Von der Unsterblichkeit der Seele. Platon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Platon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783752916362
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sind, nicht neue Schöpfungen, außer diesem ordnet Platon selbst alle andern Vorstellungen und näheren Bestimmungen unter jene Lehre als nicht gleichartiges noch von gleichem Grade der Gewißheit, sondern teils als anmutiges Gespräch und als Beschwörungen für das Kind in uns, welches törichterweise den Tod fürchtet, teils hat es überhaupt eine andere Beziehung. So zum Beispiel sind die wiederholten und immer vervollkommneten Erscheinungen der Seele im Leben des Leibes ganz gleichartig und gleichlaufend mit den verschiedenen Orten derselben auf der Erde, an deren einem sie auch deutlicher und minder getrübt sieht als an andern; aber was sie sieht sind doch immer nur die Dinge, und nicht im helleren Vorstellen deutlicherer Abdrücke der Ideen bewährt sich ihr höheres und wahrhaft unsterbliches Sein, sondern nur im Erkennen selbst. Daher dient beides wohl mehr dazu, das ganze Gebiet der Seele im Reiche des Werdens und des leiblichen Lebens zu verzeichnen, als die Unsterblichkeit selbst darzustellen oder näher zu bestimmen. Ja wer weiß, ob nicht der ganze Einwurf des Kebes, daß das Überdauern der Seele über viele Leiber noch nicht die Unsterblichkeit beweise, der etwas hart und unerwartet an den Simmias, den Schüler des Philolaos gerichtet wird, verdeckterweise gegen die Pythagoreer gemeint ist, welche glaubten in der Seelenwanderung die Unsterblichkeit dargestellt zu haben, und daher, worüber auch früher geklagt wird, nichts genaueres über diese lehrten. Nur lasse sich niemand etwa hiedurch und durch die Harmonia verführen, zu glauben, daß vielleicht auch Simmias seine Einwendung, daß die Seele wohl nur Stimmung des im Körper gegebenen sein könne, gleichsam im Namen der Pythagoreer vortrage. Vielmehr waren diese wohl darin ganz einig mit Platon, daß nur die Tugend und das Laster als Stimmung der Seele selbst könne angesehen werden, und die Einwendung ist vielmehr ganz im Geiste des strengen atomistischen Systems, dem sich aber freilich von dieser Seite Empedokles nicht wenig nähert, so daß sich schwerlich möchte entscheiden lassen, wem namentlich die Einkleidung des Gedankens abgeborgt oder angepaßt ist. Und wem die Beantwortung teilweise wenigstens unklar und ungenügend scheint, der übersehe nur nicht, daß sie sich auf den schon an mehreren Orten angeregten Unterschied bezieht zwischen den Begriffen, welche dem mehr und weniger unterworfen sind, und denen, welche ein eigenes Sein ausdrückend auch ihr Maß in sich selbst haben; denn hieraus läßt sich wohl finden, obgleich es nicht ganz in unserer Art ist die Sache zu sehen, wiefern die Stimmung wohl sich unter jene setzen lasse, die Seele aber nur unter diese.

      Ungerechnet nun diese allgemeine Beziehung auf die bisherigen Gespräche vermöge der Verbindung zwischen der Lehre von der Erkenntnis und der von der Unsterblichkeit, fehlt es auch nicht an anderen mehr oder minder mit jenem durchgreifenden Hauptpunkt zusammenhängenden Rückweisungen auf anderes frühere. So erinnert zum Beispiel außer jener Anführung auch dasjenige noch an eine Stelle im »Menon«, was hier von der gemeinen und bürgerlichen Tugend gesagt wird, und es scheint, Platon habe hier zeigen gewollt, daß diese niedere Art der Tugend, eigentlich nur ein Schattenbild der wahren, auch stattfinden könne, ohne daß selbst eine eigene richtige Vorstellung dabei zum Grunde liegt; und jene Ansicht im »Staatsmann« von den natürlichen Anlagen, welche die eine zu dieser, die andere zu jener Tugend führen, bildet gleichsam den Übergang zwischen beiden. So auch wo von der wahren Tugend die Rede ist, und sie als Vernünftigkeit beschrieben wird, setzt die Art, wie auf den »Protagoras« Rücksicht genommen und noch einmal jeder Mißverstand der dortigen Dialektik beseitiget wird, eigentlich alle dazwischenliegenden Untersuchungen voraus. Denn nun erst können wir wissen, was doch notwendig dazu gehört, daß das Abschätzen verschiedener Lustgrade gegen einander keine Erkenntnis sein kann. Ferner die Abkunft der Geborenwerdenden aus den Toten, die hier aus einem Naturgesetz alles Werdenden allgemein abgeleitet wird, haben wir im »Staatsmann« schon in einer mythischen Darstellung gehabt, die sich wohl einem Jeden als die frühere wird zu erkennen geben. So ist auch ebendaselbst schon der erste Grund gelegt zu der höchsten Erweiterung und allgemeinsten Behandlung des Begriffs der Seele, indem gesagt ist, daß auch Himmel und Erde der Natur des Leibes teilhaftig sind, zu dem es ja auf diese Weise notwendig auch eine Seele geben muß, so daß auch von dieser Seite angesehn der »Phaidon« näher vorbereitend und bestimmend zwischen jenes Werk und den »Timaios« tritt. Eben so wenn man genau betrachtet, was hier von