Voller Misstrauen geliebt. Lara Greystone. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lara Greystone
Издательство: Bookwire
Серия: Unsterblich geliebt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742772114
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zum anderen aber auch die Details im Auge.

      Nach getaner Arbeit bot Walter sich ihm als Blutspender an, wofür ihm Quint sehr dankbar war.

      Während er seinen Durst stillte, fragte er sich, ob der Junge seinen Hunger wohl auch hatte stillen können – ohne dabei zu töten – und ob er einen weiteren Tag überstehen würde.

      Er musste ihn so schnell wie möglich finden, sonst wäre es zu spät.

      Kapitel 11

      Am nächsten Tag saß Quint in Elias Büro. Elia hatte ihm einen Schreibtisch neben seinem Arbeitsplatz mit zwei Bildschirmen aufgebaut, an denen er jeweils vier der unzähligen Kameras auf dem Grundstück anwählen konnte. So würde er ab jetzt Jo überwachen, solange es ihm die Sonne unmöglich machte, ins Freie zu gehen.

      Sie arbeitete unermüdlich und wirkte während ihrer Arbeit sehr zufrieden. Nur ab und zu richtete sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf, fasste an ihren Rücken und schluckte mitunter Tabletten. Es waren die von gestern. Eine davon hatte er Jo unbemerkt gestohlen, schließlich konnte die Medikamentenschachtel ja von ihr vertauscht worden sein. Ambi hatte jedoch bestätigt, dass der Inhalt zur Aufschrift passte, und Alva, dass es ein übliches Mittel gegen Schmerzen war. Er fragte gleich noch nach der Dosierung und stellte im Laufe des Tages fest, dass Jo bereits die Höchstdosis genommen hatte, und das allein schon, während er zusah. Schluckte sie vielleicht noch mehr vor Arbeitsbeginn oder nach Feierabend?

      Er suchte Alva ein zweites Mal auf und erzählte ihr von seiner Beobachtung.

      „Quint, du darfst nicht vergessen, diese Gärtnerin ist ein normaler Mensch. Ihre Zellen erneuern sich nicht wie die der Frauen hier im Hauptquartier. Unsere Männer schenken uns immer wieder ihr Vampirblut, das lässt uns gesund und jung bleiben. Diese Gärtnerin hingegen hat einen schweren Job und es kann gut sein, dass die Belastung an ihren Wirbeln und Bandscheiben bereits dauerhaften Schaden hinterlassen hat.“

      „Das einfache Volk im Mittelalter musste auch hart arbeiten“, widersprach er.

      „Ja, das stimmt, aber sie wurden auch nicht so alt wie die Menschen von heute, deshalb sind viele der heutigen Verschleißerscheinungen gar nicht aufgetreten. Überleg mal: Sobald die Mädchen zu Frauen wurden, heirateten sie und bekamen sofort Kinder. Zwanzig Jahre später waren ihre Kinder erwachsen und sie selbst schon bald tot. – Ich gebe dir für unsere Gärtnerin stärkere Retard-Kapseln, mit einem anderen Wirkstoff, damit kann sie nachts schmerzfrei schlafen.“

      Würde Jo heute Nacht sonst vor Schmerzen nicht schlafen können? So weit hatte er gar nicht gedacht.

      War es möglich, dass ihm die Welt der Menschen und ihre Bedürfnisse so fremd geworden waren?

      Die Ärztin warf ihm einen kurzen, einschätzenden Blick zu und erklärte ebenso emotionslos wie zuvor: „Kaum dass der menschliche Körper aufgeblüht und zu seiner vollen Reife gelangt ist, beginnt er wieder abzubauen. Das ist der Lauf des Lebens, Quint.“

      Seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Dass Alva diese unumstößliche Tatsache ohne jegliches Mitgefühl erzählte, störte ihn gewaltig. Warum, wusste er auch nicht. Ohne es zu steuern, drang ein dunkles Knurren aus seiner Kehle.

      „Alva, du bist ganz schön …“, begann er.

      „Kalt? Nein, Quint, ich bin professionell – geworden. Kannst du dir vorstellen, wie viele Menschen ich in fast 700 Jahren sterben gesehen habe? Mütter, die sieben weinende Kinder zurückließen. Männer, durch deren Tod ihren Frauen und Kindern der Hungertod drohte. Und das immer in dem Wissen, dass Vampirblut alles heilen würde. Gerade im Moment behandle ich das Kind unseres Immobilienmaklers Manuel Sánchez. Bei einem unverschuldeten Autounfall starben seine Frau und sein acht Monate alter Sohn. Nun liegt seine überlebende Tochter mit einer unheilbaren Stoffwechselkrankheit im Sterben und sein Geschäft geht bankrott, weil er an ihrem Krankenbett sitzt, anstatt sich um seine Auslandsimmobilien zu kümmern. Vinz und Elia haben diesen Monat jeder ein Ferienhaus bei ihm gekauft, damit er finanziell über Wasser bleibt.“

      „Es ist verboten, Vampirblut normalen Menschen zu schenken. Dafür steckt man den Vampir in den Turm und röstet ihn in der Sonne. Nur bei Symbiontinnen ist das erlaubt“, stellte Quint mit der gleichen Härte klar wie Alva zuvor. Er war eben ein Wächter, sie eine Ärztin – war das der Preis dafür?

