Rona verschränkt die Arme vor der Brust. „Ich will keinen Bewacher, der mir wie ein Hund hinterherläuft.“
Und ich habe keine Lust, dir hinterherzulaufen, Süße …, denke ich angepisst. Wahrscheinlich geht sie den ganzen Tag shoppen, trifft sich mit ihren dümmlich kichernden Freundinnen und tratscht über unwichtige Dinge. Und ich muss mir das für ein ganzes Jahr anhören. Dagegen erscheinen mir Senator Blays Senatorentreffen fast schon wie ein Unterhaltungsprogramm.
„Rona … du tust, was ich sage, erst vor zwei Wochen sind Lost Ones aus den Sperrzonen in das Senatorenviertel eingedrungen. Sie haben Geschäfte geplündert und jeden überfallen und ausgeraubt, der ihnen über den Weg lief. Wir haben nicht genug Soldaten, um das Viertel zu sichern.“
Senator Blay wendet sich an mich. „Egal, was sie sagt … du weichst ihr nicht von der Seite! Du bist nur mir Rechenschaft schuldig! Wenn meiner Tochter etwas passiert, trägst du die Verantwortung, und dein Aufenthalt auf der Erde wird in lebenslänglich umgewandelt … und das wird vielleicht nicht lange sein, bei dem Zustand der letzten Klimaparks.“
„Ich verstehe, Senator, Blay ...“, antworte ich – wenn dieser verwöhnten Zicke im nächsten Jahr auch nur ein Haar gekrümmt wird, bezahle ich dafür einen hohen Preis. Und das bedeutet für mich nur eines – ich werde an ihrem Hintern kleben, wie eine Magnetfessel!
„Rona, zeig Bird, wo sein Zimmer ist. Ich rufe Dr. Binger an wegen der Spritze.“
Er bedenkt mich und dann seine Tochter mit einem forschenden Blick, und ich beginne zu verstehen, warum er mir diese chemische Kastration verpassen will … ich und seine Tochter?! Die Wahrscheinlichkeit dafür ist so groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Crawler auf die Erde verirrt!
„Komm mit ...“, sagt Rona und versucht gar nicht erst, zu verbergen, dass sie mich am liebsten gleich wieder ins nächste Shuttle nach Terra Alpha setzen würde.
Du mich auch, Schätzchen …, denke ich und folge ihr.
Rona
Womit habe ich das verdient?! Jetzt habe ich diesen blonden Trooper am Hals, der mich überwachen soll. Bodyguard?! Dass ich nicht lache! Meinem Vater geht es einzig und allein darum, mich zu kontrollieren. So ist er einfach – kontrollsüchtig und bestimmend. Auf diese Art hat er meine Mutter vertrieben. Ich kann es ihr nicht einmal verdenken, dass sie nach meiner Geburt in die Arme eines anderen Mannes geflüchtet ist. Aber was ich ihr nicht verzeihen kann, ist, dass sie mich nicht mitgenommen hat. Ich konnte nicht weglaufen. Ich war zu klein … und mein Vater hat dafür gesorgt, dass ich von ihm abhängig bin. Ich bin eine Rückversicherung für ihn. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, mich möglichst vorteilhaft zu verheiraten – vorteilhaft für ihn versteht sich.
Seit ich denken kann, fühle ich mich wie eine Gefangene … und jetzt hat mein Vater endlich das geeignete Mittel gefunden, mir den letzten Rest Freiheit zu nehmen – durch Bird! Was für ein bescheuerter Name! Wenn ich Bird nicht so hassen würde, hätte ich ihn gefragt, welcher Idiot ihm diesen Namen verpasst hat ...
„Das hier ist dein Zimmer ...“, sage ich kurz angebunden, weil die Tatsache, dass Daddy ihm ein Zimmer direkt neben meinem gegeben hat, ein weiter Grund ist, Bird zu meinem Intimfeind zu erklären. Dass mein Vater gleich unseren Hausarzt kommen lässt, um Bird eine chemische Kastration zu verpassen, sieht ihm ähnlich. Als ob ich Bird auch nur in Erwägung ziehen würde! Wobei man natürlich bei einem Trooper nie weiß, wen er in Erwägung zieht. Aber diese Schwäche der Trooper Genetik werde ich mir zu nutzen machen. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass Bird nur ein Placebo bekommt. Dr. Binger ist bestechlich. Ich besteche ihn schon seit drei Jahren, damit er mein Verhütungsimplantat erneuert. Wenn es nach meinem Vater ginge, habe ich keinen Sex, bevor er nicht einen passenden Ehemann für mich gefunden hat. Deshalb ist er der Meinung, dass ich kein Verhütungsimplantat brauche. Ich war schlau genug, ihn gar nicht erst danach zu fragen ...
