„Rafai ...“, holt Jiadir mich aus meinen Gedanken. „Du könntest eine der jüngeren Frauen deines Vaters als deine Ehefrau beanspruchen. Sicher würde das deine Stellung stärken.“
„Ich will nichts, was mein Vater in seinem Bett hatte“, presse ich hervor, und Jiadir seufzt. Er kennt meine sture Haltung. „Was ist mit Nummer Achtzehn? Dieser Fürstentochter von Tigman. Dein Vater hat sie noch nicht angerührt … genauso wenig wie der Prinz, dem sie versprochen war. Sie ist eine Blume, die noch nicht gepflückt wurde.“ Er grinst wieder.
Ich beneide Jiadir für die Leichtigkeit, mit der er sein Leben angeht. Das Herz meines Bruders strahlt ebenso hell wie seine ungewöhnlichen blauen Augen. Es ist gut, ihn an meiner Seite zu haben. Jiadir hat die Gabe, Verletzungen der Seele zu heilen mit seinem offenen Wesen.
„Eine Frau aus der Stadt? Und dann noch eine Fürstentochter? Bei allen Sanddämonen! Sie sind verweichlicht und kommen mit dem Leben in der Wüste nicht klar.“ Ich drehe mich zu ihm um. „Und sie kommen mit uns nicht klar, hast du das vergessen?“
Er zuckt mit den Schultern. „Du kannst sie nicht alle mit deiner Mutter vergleichen, Rafai.“ Er überlegt, ob er weitersprechen soll und entscheidet sich dafür. „Und ich habe gehört, dass sie eng sein sollen. Hast du nicht ihre schmale Taille unter dem Dinjhi gesehen? Komm schon, Rafai … ich weiß, dass dir so etwas besser gefällt, als die kurvigen Formen unserer Frauen - auch wenn ich nicht verstehe, warum. Aber das ist deine Gelegenheit, dir eine Frau zu nehmen, die deinen Schwanz glücklich macht.“
Ich funkele ihn an. Jiadir ist mein Bruder, aber er geht eindeutig zu weit. „Ja, bis sie im Kindbett bei der Geburt meines ersten Sohnes stirbt. Wir sind nicht gemacht für zierliche Frauen.“
„Deine Mutter ist nicht bei deiner Geburt gestorben, Rafai! Und wenn du sie nicht als Ehefrau willst, dann hol sie wenigstens auf dein Lager. Wie lange hast du keine Frau mehr gehabt?“
Ich hebe die Hand. Ich will nichts mehr davon hören. „Bring mir die Ehefrauen meines Vater und die unverheirateten Mädchen. Ich will schauen, ob mir eine von denen gefällt.“
Jiadir seufzt und gibt sich geschlagen. Als er geht, fällt mir noch etwas ein. „Jiadir?“
Er dreht sich zu mir um. „Ja, Rafai?“
„Als ich dieses Mädchen dort stehen sah … in der Wüste … ist alles zurückgekommen. Ist das nicht seltsam?“
Jiadir sieht mich mitleidig an. „Du brauchst eine Frau auf deinem Lager Rafai … eine die dein Herz und deinen Schwanz glücklich macht.“
Ich verziehe meinen Mund zu einem bitteren Lächeln. So eine Frau gibt es nicht - nicht für mich!
