch konnte ich mich nicht für eine Seite entscheiden. Immer wieder starrte ich das zerklüftete und zerrissene Band der Straße mal nach rechts und mal nach linke an. Es begann mal wieder zu Regnen. Ich suchte etwas Schutz und wollte diesen Regenschauer dort relativ trocken abwarten und meinem Fuß für den nächsten Marsch noch etwas schonen.

      In greifbarer Nähe lag ein Ast der meine Aufmerksamkeit erregte. Etwa 4cm im Durchmesser und nach rund eineinhalb Meter gabelte er sich für etwa 20cm nach beiden Seiten. Das könnte gerade auf einer Straße eine große Hilfe sein wenn sich dieser Ast als eine Art Stock oder Krücke nutzen ließe. Ich probierte es sofort aus. Er war etwas zu lang und ich kürzte ihn mit meinem Taschenmesser soweit, dass er mir eine gute Stütze zu sein schien. Der Regen ließ nach etwa einer Stunde nach und ich machte mich wieder reisefertig. Als ich die Straße betrat, bemerkte ich, dass das Regenwasser nach rechts ablief. Also es war sicherlich einfacher der Straße dem Gefälle nach zu folgen. Die Richtung war also vorgegeben und ich wollte gerade losgehen als mir ein Gedanke kam. Wie wenn dies nun die falsche Richtung wäre und ein Rettungs- oder Informationsteam würde von links kommen. Ich musste also eine Nachricht hinterlassen. Den Rucksack wieder ablegend schaute ich mich um und dann war es ganz einfach. Mit kleinen Ästen schrieb oder besser gesagt legte ich das Wort „HELP“ auf den geteerten Boden. Die Äste beschwerte ich mit kleinen Steinen, damit diese nicht von Wind und Regenwasser verschoben wurden. Zum Schluss legte ich noch einen Richtungspfeil in die rechte Richtung und sah mir dann mein Werk an. Es war unübersehbar und sicherlich auch von einem Tief fliegenden Hubschrauber zu sehen wenn einer diese Straße prüfend abfliegen sollte. Nun das sollte und musste genügen und zufrieden schnallte ich den Rucksack wieder um.

      Gerne hätte ich etwas gegessen aber ich zwang mich zu Verzicht. Erstens konnte ich nicht wissen wie lange ich noch mit den wenigen mir jetzt noch verbleibenden Lebensmitteln auskommen musste und zum zweiten wollte ich noch einiges an Weg vor Einbruch der Dunkelheit bewältigen.

      Ich nahm mir vor die Schritte zu zählen. Das lenkte von den Strapazen ab. Die Naturkrücke erwies sich bereits nach einigen Metern als sehr hilfreich und ich freute mich über meine gute Idee. Unzählige Bäume waren umgestürzt und lagen im Abstand von höchstens 200m auf der Straße. Ich glaubte festzustellen, dass die Straße von wesentlich mehr Spalten aufgerissen war als das es Aufwerfungen gab. Es setzte wieder Wind und Regen ein der meine Laune nicht gerade begünstigte. Zudem war es meines Erachtens auch wieder kälter geworden. Mehrere Dinge geschahen dann gleichzeitig. Ein Donnerschlag ließ mich erschrecken weil ich den vorangehenden Blitz nicht gesehen hatte. Die Erde vibrierte stärker als vorher, ich rutschte mit der Krücke weg und musste um einen Sturz zu vermeiden stark mit meinem verletzten Fuß auftreten der dies auch sofort mit einem stark schmerzenden Stich quittierte, es wurde dunkler und ich konnte nicht erkennen ob dies am aufziehenden Gewitter oder von der vielleicht schon beginnenden Dämmerung kam, ich sah einen kleinen Graben mit fließendem Wasser und daneben einen mächtigen Nadelbaum der in einer Höhe von 2m bestimmt eine Astlänge von 3m haben sollte.

      Darunter war es trocken und bestimmt auf dem Grasboden auch schön weich. Alles das war das Signal für ein Nachtlager. Das erste an der Straße und ich war überzeugt auch das letzte. Morgen würde ich einen Ort erreichen und Menschen finden. Trotz der Kälte nutzte ich nach dem Zeltaufbau die Möglichkeit mich gründlich an dem kleinen Graben waschen zu können. Zitternd und frierend machte ich mich daran mein kleines Abendbrot vorzubereiten. Da dies wohl die letzte Mahlzeit in der Wildnis war, konnte ich auch etwas großzügiger mit den Vorräten umgehen. Es gab also nicht nur eine leckere warme Suppe sondern es wurde auch eine Wurst hineingeschnitten und dieses Mahl mit einem Tee beendend. Der Regen hatte aufgehört und inzwischen übernahm wurde aus der Dämmerung auch Nacht. Es erstaunte mich wie viele Geräusche noch zu hören waren. Immer noch zogen Tiere durch die Dunkelheit. Gewiss machte den Tieren das ständige Grummeln und leichte Zittern der Erde noch weiter Angst. Es war schon erstaunlich wie ich mich als Mensch schon daran gewöhnt hatte. Klar könnte es jederzeit wieder richtig losgehen und ein neues vielleicht noch schlimmeres Beben würde die bisherige Vernichtung fortsetzen, aber ich dachte, dass gerade dieses häufige Zittern der Erdoberfläche sich positiv auswirkte. Dadurch, dass ständige Bewegung war, konnten ja keine großen Spannungen aufgebaut werden die sich dann irgendwann schlagartig mit einem gewaltigen Ruck lösten. Daher war ich also recht zufrieden mit der Situation und hoffte nur, dass die Schäden relativ begrenzt waren und die größeren Orte und Städte vom Schlimmsten verschont geblieben waren. Ein Beben dieser Stärke in einer Großstadt wagte ich mir in den Auswirkungen überhaupt nicht vorzustellen. In diesen Gedanken versunken schlief ich ein und genoss einen tiefen ungestörten und bestimmt erholsamen Schlaf.