Auf jeden Fall habe ich meine eigenen Pläne für Bird. Nicht, dass ich ihn in meinem Bett will – Gott bewahre! Aber wenn Bird aufgrund seiner Libido unaufmerksam ist, werde ich ihn vielleicht los. Mir ist jedes Mittel recht, mir ein kleines Stück Freiheit zurückzuerkämpfen. Blöd für Bird, aber in diesem Krieg stehe ich auf meiner eigenen Seite.
„Hör zu ...“, sage ich, bevor ich Bird vor seinem Zimmer stehen lasse. „Komm mir nicht in die Quere … ich nehme an, du willst nicht auf der Erde verrotten ...“
Er sieht mich an, und einen Augenblick erwarte ich, dass er mir ins Gesicht sagt, was er von mir hält. Ich weiß, dass er mich nicht mag. Als ich das Arbeitszimmer meines Vaters betreten habe, hat er es einen Augenblick nicht verbergen können. Gut! Das beruht auf Gegenseitigkeit, und je eher wir die Fronten klären, desto besser. „Lass mich in Ruhe, dann lasse ich dich in Ruhe!“
„Das kann ich nicht, du hast deinen Vater gehört ...“, ringt Bird sich zu einer Antwort durch.
„Deine Entscheidung ...“, sage ich ruhig, und weiß im gleichen Augenblick, dass wir uns soeben gegenseitig den Krieg erklärt haben …
2.
Bird
Ich würde Rona am liebsten meine Gabel in die Hand rammen, während sie in ihrem Rührei herumstochert. Zwei Tage laufe ich hinter ihr her, folge ihr auf Schritt und Tritt … und ich kann an nichts anderes denken, als ihr den Hals umzudrehen. Ist das die Strafe dafür, dass ich Raven im Dschungel zurückgelassen habe? Heißt mein persönliches Märtyrium Rona?! Hätte ich damals bei dem Außeneinsatz geahnt, dass eine verwöhnte Senatorentochter meine Strafe sein würde – ich hätte Raven persönlich auf Händen durch den Dschungel getragen! Ich fange an zu ahnen, dass dieses Jahr die Hölle werden wird … unlösbar an Rona gekettet, jeden Tag den gleichen Albtraum erlebend - Rona und ihren Freundinnen auf ihren Shopping Touren hinterherzulaufen. Genau das ist es, was ich tue! Natürlich darf ich dabei nicht nur Ronas Tüten tragen, sondern auch die ihrer Freundinnen. Ich weiß, dass Rona daran arbeitet, mich zu zermürben. Sie will, dass ich einen Fehler mache, damit sie mich loswird. Im Grunde genommen hätte ich gar nichts dagegen – aber die Tatsache, dass mir ein Fehler lebenslänglich auf der Erde einbringt, lässt mich wachsam bleiben. Sogar die Tatsache, dass dieser Arzt mir eine chemische Kastration verpasst hat, erscheint mir erträglich im Vergleich zu Ronas Anwesenheit – ganz zu schweigen von ihrem aufdringlichen Parfum, das jeden natürlichen Geruch im Umkreis von zehn Metern um sie herum überdeckt! Rona und ich sind wie Raubtiere, die sich umkreisen und nach der Schwachstelle des anderen suchen. Leider hat sie dabei eindeutig die besseren Karten. Aber ich will zurück nach Terra Alpha ...
„Heute Abend gehe ich aus ...“, eröffnet Rona mir, und ich stöhne innerlich. Ich hatte mich schon gefragt, wann sie Cocktails mit Schirmchen trinken geht, denn das machen Senatorentöchter von der Erde fast täglich, wenn sie auf Terra Alpha sind. Ich kann die Wut der auf der Erde zurückgelassenen Verlierer verstehen. Ihre Teile der Stadt werden vergessen, die Geschäfte geschlossen, sie werden mehr schlecht als recht von United Solar mit Hilfslieferungen versorgt … ich bin ziemlich sicher, dass die Regierung diese Hilfslieferungen einstellen wird, sobald sie alle ihnen wichtigen Mitglieder der Gesellschaft von der Erde evakuiert hat. Die Hilfslieferungen sind ein Versuch, die verzweifelte und wütende Meute im Zaum zu halten. Die letzten arbeitenden Klimaparks werden noch eine Weile durchhalten, aber niemand wird sie instand setzen. Es ist ein Tod auf Raten, dem die Zurückgelassenen hier auf der Erde ausgesetzt sind. Vielleicht schafft es noch eine Generation, hier zu überleben, aber ihre Kinder haben schlechte Karten … Die Erde ist längst tot, aber in diesem Stadtteil, in dem sich die letzten Senatorenfamilien aufhalten, hat kein einziges Geschäft geschlossen ... keine Bar. Den letzten verbleibenden Regierungsmitgliedern und ihren Familien wird das Leben so bequem wie möglich gemacht, bevor auch sie ein Shuttle besteigen und die Erde hinter sich lassen. Das Senatorenviertel wird von Soldaten geschützt. Die von Draußen dürfen nicht rein, was sie aber nicht davon abhält es zu versuchen