An den Unterschieden zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen verlieren sowohl die Staatsindustrie wie die Verbraucher, was das Bestehen einer dritten Partei beweist, die daran verdient. Diese gewinnende Partei ist der Privatkapitalist und damit der Kapitalismus überhaupt.
Die wirklichen Löhne standen im Jahre 1927 im besten Falle auf derselben Höhe wie im Herbst 1925. Aber es unterliegt keinem Zweifel, daß während der beiden dazwischen liegenden Jahre das Land reicher geworden ist, daß sich das allgemeine Nationaleinkommen vermehrt hat. Die Kulakkreise auf dem Lande haben ihre Lager mit riesiger Geschwindigkeit vergrößert. Die Bereicherung der Privatkapitalisten, der Kaufleute und Spekulanten wuchs sprunghaft. Es ist klar, daß der Anteil der arbeitenden Klasse an dem Gesamteinkommen des Landes gefallen ist, daß sich in derselben Zeit der Anteil der anderen Klassen vergrößert hat. Diese Tatsache ist von größter Wichtigkeit bei der Abschätzung unserer ganzen Lage.
Nur ein Mensch, der im Grunde seines Herzens glaubt, unsere Arbeiterklasse und unsere Partei seien überhaupt nicht fähig, die ihnen entgegenstehenden Schwierigkeiten und Gefahren zu überwinden, darf ein offenes Aufzeigen dieser Widersprüche in unserer Entwicklung und des Anwachsens dieser feindlichen Kräfte als »Panik« oder »Pessimismus« bezeichnen. Wir teilen diese Ansicht nicht. Es ist notwendig, den Gefahren ins Gesicht zu sehen. Wir zeigen sie so wie sie sind, um gegen sie in der richtigen Weise zu kämpfen und sie zu überwinden.
Ein gewisses Anwachsen der feindlichen Kräfte, der Kulaks, der Nepleute und der Bureaukraten, ist unvermeidlich unter der neuen Wirtschaftspolitik. Man kann diese Kräfte nicht einfach durch Verwaltungsbefehle oder durch wirtschaftlichen Druck zerstören. Indem wir die neue Privatwirtschaft, die Nep, schufen und ausbauten, ermöglichten wir einen gewissen Platz für kapitalistische Beziehungen in unserm Lande, und für eine lange, vor uns liegende Periode müssen wir diese als unvermeidlich ansehen. Lenin erinnerte uns einfach an eine nackte Wahrheit, die die Arbeiter wissen sollten, als er sagte: »Solange wir fortfahren, ein Kleinbauernland zu sein, ist in Rußland eine festere Basis für Kapitalismus als für Kommunismus. Daran müssen wir denken ... Wir haben den Kapitalismus nicht bei den Wurzeln ausgerissen und das Fundament und den Grundbau des inneren Feindes haben wir nicht unterminiert.«
Die unendlich wichtige soziale Tatsache, auf die hier Lenin hinweist, kann, wie wir schon gesagt haben, nicht einfach aus der Welt geschafft werden. Aber wir können sie überwinden, wir können sie bekämpfen durch eine richtige, wohlüberlegte und systematische Politik der Arbeiterklasse, die sich auf die Kleinbauern stützt und mit den Mittelbauern zusammengeht. Eine solche Politik ist organisch verbunden mit einer Stärkung der sozialen Positionen des Proletariats in der ganzen Welt, mit einer möglichst schnellen Höherentwicklung der führenden Zentren des Sozialismus, die an der Vorbereitung und Durchführung der proletarischen Weltrevolution arbeiten.
Eine richtige Leninistische Politik schließt auch ein gewisses geschicktes Manövrieren ein. Im Kampf gegen die kapitalistischen Kräfte wandte Lenin oftmals den Kunstgriff an, in einzelnen Teilen nachzugeben, um den Feind zu überlisten oder sich zeitweilig zurückzuziehen, um nachher um so erfolgreicher vorwärts zu schreiten. Manövrieren ist auch heute notwendig. Aber im Ausweichen und Manöverieren vor einem Feind, der nicht durch direkten Angriff überwältigt werden konnte, blieb Lenin doch immer auf der Linie der proletarischen Revolution. Unter seiner Leitung kannte die Partei die Gründe jedes Manövers, wußte seine Bedeutung, sein Ziel, die Grenze, über die es nicht hinausgehen durfte, und die Stellung, bei welcher der proletarische Vormarsch wieder beginnen sollte. In jenen Tagen unter Lenin nannte man einen Rückzug einen Rückzug – ein Nachgeben ein Nachgeben. Infolgedessen bewahrte die manöverierende proletarische Armee immer ihre Einigkeit, ihren Kampfgeist, ihr klares Erkennen des Ziels.
