Verschiedene Texte. Martin Luther. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Luther
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753184326
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als daß er sagt, Paulus habe einer einzelnen Kirche, nämlich den Korinthern, solches geschrieben und zugelassen, nicht aber der ganzen Kirche. Woher beweist er das? Aus seinem üblichen Schatzkämmerlein, nämlich aus seinem eigenen gottlosen Kopf. Wenn die ganze Kirche diesen Brief als für sie geschrieben auffaßt, liest und ihm in allem folgt, warum dann nicht auch in diesem Stück? Denn wenn wir zugeben, daß ein Brief des Paulus oder eine einzige Stelle daraus sich nicht an die Gesamtkirche wendet, so ist die ganze Vollmacht des Paulus erledigt. Denn die Korinther werden sagen: was Paulus (im Brief an) die Römer vom Glauben lehrt, gehe sie nichts an. Was kann wohl Gotteslästerlicheres oder Unsinnigeres erdacht werden als dieser Unsinn? Das sei ferne, das sei ferne, daß es auch nur einen einzigen Buchstaben im ganzen Paulus gibt, den nicht die ganze allgemeine Kirche befolgen und bewahren sollte! Diese Meinung haben auch unsere Vorfahren nicht gehabt bis auf diese gefährlichen Zeiten, von denen Paulus geweissagt hat, daß Gotteslästerer, Blinde und ganz Unverständige aufstehen würden. Einer von denen und deren vornehmster ist dieser Bruder.

      So komme ich zu dem Schluß: es ist gottlos und tyrannisch, den Laien das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu verwehren. Es steht auch nicht in der Macht eines Engels, geschweige denn des Papstes oder eines Konzils. Ich lasse mich dabei durch das Konzil zu Konstanz nicht beirren. Wenn dessen Autorität so viel bedeutet, warum gilt nicht das Konzil zu Basel genau so viel, welches das Gegenteil festsetzt? Die Böhmen dürfen beiderlei Gestalt empfangen, was mit vielem Disputieren dort erreicht wurde, wie die vorhandenen Konzilsakten ausweisen. Das führt nun dieser Schmeichler in seiner Unkenntnis an, um seine Hirngespinste zu beweisen. So weise verfährt er in allen Dingen!

      Das ist die erste Gefangenschaft dieses Sakraments. Sie erstreckt sich auf dessen Substanz und Ganzheit, die uns die römische Tyrannei genommen hat. Nicht, daß die gegen Christus sündigen, die (das Abendmahl in) einer Gestalt gebrauchen. Denn Christus hat nicht geboten, (das Abendmahl in) einer Gestalt zu gebrauchen, sondern hat das dem Willen jedes einzelnen anheimgestellt und gesagt: ›So oft ihrs tut, so tut das zu meinem Gedächtnis.‹ Aber die sündigen, die verbieten, daß (das Abendmahl in) beiderlei Gestalt denen gegeben werde, die es freiwillig so nehmen wollen. Die Schuld liegt nicht bei den Laien, sondern bei den Priestern. Das Sakrament gehört nicht zu den Priestern, sondern allen. So sind auch die Priester nicht Herren darüber, sondern Diener, die beiderlei Gestalt denen geben sollen, die und so oft sie es begehren. Wenn sie den Laien dieses Recht entziehen und mit Gewalt abschlagen, so sind sie Tyrannen, und die Laien sind ohne Schuld, sei es daß sie (das Abendmahl) in einer oder in beiderlei Gestalt verlieren. Sie müssen einstweilen im Glauben und dem Verlangen nach dem ganzen Sakrament bewahrt bleiben. Ebenso sind sie als Diener schuldig, dem die Taufe und Absolution zu geben, der sie begehrt, als einem, der ein Recht darauf hat. Wenn sie es aber nicht geben, so hat sie dann der sie Begehrende im Glauben vollkommen, erlangt, und sie werden vor Christus als unnütze Knechte angeklagt werden. (Das ist dann) so wie die heiligen Väter vor Zeiten in der Wüste in all den Jahren das Sakrament unter keinerlei Gestalt empfangen haben.

      Deshalb gehe ich nicht so weit, daß (das Abendmahl) mit Gewalt in beiderlei Gestalt genommen werden müßte, als ob wir nach der Notwendigkeit des Gebots zu dieser Form des Abendmahls gezwungen wären. Sondern ich unterweise das Gewissen, daß ein jeder die römische Tyrannei leide und wisse, daß ihm wegen seiner Sünde sein volles Recht im Sakrament mit Gewalt genommen ist. Allein das will ich, daß niemand die römische Tyrannei rechtfertige, als ob sie recht getan hätte, wenn sie den Laien eine Gestalt verbietet, sondern daß wir sie verfluchen und ihr nicht zustimmen. Trotzdem sollen wir sie ertragen, nicht anders, als wären wir beim Türken gefangen, bei dem wir gar keine Gestalt gebrauchen dürften. Das ist es, was ich gesagt habe: ich fände es schön, wenn durch den Beschluß eines allgemeinen Konzils solche Gefangenschaft aufgehoben und uns die christliche Freiheit aus den Händen des römischen Tyrannen wiedergegeben und einem jeden sein Wille, es zu begehren und zu gebrauchen, gelassen würde, wie es bei der Taufe und Buße geschieht Aber jetzt zwingt er uns Jahr für Jahr mit gleicher Tyrannei, eine Gestalt zu empfangen. So ganz ist die Freiheit erloschen, die uns von Christus gegeben ist, so hat er unsere abgrundtiefe Verachtung verdient.