      Die Gesetze waren eindeutig: Symbiontinnen, die in einer Gefährtenbeziehung mit einem Vampir lebten, durften nur von ihm Blut bekommen. Ganz selten kam es vor, dass Symbiontinnen, die nicht mit einem Vampir zusammen waren, Vampirblut erhielten. Das geschah, wenn es für ihr Überleben nötig war, denn es gab viel zu wenige von ihnen und die meisten wurden sowieso nie entdeckt.

      „Wag es nicht, mich zu belehren, Quint! Ich habe unsere Gesetze ständig vor Augen. Aber glaub mir, auch ich habe ein Herz in meiner Brust und manchmal …“

      Sie brach ab und das war gut so. Schließlich war er ein Wächter und jemanden, der gegen das Gesetz verstieß, musste er nun mal vor das Tribunal bringen.

      Das wäre seinem Bruder auch beinahe passiert. Ihr Vater William hatte Samuel davor gewarnt. Leider war William selbst Mitglied des Tribunals und ein paar Vampire hätten ihm aus Rache oder politischen Gründen nur allzu gern einen nicht angezeigten Gesetzesverstoß in der eigenen Familie zur Last gelegt.

      Samuel hatte eine offizielle Verwarnung vom Tribunal erhalten, ausgehändigt von seinem eigenen Vater.

      Da eines ihrer obersten Gesetze darin bestand, das Geheimnis ihrer Art zu wahren, wurden intensive Beziehungen oder gar das Zusammenleben mit einer Frau, die keine Symbiontin war, nicht toleriert.

      Kam so etwas heraus, wurde in der Regel das Gedächtnis der menschlichen Partnerin radikal gelöscht und der Vampir bis zum Lebensende der Frau verbannt.

      Aus diesem Grund hatte Samuel von seiner Freundin nicht das kleinste Detail preisgegeben, noch nicht mal ihren Vornamen. Sein Bruder hatte diese Frau wohl als seine Gefährtin betrachtet, obwohl sie gar keine Symbiontin war - dabei konnte ein Vampir nur mit einer Symbiontin eine wirklich tiefe Beziehung eingehen. Samuel hatte seinem Vater geschworen, ihr nichts über die Familie, irgendwelche Namen, Zusammenhänge der Vampirgesellschaft oder andere Informationen weitergegeben zu haben. Doch sein Bruder hatte durchblicken lassen, dass seine Freundin um seine Vampirnatur wusste. Das ließ sich in einer engen Beziehung auf Dauer eben nicht verheimlichen, deshalb gab es dieses eiserne Gesetz ja. Selbst John, ein Wächter aus ihren eigenen Reihen, war nicht davor verschont worden, vom Tribunal deswegen verurteilt zu werden.

      Nach der Verwarnung vom Tribunal hatte Samuel heimlich all seine Konten geleert, seine Sachen gepackt und das Haus, und vermutlich sogar das Land verlassen.

      In seinem Abschiedsbrief hieß es: „Sie ist ganz allein und hat nur noch mich. Ich liebe sie und werde bis zum letzten Atemzug bei ihr bleiben.“

      Und genauso war es schließlich auch gekommen. Wegen dieser Frau war Samuel in jener Nacht vor so vielen Jahren nicht durch seine übermenschliche Geschwindigkeit geflohen, sondern hatte bis zu seinem letzten Atemzug gekämpft, um sie vor den mörderischen Vampiren zu verteidigen. Die blutüberströmte Leiche seines Bruders hatte er später in den Armen gehalten und hasserfüllt einen Schuldigen gesucht: sich selbst, weil er zu spät gekommen war, die Gesetzlosen und natürlich diese Frau. Sie hatte ihm seinen Bruder weggenommen, dadurch später seinen Vater in den Tod getrieben und seine Mutter in Trauer und Einsamkeit gestürzt. Er selbst hatte es schließlich auch nicht mehr zu Hause ausgehalten und war fortgegangen. Seine Mutter hatte ihn immer mit ihren verweinten Augen angesehen, so als ob sie etwas ahnte. Er war zu spät gekommen, und wenn sie ausgesprochen hätte, dass er schuld am Tod seines Bruders war … Lieber vermied er den Kontakt mit ihr komplett, lieber las er erst gar nicht, was in ihren Briefen stand.

      Eine einzige Frau hatte dieses ganze Unglück angerichtet. Seitdem hasste er Frauen.

      Hätte sein Vater damals vielleicht mehr Herz zeigen, das Gesetz missachten und eine Ausnahme machen müssen? So wie es sich Alva als Ärztin anscheinend auch schon öfters gewünscht hatte?