In der jüngsten Periode sind unsere Führer entschieden von diesem Leninistischen Verfahren abgerückt. Von der Stalingruppe wird die Partei mit verbundenen Augen geführt. Indem diese Gruppe die Kräfte des Feindes verbirgt und überall und in jeder Sache einen offiziellen Schein von Erfolg verbreitet, gibt sie dem Proletariat keine Übersicht über die Lage, oder, was noch schlimmer ist, eine falsche Übersicht. Sie bewegt sich in Zickzacklinien, paßt sich feindlichen Elementen an und schmeichelt sich sogar bei ihnen ein. Sie schwächt und verwirrt die Kräfte der proletarischen Armee, sie fördert das Anwachsen von Untätigkeit, von Mißtrauen gegen die Führerschaft und ertötet die Zuversicht auf die Macht der Revolution. Sie vertuscht, immer mit Berufung auf das Manöverieren Lenins, ihr grundloses Hin- und Herschwanken, das von niemand verstanden wird und daher nur die Kräfte der Partei schwächt. Das einzige Ergebnis ist, daß der Feind dabei Zeit gewinnt und vorwärts kommt. Die »klassischen« Beispiele dieser Art des Manöverierens haben Stalin, Bucharin und Rykow auf internationalem Gebiete in ihrer Chinesenpolitik und in ihren Verhandlungen im anglorussischen Komitee geliefert, und im Inlande in ihrem Verhalten gegenüber dem Kulak. In allen diesen Fragen fanden Partei und Arbeiterklasse die Wahrheit oder einen Teil der Wahrheit heraus, aber erst nachdem die schweren Folgen einer bis in den Grund hinein falschen Politik über ihren Köpfen zusammengeschlagen waren.
Am Ende dieser zwei Jahre, in denen die Stalingruppe wirklich die Politik unserer Partei bestimmt hat, können wir es als erwiesen erachten, daß diese Gruppe folgende Dinge nicht verhindern konnte:
1 Ein übermäßiges Anwachsen jener Kräfte, die die Entwicklung unseres Landes in die kapitalistischen Kanäle zu leiten suchen.
2 Eine Schwächung der Lage der arbeitenden Klasse und der ärmsten Bauern gegenüber der wachsenden Macht des Kulaks, des Nepmanns und des Bureaukraten.
3 Eine Schwächung der allgemeinen Lage des Arbeiterstaates im Kampf mit dem Weltkapitalismus, eine Herabsetzung der internationalen Position der Sowjetunion.
Der direkte Fehler der Stalingruppe ist der, daß sie, anstatt der Partei, der arbeitenden Klasse und den Bauern die volle Wahrheit über die Lage zu sagen, Tatsachen verheimlicht, das Anwachsen der feindlichen Kräfte verkleinert und denen den Mund geschlossen hat, die die Wahrheit verlangten und sie aussprechen wollten.
Die Parole, »Gefahr von links!«, zu einer Zeit, da die ganze Lage auf eine Gefahr von rechts hinweist, die grobe, mechanische Unterdrückung jeder Kritik, die doch nur ein berechtigter Weckruf an das Proletariat wegen des Schicksals der proletarischen Revolution ist, die stillschweigende, offene Duldung einer Schwenkung nach rechts, die Untergrabung des Einflusses des proletarischen und altbolschewistischen Kerns in der Partei – alles dieses schwächt und entwaffnet die Arbeiterklasse in einem Augenblick, der mehr als je Aktivität des Proletariats, Wachsamkeit und Einigkeit in der Partei und treues Festhalten an der wirklichen Erbschaft des Leninismus verlangt.
Die Parteiführer verdrehen Lenin, reden sich auf ihn heraus und geben ihm Zusätze, gerade so, wie es ihnen nötig erscheint, um ihre fortwährenden Fehler zu verstecken. Seit Lenins Tod hat man eine ganze Reihe von neuen Theorien erfunden, und zwar nur zu dem Zweck, dem Abgleiten der Stalingruppe von dem Wege der internationalen proletarischen Revolution eine theoretische Rechtfertigung zu geben. Die Menschewisten und die kapitalistische Presse, sie sehen und begrüßen in der Politik und in den neuen Theorien der Stalin, Bucharin, Martinow eine Bewegung »fort von Lenin« (Ustrialow), »staatsmännisches Denken«, »Realismus«, eine Absage an die »Utopien« des revolutionären Bolschewismus. In dem Entfernen einer Truppe von Bolschewisten – den Kampfgenossen Lenins – aus der Parteileitung sehen und begrüßen sie offen einen tatsächlichen Schritt vorwärts zu einem grundsätzlichen Wechsel im Kurs der Partei.
Inzwischen bereiten die inneren Vorgänge in der Gruppe der Nepleute, der neuen Privatkapitalisten, da sie durch keine feste Klassenpolitik zurückgehalten und geregelt werden, weitere Gefahren der gleichen Art vor.
Fünfundzwanzig Millionen kleiner Bauernbesitze bilden die Hauptquelle für die kapitalistischen Bestrebungen in Rußland. Die aus dieser Masse allmählich sich herausbildende Kulakkaste wiederholt den Prozeß einer primitiven Kapitalansammlung und untergräbt die sozialistische Position mit einem breiten Minengang. Das weitere Schicksal dieses Vorgangs hängt letzten Endes von dem Verhältnis des Anwachsens der Staatsbetriebe zu dem der privaten Betriebe ab. Die langsame Entwicklung unserer Industrien verstärkt gewaltig das Tempo der Bildung von Klassenunterschieden bei den Bauern,