      Als ich erwachte, überraschte mich der laute und vielfältige Gesang von hunderten Vögeln. Dabei war es noch gar nicht so hell wie ich durch die Zeltplane bemerkte. Ich bewegte meinen Fuß und war überrascht das das gehen mit der Krücke meinem Fuß wohl sehr gut bekommen war. Leider hatte dieses Abstützen mit der Armbeuge auch Nachteile. Nicht nur das die ganze Armbeuge bei Bewegung begann zu schmerzen, es zeigte sich auch, dass die Haut an zwei Stellen Abschürfungen hatten. Dieses System konnte ich so also nicht weitermachen. Ich wollte versuchen die Krücke als Wanderstab zu nutzen und notfalls sogar zu kürzen. Den zweiten Teil der Wurst aß ich kalt noch im warmen Schlafsack liegend. Heute würde mein Leidensweg zu Ende gehen und die Zivilisation würde mich in spätestens einigen Stunden wieder haben. Allein diese Vorstellung ließ meine Laune ansteigen wie schon lange nicht mehr und ganz gemütlich begann ich mit der Morgentoilette. Es war schließlich egal ob ich eine Stunde früher oder später mein Ziel erreichte. Dennoch war ich sehr erstaunt als ich das Zelt geöffnet hatte und hellen Tag erblickte.

      Na klar, der riesige Baum unter dem ich mein Zelt errichtet hatte, schützte natürlich auch vor dem Tageslicht. Es war nicht nur trocken sondern die Wolkendecke war ganz weiß und es zeigten sich bereits einige kleine Lücken. Also alles super. Mit bester Laune baute ich mein Lager ab und verstaute alles in meinen Rucksack. Ich überlegte bei wie vielen Schritten ich gestern aufgehört hatte zu zählen. 5822 Schritte hatte ich gezählt. Natürlich nur auf der Straße und nicht die Umwege um Spalten, Bäume oder Aufwerfungen zu umgehen. Wenn ich nun rechnete, dass ein erwachsener Mensch etwa 70cm je Schritt bewältigt konnte ich für mich vielleicht nur etwa 50cm annehmen. Mehr hatte ich insgesamt sicher nicht erreicht wenn ich mir das so richtig überlegte. Genau genommen hatte ich dann also bei rund 6000 Schritten a. 50cm nur 3km reine Straßenstrecke abgegangen. Als Wanderer wusste ich, dass mein GPS-Signal mir immer zwischen 4-5 km je Stunde angezeigt hatte. Also keine hohe Ausbeute für die verausgabte Kraft. Aber das war nicht zu Ändern und es hatte auch keinen Zweck sich über dieses Missverhältnis zu ärgern.

      Also startete ich mit einiger Verspätung meine Wanderung. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen mochte es vielleicht 10 Uhr sein. Der Zustand der Straße und des Umfeldes änderten sich nicht allzu sehr. Zwar hatte ich den Eindruck, dass die Spalten enger wurden und bei weitem auch nicht mehr so tief. Aber immer noch gab es rund alle 200-300m eine Blockade. Die enger werdenden Spalten ließen sich bei einer Breite von 1-1,3m zwar überspringen, aber das war nicht die beste Lösung für meinen Fuß. Ich nutzte zwar den gesunden für den Auftritt nach dem Sprung, aber auch das Abspringen war nicht ohne und ohne meinen Stock als Krücke hätte ich sicher ein weiteres Problem.

      Die Sonne setzte sich jetzt immer mehr durch und ich genoss die warmen Strahlen. Alle 2000 Schritte machte ich eine Pause und ruhte mich aus. Es war nach der vierten Pause als ich mir Gedanken machte ob ich den nächsten Ort noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen könnte oder noch eine Nacht im Zelt bleiben musste. Nach dem Sonnenstand hätte ich noch 2-3 Stunden bis zur Dunkelheit. Gerade machte die Straße wieder eine Biegung nach links und fiel stärker ab als es durch den Wald hell schimmerte. Eine große Lichtung oder das Ende des Waldes und zumindest freie Sicht auf die weitere Straßenführung. Ich wurde schneller und als ich über Kuppe kam blieb ich wie erstarrt stehen.

      Die