zu und trieb allerlei Übermut und Grausamkeit.
Sie steckten des Königs Banner hoch vom Turme aus
und hingen ihre Schilde über die Mauer, alles den
Dithmarschen zum Hohne. Die hatten nur eine kleine
Schar von tausend Streitern und wichen zurück bis an
die Hemmingstetter Brücke. Da war noch ein Wall
aus der alten Sassenzeit und tiefe Graben, und die
Graben waren schlammig und voll Wasser. Da machten
die Dithmarschen in der Nacht ein Bollwerk,
stopften die Lücken des alten Erdwalles mit Moos
und Schlamm und Binsen, machten ein Pfahlwerk und
erwarteten den Feind. Der kam im Frühstrahl herangezogen,
voll Kampfesmut, und die Dithmarschen
warfen ihnen einen Steinhagel entgegen. Die Feinde
aber suchten in Eile den Graben zu überbrücken, sie
banden Speere zusammen, und darauf warfen sie
querüber wieder Speerbündel, und nun hinüber, aber
rücklings wurden sie niedergestürzt und niedergeschmettert.
Viele wollten im Sprung die Höhe des
Walles gewinnen und schwangen sich am Schaft der
Lanzen hoch empor, aber sie sprangen zu kurz, und
wem ja der Sprung gelang, den empfing in Kolben-
streichen auf dem Wall der sichere Tod. Da leuchtete
mancher alte Morgenstern vom Bornhöveder
Schlachttage wieder hell, und manche verrostete Klinge
von damals schliff sich heute wieder blank an
Feindes Helm und Panzer.
Aber siehe, plötzlich entstand ein Angst- und
Schreckensruf im Kampfhaufen der Dithmarschen:
Umgangen! Weh! Wir sind umgangen! Im Rücken
heran zog Feindesgewimmel, das an anderer Stelle
den Wall überklettert hatte, und es drohte nun der sichere
Tod. Da trat plötzlich allen unversehens eine
Dithmarschenjungfrau vor, die schwang hoch in der
Hand eine Fahne mit dem Bilde des Heilandes und
rief laut zur Mutter Gottes: Hilf uns, Maria, Gebenedeite,
so gelobe ich dir ewige Keuschheit! – Und: Mir
nach, rief sie, drauf! – und stürmte mit der Fahne und
einem Schwert und fliegenden Haares geradezu gegen
den Feind. Da entstand ein hartes und fürchterliches
Schlagen, und lange stand der Kampf, aber die Übermacht
der Feinde war allzu groß. Da aber hatte Gott
ein Erbarmen und sandte die Flut. Die wälzte sich
heran, krachte an die Schleuse, brach die Schleuse,
überströmte die Felder von Hemmingstett, und wie
die Bauern die Wogen daherbrausen sahen, da jauchzten
sie in erneuter Kampflust, nahmen wieder hinterm
Tausendteufelsdamme festen Stand, wo sie sicher vor
der Flut waren, und schlugen auf den Feind los, den
rings die Wogen bedräuten. Da war ein Gardenführer,
sie nannten ihn den langen Jürgen, der hatte Herz im
Leibe und spornte seinen Hengst, und sprengte glücklich
auf den Wall, und rief: Wer wagt es mit mir, der
komme heran! – Und da war ein Bauer, der hieß der
Reimer von Wiemerstede, der sprang vor, schlug mit
seiner Mordaxt des Junker Jürgen Speer zur Seite und
hieb mit derselben Axt in den Panzer des Junker ein,
die saß so fest, daß er sie nicht wieder herausziehen
konnte. Da riß der Reimer den Jürgen am Axtstiel
nieder, trat auf das Eisen und trat es dem Junker fünf
Zoll tief in den Leib hinein. Und von den andern Feinden
blieben zahllose Tote in dieser wilden Schlacht,
außer denen, die von den Wogen verschlungen wurden,
es blieben da fünf von dem Geschlechte derer
von Rantzau, von Ahlefeld sieben, von Wackerbarth
vierzehn, der König entfloh zu Schiffe. Lange sind
noch Lieder von dieser Schlacht auf die sächsische
Garde, von Jürgen Slens, von der kühnen Maid und
dem Reimer von Wiemerstede im Dithmarschenlande
gesungen worden.
175. Wunderbäume in Dithmarschen und
Holstein
In der Kirche von Süderhadstede steht ein alter Holunderbaum.
Zu diesem Baume, geht die Sage, kam
oft der Geist des Königs geritten, der den Dithmarschen
ihre Freiheit genommen. Er ritt auf einem grauen
Schimmel und betete unter dem Baume. Einst wird
die Zeit kommen, da wird auf dem Heideviert, darauf
Süderhadstede liegt, eine große Schlacht geliefert, das
fliehende Heer wird nach dem Dorfe zugetrieben werden
und wird es mit Getümmel erfüllen. Da wird der
König kommen, seinen grauen Schimmel an den Holunderbaum
binden und niederknien und inbrünstig
beten. Dann aber werden dreihundert Dithmarscher
Bauern hinter der Kirche hervortreten, bewaffnet mit
Sensen, Hauen und Dreschflegeln, und aus ihrer Mitte
einer in grauen Hosen, blauer Weste und mit weißen
Hemdsärmeln wird herzutreten und wird dem König
auf die Schulter klopfen und wird sprechen: Herr
König, Er hat uns die Freiheit genommen, doch sei Er
nur gutes Mutes und besteige wieder sein Pferd, wir
wollen Ihm doch beistehen. Da wird der König sich
erheben und seine Leute sammeln, die Bauern aber
werden den Feind aufhalten, und nach neuer blutiger
Schlacht wird dann ein langer Friede ins Land kom-
men.
So stand auch bei Süderhadstede zu den Zeiten der
Freiheit auf einem schönen runden Raum eine uralte
Linde, die ward der Wunderbaum geheißen im ganzen
Marschlande. Ihre Höhe übertraf die aller andern
Bäume ringsumher, ihre Zweige standen alle kreuzweis,
ihresgleichen war nirgends zu finden. Jahr auf
Jahr ergrünte sie frisch, trotz ihres hohen Alters, und
die Rede ging, solange des Landes Freiheit blühe und
grüne, werde auch der Wunderbaum also fortbestehen.
Und so geschah es. Als der Dithmarschen Freiheit