Dieses Bild trifft allerdings im Wesentlichen nur auf den Kreis der entwickelten Industrieländer zu. Schaut man allerdings über die Grenzen der Industrieländer hinaus, ergibt sich in der heutigen Zeit bei weitem kein so einheitliches Bild mehr. Die Unterschiede sind zum Teil erheblich:
In Saudi Arabien ist es einer Frau bis heute nicht erlaubt, eine Fahrerlaubnis zu erwerben und damit ein Auto zu fahren (Im Jahr 2007 schaffte es die erste Frau, sie ließ sich vorher allerdings einer Geschlechtsumwandlung unterziehen).
Beim Stichwort Indien denkt man eher an Witwenverbrennung und daran, dass weiblicher Nachwuchs deutlich häufiger abgetrieben wird.
Der weltweit höchste Frauenanteil in einem Parlament ist nicht in einem führenden Industrieland anzutreffen, sondern in Ruanda. 44 der 80 Sitze im Parlament, also 55%, fielen im Jahr 2008 auf Frauen. Zum Vergleich – in Deutschland liegt der Frauenanteil im Bundestag bei etwa 32%.
Auch in heutiger Zeit ist sogar noch an verschiedenen Orten der Welt das Matriarchat anzutreffen. So z.B. bei den Mosu, einer nationalen Minderheit im Südwesten Chinas. Dies muss für den Mann nun bei weitem keine Gruselvorstellung sein: Bei den Mosu lebt der Mann in der Familie seiner Mutter. Frauen gründen einen eigenen Hausstand. Ist ihnen dann einmal nach körperlicher Nähe zum anderen Geschlecht, laden sie sich über Nacht einen Mann ein, der am Morgen aber wieder verschwunden sein muss.
Da es bei solcher Praxis nicht immer in letzter Instanz klar ist, wer der Erzeuger des Nachwuchses ist, gilt es in diesem Kulturkreis übrigens als ausgesprochen unhöflich, Kinder nach dem Namen ihres Vaters zu fragen.
Dem Arzt und Journalisten Ricardo Coler, welcher mehr als zwei Monate bei den Mosu lebte, scheint es dort gefallen zu haben: „Männer leben besser, wo die Frauen das Sagen haben: Du bist für fast nichts verantwortlich, du arbeitest viel weniger und du bist den ganzen Tag mit deinen Freunden zusammen. Jede Nacht
bist du mit einer anderen Frau zusammen. Und obendrein kannst du für immer bei deiner Mutter leben.“ (127)
Auch in der Kleinstadt Juchitán im Süden Mexikos herrscht noch das Matriarchat: Den Frauen gehört Grund und Boden, sie verwalten die Haushaltskasse und es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass sie Kinder von verschiedenen Männern haben. Allerdings werden hier die Zügel offensichtlich etwas straffer von den Damen gehalten, sofern man der Aussage eines lieber anonym bleibenden Vertreters des männlichen Geschlechts glauben darf: „Als Mann hast Du hier nichts zu bestellen. Wenn du mal einen trinken willst – frag vorher die Senora.“ (128)
Grundsätzlich gesehen hat das Matriarchat aus männlicher Sicht durchaus eine Reihe unbestreitbarer Vorzüge:
Sie werden nie zu Unterhaltszahlungen verdonnert werden.
Mama ist eh die Beste und die einzige Frau, die uns richtig versteht.
Ihnen wird niemals jemand vorwerfen, dass Sie sich nicht ausreichend um Ihre Kinder kümmern.
Ihre Frau wird Sie nie wegen Geld anpumpen oder Sie beim Sex mit der Forderung nach Gegenleistungen erpressen.
Und ganz so fern wie man nun meinen könnte, ist diese Konstellation auch in unseren Breiten nicht. Denken wir doch nur an die Mama-Söhnchen, die es sich auch im fortgeschrittenen Alter im Hotel „Mama“ bequem machen: Im Jahr 2007 lebten immer noch fast die Hälfte (46%) aller 24jährigen Männer im Haus ihrer Eltern. Mit 30 Jahren wohnten 14% und mit 40 Jahren immerhin noch 4% der Männer bei den Eltern. Von den 24jährigen Frauen wohnten hingegen nur noch 27% in ihrem Elternhaus. Mit 30 Jahren waren es lediglich 5% und mit 40 Jahren nur noch 1% der Frauen. (129)
Auch aus reproduktionssoziologischer Sicht sind Männer die Stubenhocker und Frauen die wahren Streuner. Laut den beiden amerikanischen Forschern Mark Seielstad (Havard) und Luca Cavalli-Sforza (Stanford) sind alle Frauen seit Eva auf der Suche nach Geschlechtspartnern insgesamt achtmal mehr umhergezogen als alle Männer seit Adam. Die Forscher konnten dies anhand der Verbreitung von bestimmten Abschnitten im Erbgut (die DNS der Mitochondrien welche nur von den Frauen an die Nachkommen weitergegeben werden bzw. die Y-Chromosomen, welche nur von den Männern an ihre Söhne weitervererbt werden), nachweisen. (130)
Auch die allerallerletzten Männerbastionen fallen Schritt für Schritt: Seit 2007 ist die Deutsche (!) Alexandra Hai, erste Frau, welche Touristen auf den Kanälen der Lagunenstadt Venedig befördert. Die Sache hat allerdings noch einen kleinen Schönheitsfehler: Sie darf nur die Gäste eines kleinen Hotels befördern und sich nicht offiziell als „Gondolieri“ bezeichnen, da sie bis jetzt viermal (!) durch die offizielle Fahrprüfung gerasselt ist (Entschuldigung: „Ich war einfach zu nervös“).