      Die zweite Gefangenschaft dieses Sakramentes ist nicht (ganz) so schlimm, soweit es das Gewissen betrifft. Aber es ist überaus gefährlich, daran zu rühren, geschweige sie zu verdammen. Hier werde ich ein Wiklifit und unter unzähligen Bezeichnungen zum Ketzer werden. Was denn? Nachdem der römische Bischof aufgehört hat, ein Bischof zu sein, und ein Tyrann geworden ist, fürchte ich mich gar nicht vor seinen sämtlichen Dekreten. Denn ich weiß, daß es nicht in seiner Gewalt steht, auch nicht in der eines allgemeinen Konzils, neue Glaubensartikel aufzustellen. Als ich die scholastische Theologie in mich aufnahm, gab mir Pierre d'Ailly Anlaß zum Nachdenken. Beim vierten Buch der ›Sentenzen‹ disputiert er überaus scharfsinnig, es sei viel glaubwürdiger und man brauchte viel weniger dieser überflüssigen Wunder vorauszusetzen, wenn man glaubte, auf dem Altar wären wahres Brot und wahrer Wein und nicht allein die bloßen Akzidenzien – wenn nicht die Kirche das Gegenteil festgesetzt hätte. Als ich danach sah, was für eine Kirche das ist, die solches bestimmt, nämlich die thomistische, das heißt die des Aristoteles, da bin ich beherzter geworden. Wenn ich zuerst auch im Zweifel war, so habe ich schließlich mein Gewissen doch in der ersten Auffassung befestigt: es ist wahres Brot und wahrer Wein, in welchen das wahre Fleisch und das wahre Blut Christi nicht anders und nicht weniger ist, als jene es ihren Akzidenzien zuschreiben. Das habe ich getan, weil ich sah, daß die Meinungen der Thomisten, ob sie nun vom Papst oder einem Konzil bestätigt sind, dennoch eben nur Meinungen bleiben und nicht zu Glaubensartikeln werden würden, auch wenn ein Engel vom Himmel etwas anderes verordnete. Denn was ohne Schriftgrundlage oder ohne erwiesene Offenbarung gesagt wird, mag wohl als eine Meinung hingehen, muß aber nicht notwendig geglaubt werden. Diese Meinung des Thomas aber ist ohne Schriftgrundlage wie ohne Vernunftbegründung und so ungesichert, daß ich meine, er habe weder seine Philosophie noch seine Dialektik verstanden. Denn Aristoteles redet weit anders von den Akzidenzien und von ihrem Subjekt, als der heilige Thomas, so daß es mir für einen so gelehrten Mann bedauerlich erscheint, daß er seine Ansichten in Glaubenssachen nicht allein aus Aristoteles überliefert, sondern versucht hat, auf dem, den er nicht verstanden hat, etwas aufzubauen. Ein unglückseliger Bau auf einem unglückseligen Fundament!

      Ich habe also nichts dagegen: Wer will, mag beiderlei Ansichten beibehalten. Darauf allein kommt es mir jetzt an, daß ich die Gewissenszweifel aus dem Wege räume. Niemand soll sich fürchten, der Ketzerei schuldig zu sein, wenn er glaubt, daß auf dem Altar wahres Brot und wahrer Wein sind. Sondern er soll wissen, daß es ihm ohne Gefahr für seine Seligkeit freisteht, sich eins von beiden vorzustellen, zu meinen und zu glauben, weil hier eben keine Glaubensnotwendigkeit vorliegt. Jedoch will ich jetzt meine Auffassung weiter verfolgen. Erstens will ich die nicht hören, auch nicht im geringsten achten, die da schreien werden, das sei wiklifitisch, hussitisch, ketzerisch und gegen den Beschluß der Kirche. Denn das tun ja nur die, die ich im Ablaßstreit, in der Auseinandersetzung über den freien Willen und die Gnade Gottes, die guten Werke und die Sünde usw. auf mancherlei Weise als Ketzer überführt habe. Wenn nämlich Wiklif einmal Ketzer gewesen ist, dann sind sie zehnmal Ketzer und es wäre fein, von den Ketzern und törichten Sophisten getadelt und gescholten zu werden; ihnen aber zu gefallen, ist die größte Gottlosigkeit Außerdem können sie ihre Ansichten nicht anders beweisen und die ihnen entgegengesetzten Auffassungen können sie nicht anders zurückweisen, als daß sie sagen: das ist wiklifitisch, hussitisch, ketzerisch. Denn diese faule Rede haben sie stets im Maule und anderes nicht. Verlangt man von ihnen einen Schriftbeweis, so sagen sie: Wir sind dieser Meinung, und die Kirche (d. h. wir selbst) hat es so beschlossen. So wagt es diese in bezug auf den Glauben verworfene und unglaubwürdige Gesellschaft, uns unter Berufung auf die Kirche ihre Phantasien als Glaubensartikel vorzusetzen!

      Ich habe aber für meine Auffassung eine starke Begründung, vor allem diese: den göttlichen Worten darf keine Gewalt angetan werden, weder durch einen Menschen noch durch einen Engel, sondern sie sollen – soweit wie nur möglich – in der allereinfachsten Bedeutung genommen werden. Und wo uns nicht ein eindeutiger Umstand zwingt, sollen sie in ihrer wörtlichen und eigentlichen Bedeutung aufgefaßt werden, damit man den Gegnern keine Gelegenheit bietet, mit der ganzen Schrift ihr Spiel zu treiben. So auch hier: weil die Evangelisten klar schreiben, daß Christus das Brot genommen und gesegnet habe, und weil die Apostelgeschichte und der Apostel