der Lust gesagt wird, kann man kaum glauben, es sei früher als das im »Gorgias« abgehandelte, so sehr ist es leidenschaftloser hingestellt und aus einer tieferen Anschauung geschöpft; wohl aber wird es jeder für früher erkennen, als den »Philebos«, der erst die ausgeführte Darstellung des Angenehmen von dieser Seite enthält; ja es scheint fast, als ob Platon hier habe darauf vorbereiten gewollt, daß dieser Gegenstand noch einmal müsse abgehandelt werden, und zwar reifer, ruhiger, mit mehr Berücksichtigung der Natur. Für jeden aber, der vom »Phaidon« aus auf die bisher mitgeteilten Werke umherschaut, wird wohl am meisten Reiz haben die Vergleichung desselben mit dem »Phaidros«, wegen der mannigfaltigen Berührungspunkte zwischen beiden. Und vielleicht wird es den meisten so gehn, daß wenn sie den »Phaidon« schon eine Weile hinter sich haben, und sie sich dann den »Phaidros« dicht vors Auge halten, sie einzelne Punkte in demselben finden werden, die ihnen dem »Phaidon« zu ähnlich scheinen, um einen großen Zwischenraum zwischen beiden zu gestatten, ja vielleicht manche, in denen sie noch mehr Vorschmack vom »Timaios« finden, und deshalb den »Phaidros« für später halten möchten als den »Phaidon«; woraus ich mir denn erkläre, wie auch diese Meinung Anhänger gefunden hat. Wer hingegen sich beide Werke in gleiche Entfernung stellt, und also das Ganze von beiden gleichförmig zu überschauen im Stande ist, der glaube ich wird sich wundern müssen, um wievieles doch der »Phaidon« sich vollendeter zeigt, weiser und eines reiferen Alters würdig, so daß er sich recht zum »Phaidros« verhält, wie der sterbende Sokrates zu jenem, der noch vieles zu lernen hofft von den Leuten auf dem Markte. Denn schon das mythische sogar, wieviel nüchterner ist es und besonnener! Hier ist nicht mehr die Rede von einem überhimmlischen Ort und von einem blinzelnden Schauen der Ideen, und kein Bedürfnis regt sich der trocken aufgestellten Unsichtbarkeit derselben durch ein mißdeutliches Bild nachzuhelfen; sondern es genügt, um den Kreislauf der Seele zu zeigen, an einer Darstellung der Erde, welche zwar auch auf Sagen der Dichter und der Weisen gebaut ist, aber doch auf späteren, mehr Ahndung von Wissenschaft enthaltenden. Ja wiewohl man nicht in jeder Einzelheit eine besondere Bedeutung suchen soll, würden wir doch demjenigen kaum abstimmen, welcher vermutete, was von Sokrates Behandlung der Aesopischen Fabeln gesagt wird, sei eine Rechtfertigung dafür, daß in den meisten Platonischen Mythen so wenig eigne Erfindung enthalten ist. Und wie viel gebildeter ist nicht im »Phaidon« das philosophische Talent, wieviel bestimmter tritt der Zusammenhang eigner Einsichten auf, wie wird hier, verglichen mit jener jugendlichen Freude an den ersten Elementen, über die philosophische Methode gesprochen aus langer Übung und vielseitiger Kenntnis, so daß gewiß leichter der junge Platon den Sokrates im »Phaidros« so jung konnte reden lassen, als im »Phaidon« so alt. Ja selbst wenn jemand annehmen will, Platon habe, als er den »Phaidros« schrieb, schon Kenntnis gehabt von Pythagoreischen Schriften, was uns jedoch noch immer keinesweges notwendig scheint; wie ganz anders wird von dieser Schule dort gehandelt, wo sie als eine ferne mythische Weisheit erscheint, und hier, wo Platon Hand anlegt um das unzulängliche in ihren Lehren zu ergänzen. Und nun der im »Phaidros« geführte Beweis für die Unsterblichkeit der Seele, wird wohl jemand glauben können, dieser sei noch eine annehmliche Zugabe nach allem was in unserem Gespräch über diesen Gegenstand darüber verhandelt ist? Und wird nicht vielmehr Jeder einsehn, Platon habe diesen Beweis bei Seite gestellt und gleichsam verläugnet, weil er sich nun gescheut, die Seele, wie er dort getan, Urgrund, oder Gott, welcher der wahre Urgrund ist, Seele zu nennen? Diejenigen also, welche den »Phaidon« gleich nach des Sokrates Tode, den »Phaidros« aber erst nach der Ägyptischen Reise geschrieben glauben, was können sie wohl außer dem in der Einleitung zum »Phaidros« schon besprochenen noch aufbringen, als etwa einerseits den großen Fund, wenn wir ihnen dieses nicht erst leihen, daß im »Phaidros« als Veranlasser von Reden Simmias deshalb über den Phaidros gesetzt werde, weil er die Reden im »Phaidon« veranlaßt habe, und andrerseits jene einzelnen Stellen im »Phaidros«, in denen doktrinelle Gegenstände mit einer größeren Bestimmtheit ausgesprochen werden, als der ersten Schrift zuzukommen scheint, und in denen Wörter vorkommen, welche Untersuchungen voraussetzen, die sich erst in anderen Gesprächen finden. Allein wie wenig jener Umstand gegen alles von uns aufgestellte besagen will, leuchtet wohl Jedem ein; und so auch kann jedem überlassen bleiben, sich selbst zu erklären, wie diese wenigen Stellen des »Phaidros« aus der dialektischen Tendenz desselben auch bei einem noch ganz unentwickelten Zustande der Platonischen Philosophie