2007 fiel auch eine 500 Jahre währende Tradition in Groß Britannien. Die Schottin Moira Cameron darf seitdem als erste Frau den Tower of London gemeinsam mit 37 Beefeatern bewachen.
Einige andere vermeintliche Männerbastionen haben die Frauen allerdings schon vor erstaunlich langer Zeit erobert: Eine der ersten und bis heute bekanntesten Stierkämpferinnen war die peruanisch-portugiesische „Torera“ Conchita Cintrón (1922 – 2009), die bereits mit 13 Jahren das erste Mal in der Arena stand. Bei einem ihrer letzten Kämpfe, 1949 im spanischen Jáen, stieg sie zum Finale von ihrem Pferd ab und anstatt den Stier zu töten, lies sie mit einer dramatischen Geste ihren Degen fallen und berührte den an ihr vorbeitobenden Stier nur mit den Fingern im Nacken[20]. Das Publikum tobte. Conchita hingegen wurde beim Verlassen der Arena verhaftet, da für Frauen in Spanien zu dieser Zeit der Stierkampf zu Fuß verboten war. Orson Welles, ein bekennender Verehrer, äußerte sich einmal über sie: “Ihr Erfolg widerlegt jeden Mann, der jemals behauptet haben sollte, dass eine Frau etwas von ihrer Weiblichkeit verliert, wenn sie mit Männern konkurriert.“
Selbst eine der letzten Bastionen männlicher Vormacht - die katholische Kirche öffnet sich zunehmend gegenüber den Frauen: „Wir sind dabei, die Spitze der katholischen Kirche umzugestalten, es werden auch Frauen diese Spitzenstellungen besetzen.“ verkündete im Juli 2007 Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, immerhin die Nummer 2 im Vatikan nach dem Papst. (131) Teilweise ist die Öffnung der Kirche ein Gebot der Not: Aufgrund des in Galicien (Nordwestspanien) herrschenden akuten Priestermangels, müssen dort bereits oft Hausfrauen die Messe in den Kirchen lesen. Bis die Bildzeitung auf ihrer Titelseite einmal stolz vermelden kann „Wir sind Päpstin“ wird wohl aber noch einige Zeit ins Land gehen.
Auch im Fußball ist es mit der männlichen Vorherrschaft nicht mehr weit her:
Bereits im Jahr 1894 wurde zwar das erste britische Frauen-Fußballteam, der „British Ladies Football Club“ gegründet und ein Jahr später fand das erste offizielle weibliche Fußballspiel, England-Nord gegen England-Süd (7:1) statt, welches von immerhin 10.000 Zuschauern verfolgt wurde. In den darauffolgenden Jahrzehnten blieb es aber relativ ruhig um den Frauenfußball. In verschiedenen Ländern wurde er sogar zwischenzeitlich verboten. So war unter dem Motto „Diese Kampfsportart ist der Natur des Weibes im Wesentlichen fremd.“ Frauenfußball vom DFB noch in den Jahren 1955 - 1970 untersagt. Die Frauen hielten sich allerdings nicht daran. Mittlerweile wirbt der DFB für den Frauenfußball und die Schranken fallen:
Seit 2007 gestattet der Deutsche Fußballbund Freundschaftsspiele zwischen Frauen- und Herrenteams.
Bibiana Steinhaus ist die erste Schiedsrichterin, die seit 2007 auch im deutschen Männer-Profi-Fußball pfeifen darf.
Der DFB ist stolz darauf, dass Deutschland im Jahr 2011 die Frauen-Fußballweltmeisterschaft ausrichten durfte.
Nach dem erstmaligen Gewinn der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2003 durch unsere Frauen-Mannschaft wurde in den Medien sogar ernsthaft diskutiert, ob vielleicht bald die erste Frau in einer Männer-Profiliga mitspielen würde.