Neyla
Als Gita zurückkehrt, bin ich fast verrückt vor Angst. Sie macht ein ernstes Gesicht, das meine Stimmung nicht besser macht. „Was ist? Weißt du, was da vor sich geht?“
Sie antwortet nicht und setzt sich stattdessen zu mir. Ich kann sehen, dass sie auf ihrer Lippe kaut – das tut sie immer, wenn sie ein Problem beschäftigt. „Die Krieger, die ins Lager eingefallen sind, gehören zu Rafai, dem Sohn Okaks. Rafai ist gekommen, um das Erbe seines Vaters anzutreten.“
Ich runzele die Stirn. „Und dafür muss er gleich das ganze Lager überfallen?“
Gita zuckt mit den Schultern. „Es scheint wohl, dass Okak und sein Sohn zerstritten waren. Sie waren sich uneins über die Art, wie der Stamm zu führen ist. Rafai wollte Neuerungen einführen und sesshaft werden, aber sein Vater war dagegen. Vor zwei Jahren verließ Rafai mit einigen Anhängern den Stamm. Aber jetzt besteht er auf sein Erbe.“
Ich knete den Stoff des Dinjhis, bis er knittrig ist. „Und was bedeutet das für mich?“
„Es besteht Aussicht darauf, dass du freigelassen wirst. Rafai war immer dafür, Ärger mit den Stadtfürsten zu vermeiden … und indem er dich freilässt, hat er die Möglichkeit, deinem Vater seinen guten Willen zu zeigen. Er wird natürlich etwas dafür fordern … Land, auf dem er sich niederlassen kann, nehme ich an.“
Ich falle Gita um den Hals und wir halten uns fest und drücken einander. „Bald ist dieser Albtraum zu Ende. Wenn wir erst einmal zu Hause sind, wird mein Vater diese Wüstenbarbaren dafür bezahlen lassen, mich entführt zu haben!“
Rafai
Ich schaue in die Gesichter der Frauen, die Jiadir und Altor mir bringen. Es sind namenlose Mädchen mit dunklen Augen und vollem schwarzen Haar. Sie haben schwere Brüste und weiche weibliche Formen. Ich kann das Funkeln in Jiadirs Augen sehen. Einige von ihm gefallen ihm – er liebt kleine Frauen mit weiblichen Rundungen und großen Brüsten. Zwei oder drei von ihnen sind echte Schönheiten … ich bräuchte nur den Finger ausstrecken und eine von ihnen zu wählen. Sogar, wenn ich sie nur für eine Nacht auf meinem Lager haben will, könnte ich jede von ihnen einfordern. Aber Jiadir hat recht. Sie reizen mich viel weniger als ihn.
„Kilia … achtzehn Jahre … sie hat noch keine Kinder geboren. Dein Vater hat sie erst vor einem Jahr in sein Zelt geholt“, stellt Jiadir mir das Mädchen vor. Ich höre kaum zu, obwohl sie sich bemüht, mir zu gefallen. Sie hat einen Schmollmund, und ihre Lippen glänzen. Kurz stelle ich mir vor, wie diese vollen Lippen sich um meinen Schwanz legen, dann verdränge ich das Bild. Es wäre wie immer. Ein Vergnügen, das meinen Körper für kurze Zeit zufriedenstellt, mich aber unerfüllt lässt. Ich winke sie fort und kann einen enttäuschten Blick von Kilia auffangen. Soll Jiadir sie meinetwegen in sein Zelt holen, wenn sie ihm gefällt.
„Das waren alle“, höre ich Altor sagen. Ich sehe auf und bemerke, dass das Zelt leer ist. Ich kann mich an kaum eines der Mädchen erinnern, die mir gezeigt wurden.
Jiadir sieht mich fragend an. „Was jetzt, Rafai?“
Ich greife in die Armlehnen des Sessels und kämpfe mit mir. Nein! Der Gedanke ist absurd. Ich sollte ihn ganz schnell vergessen. Aber ich kann ihn nicht vergessen. Er setzt sich in meinem Kopf fest, wie schleichendes Gift. „Haben wir irgendetwas aus Tigman gehört? Hat Fürst Karbal irgendwelche Anstrengungen unternommen, seine Tochter zurückzubekommen?“
Altor schüttelt den Kopf. Er ist größer als Jiadir und ich und von uns Brüdern der Muskulöseste. Wo Jiadir heiter und freundlich ist, ist Altor ernst und verschlossen. Doch ebenso, wie mit Jiadir, verbindet mich mit Altor ein enges Band. Auch er ist der Sohn einer Sklavin. Ich kann mich erinnern, dass das Wesen seiner Mutter ebenso ernst und verschlossen war, wie seines.
„Rafai?“, fragt Jiadir. Ich sehe auf, und er schüttelt den Kopf. „Wo bist du nur mit deinen Gedanken?“
„Bei meiner Hochzeit“, antworte ich nachdenklich. „Bringt mir heute Abend diese Fürstentochter in mein Zelt. Ich werde sie heiraten.“
Jiadir und auch Altor sehen mich ungläubig an, aber es ist Jiadir, der zuerst seine Sprache wiederfindet. „Darf ich fragen, was dich umgestimmt hat?“
Ich zucke die Schultern. „Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich mit ihr tun werde. Doch ich werde sie heiraten … vielleicht wird das ihren Vater endlich zu Verhandlungen mit uns bewegen.“
„Und wenn nicht?“ Jiadir sieht mich forschend an.
Ich lehne den Kopf an die Rückenlehne des Thronsessels und atme tief durch. „Wenn alles scheitert, gibt es immer noch die Möglichkeit, das zu tun, was mein Vater vorhatte … eine Allianz mit Karbal von Tigman zu erzwingen … indem ich seine Tochter schwängere.“
Neyla