Diese positiven Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage ermutigen mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Diese Zeitzeugen-Buchreihe umfasst inzwischen mehrere Dutzend maritime Bände.
In diesem Band 37 können Sie wieder Erlebnisberichte, Erinnerungen und Reflexionen eines Seemanns kennen lernen, der von 1926 bis 1971 zunächst vor dem Mast in der Nordsee und nach Westafrika, Nordamerika, Norwegen, Russland, später als Funkoffizier auf Bergungsfahrzeugen und Frachtschiffen weltweit nach Nord- und Südamerika, Ostasien, Australien und Südafrika unterwegs war. Er erzählt nicht nur von seinen interessanten Bergungseinsätzen und Schiffsreisen, von den Bordkameraden, von den Lebens- und Arbeitsbedingen in Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeiten, sondern reflektiert sehr hintergründig und tiefsinnig die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe der von ihm durchlebten und erlebten wechselvollen Epochen des 20. Jahrhunderts von der Kaiserzeit seiner Kindheit über seine Jugend während der Weimarer Republik, der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre, der Zeit des „Dritten Reiches“ mit seinem katastrophalen Ausgang für das deutsche Volk und den Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg. Die von ihm bereisten Erdteile, Länder und Häfen werden vom Autor gründlich beschrieben, seine dortigen Erlebnisse und Beobachtungen hintergründig kommentiert. Der Leser spürt immer wieder die Leidenschaft, mit der Hans Patschke zur See fuhr und wird von seinen begeisternden Erzählungen mitgerissen. Im hohen Alter musste er noch erleben, dass sein geliebter Seefunker-Beruf durch die Sateliten-Technik ausstarb.
Herrn Kapitän Behrend F. Hein, jahrelang Seelotse in Cuxhaven, danke ich für die Bereitstellung des von seinem väterlichen Freund Hans Patschke vor 1982 verfassten Textes, den Kindern des Autors für die Einwilligung zur Veröffentlichung als Buch.
Herrn Egbert Kaschner (†) (http://kleinschwansee.de/) sei für die Korrekturhilfe herzlich gedankt.
Hamburg, 2008 – 2014 Jürgen Ruszkowski
Frequenzwechsel
Lebenserinnerungen des Funkoffiziers Hans Patschke,
* am 29.11.1906 in Tilsit – † 2002 im Alter von 95 ½ Jahren
Aufgezeichnet im Rentenalter bis 1982 in Wedel/Holstein
Prolog
Die folgende umfangreiche Niederschrift ist weder ein schillernder Roman, noch eine literarische Lebensbeichte, sie soll vielmehr in einer interessant lesbaren Form den teilweise weit ausholenden Bericht eines nach Ansicht des Autors erfüllten Berufslebens darstellen. Sie ist als Nachschau gedacht für Familie und Freunde des Schreibers bzw. für Bekannte, die, in welcher Form auch immer, besonders am Ablauf seines Berufslebens interessiert oder dessen teilhaftig gewesen sind. Es wird im Übrigen versucht werden, eine neutrale, objektive und natürlich wahrhafte Schilderung des Gewesenen zu geben, soweit das auf Grund des wachen Erinnerungsvermögens nach vergangenen sieben Jahrzehnten des Erzählers überhaupt noch „aktenkundig“ sein kann. Die einzelnen Lebensphasen sind an Hand vorhandener Dokumente soweit noch gut nachprüfbar gewesen, und darum mussten die darin enthaltenen Daten als Gerippe den Aufzeichnungen dienen. Es ist ferner anzunehmen, dass nach etlichen Jahren seit Ausgang eines Berufslebens, in diesem Fall der Seefahrtzeit des Autors, der nötige Abstand zum Geschehen der vermessenen Lebensbahn gegeben ist. Der Leser dieser Niederschrift mag jedoch auch immer dessen eingedenk sein, dass sich in sieben Jahrzehnten ein ewiger Wandel im menschlichen Beieinander und in der Umwelt als solcher, bedingt durch immer neue Erfahrungen des Geistes und veränderte historische Fakten, vollzogen hat. Ansichten von gestern gelten heute vielfach als überholt oder sind neuen Tendenzen unterworfen. Kurzum, ein steter „Frequenzwechsel“ bestimmte während des epochalen Zeitablaufs von siebzig Jahren auch mehr oder weniger eindringlich „mein Leben“. Bei der Suche nach einer Überschrift für meine Lebenserinnerungen habe ich den Titel „Frequenzwechsel“ als viel gebrauchte Vokabel aus dem Wortschatz meiner ehemaligen Berufstätigkeit daher bewusst ausgewählt. Die Prägnanz des Fremdwortteiles “Frequenz“ schien mir für die Schilderung meines bunten Lebens und Erlebens vergleichsweise durchaus passend zu sein. Wie sich elektrische Schwingungen von unterschiedlicher Häufigkeit (= Frequenz) – zwar unsichtbar‚ aber berechenbar – als fortlaufende Wellenbewegung mit Bergen und Tälern darstellen, so ähnlich schwingt auch menschliches Schicksal - allerdings dieses unberechenbar, dafür aber sichtbar - gewissermaßen in einer ewigen Wellenkurve mit unterschiedlichen Hochs und Tiefs. Den Verlauf dieser Kurve bedingen, vom unerforschlich Schicksalhaften abgesehen, hauptsächlich Mentalität, Naturell und Neigungen des Einzelwesens. Diese drei jedem Menschen anhaftenden Eigentümlichkeiten oder Gaben nutzt oder pflegt der einzelne mehr oder weniger in seinem Sinne und in bestmöglicher Anpassung an die Realitäten seiner Zeit. Die Summe alles Schaffens, Strebens und gegebenenfalls auch Versagens wird ihn bei der Beurteilung seines Lebenspfades an dessen Ausgang das Fazit ziehen lassen können, erfüllt oder unerfüllt gelebt zu haben oder, bildlich laut meinem Vergleich, in irgendwie wunschgemäßer Wellenbewegung geschwungen zu haben. Insofern bin ich selber meinem Schicksal dankbar, dass es mir zumindest ein Arbeitsleben in einem Wirkungskreis bescherte, in dem ich á conto Neigung und Veranlagung kontinuierlich hineinwachsen und mit ihm allmählich regelrecht verwachsen konnte. Meine langjährige Arbeitsfirma war damit ihrer soliden, steten Existenz ein guter und zuverlässiger Wegbegleiter, sie hielt mir die Treue, wie ich es ihr gegenüber tat. Die „Firma“ wurde während bestimmt sehr unruhiger und wechselvoller Zeitläufe gewissermaßen mein ganzes Leben und darüber hinaus auch ein Garant für den Erhalt meiner Familie, von den persönlich ideell empfundenen