«Und, Herr Bischof? Haben wir?»
«Aber nie und nimmer! Obwohl. Wir könnten vielleicht mit den für die Unregelmässigkeiten Verantwortlichen ins Geschäft kommen. Furdin! Finde heraus, was es mit diesen Munkeleien wirklich auf sich hat, und erstatte mir Bericht. Nun geh!» Und damit wurde Furdin, der beste Spion des Bischofs, zum Auskundschaften über den Rhein geschickt. Der junge Mann lief also zügig auf einem recht ausgetretenen Weg zur Anlegestelle Rinegge hinüber, um dort in eine Nussschale einzusteigen, die ihn auf die andere Flussseite nach Gaissau hinüberbefördern würde. Die Überfahrt war eine wackelige und gischtige Angelegenheit. Zuerst wurde der Einmaster vom Ufer aus an einer Leine, die am Mast befestigt war, von einem Pferdeknecht mit seinem kräftigen Tier stromaufwärts getreidelt, bis er ein rechtes Stück oberhalb vom gegenüberliegenden Gaissau die Leine losband, damit der Bootsführer über den Rhein rudern konnte, wobei sie wieder stromabwärts fielen, um dann gekonnt am Ziel anzulanden. Furdin war froh, als er am Anlegesteg Gaissau von Bord gehen durfte. Das Rheindelta war eine weite, von Wasserweglein durchzogene Fläche, die mehr Vögel beherbergte als sonst etwas. Furdin schauderte es ein bisschen bei dem Gedanken, sich in diesem schwammigen Morast zu verlaufen und darum hielt er sich genau an den Fusspfad, der entlang des kurvigen Alpenrheins verlief. Er wanderte also bedächtig von Gaissau nach Höchst und trotz seiner immer feuchter werdenden Schuhe spürte er langsam diese friedliche Ruhe, die hier im Sumpf alles beherrschte und alle Töne einsog, die nicht hierher gehörten. Das Band des Rheins zu seiner Rechten, glitzernde Grasbüschel zu seiner Linken, im Ohr nur das emsige Musizieren der Vogelkolonien, vergass Furdin, wichtiger Beauftragter des Bistums Konstanz, für einen Augenblick oder etwas länger seine Hörigkeit und fühlte sich vollkommen frei.
7
Als Trude, Kräuterfrau und Zauberkundige aus dem Arboner Forst, durch das niedrige Tor des Klosters Münsterlingen am Bodensee schritt, hörte sie schon von Weitem zwei Frauenstimmen, die sich eindeutig stritten.
«Die Wolldecken sind nun mal nicht in dieser Truhe, Helwi!», schimpfte die ältere Stimme.
«Was nicht heisst, dass ich sie nicht ordentlich reingetan hätte! Und zwar gestern schon, Krätzhilde!», empörte sich die jüngere.
«Ich habe mir erlaubt, eine rauszuholen. Diese Nacht war es bitterkalt im Gästeraum», mischte sich ein alter Pilger ein.
«Hier fehlen aber alle Decken», schimpfte Krätzhilde, die Hospitalarin, weiter.
«Die anderen haben auch gefroren!», wurde der alte Pilger langsam grantig.
«Ihr hattet doch schon je eine Wolldecke auf jedem Strohsack», wunderte sich die Laienschwester Helwi.
«Ja, ja. Und das reichte eben nicht», beharrte der fünfundsechzig Lenze Zählende.
«Wir haben Juni», wunderte sich Helwi immer noch.
«So ein junges Ding wie du friert in dieser Jahreszeit natürlich nicht mehr. Doch wir Alten brauchen mehr Wärme. So ist das. Und jetzt gehe ich ins Refektorium eine hoffentlich heisse Suppe essen.» Und weg war das verfrorene Männlein.
«Habt ihr schon wieder gestritten, ihr beiden?», rügte Äbtissin Dagoberta, die sich vom Lärm hatte anziehen lassen, in ihrer sanften Art.
«Dagoberta!», rief die in den Klostergang hereinkommende Trude ihrer langjährigen Freundin zu und umarmte sie herzlich. «Ihr tönt bis vors Tor hinaus», schmunzelte sie in Richtung Helwi und Krätzhilde.
«Die beiden werden wohl nie einen ruhigen Tag zusammen verbringen», seufzte die Äbtissin.
«Seht mal, was ich gestern vor der Kirche Sankt Mangen gefunden habe. Auf dem Boden», zog Trude ein Schmuckstück aus ihrem Beutel hervor.
«Oh, ist das schön!», nahm es Helwi sofort in die Hand und strich ein paarmal mit den Fingern über die feine Intaglioarbeit. Alle vier beugten ihre Nasen über Helwis Hand und bestaunten das Kleinod ausgiebig.
«Das ist eine Gemme», benannte Krätzhilde den kleinen Anhänger, der an einem dünnen Lederbändel befestigt war.
«Aus Blutstein», ergänzte Dagoberta.
«Schwarz mit roten Sprenkeln», fügte Helwi hinzu.
«Ist gut fürs Blut und gibt Kraft», wusste Trude zu erzählen.
«Kann ich die Gemme behalten?», bettelte die junge Laienschwester.
«Von mir aus», lachte die Kräuterfrau. «Ich habe keine Ahnung, wem diese fremdländische Kreation gehören könnte.»
«Könnte aus dem alten Rom stammen. Ich glaube, das ist die Göttin Venus. Mit ihrer Muschel. Ich hab so eine Abbildung mal in einem Buch gesehen», war sich die Äbtissin ganz sicher.
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