Unter diesen Voraussetzungen erfüllt das Konstrukt ‚Vulgärlatein‘ eine angemessene Funktion, indem es hilft die zentrale Fragestellung der diachronen romanistischen Forschung zu beantworten, nämlich die nach dem Ursprung der einzelnen romanischen Varietäten und Sprachen. Eine in einem romanischen Idiom auftretenden erbwörtliche Form kann somit kategorisch auf eine vulgärlateinische Basis zurückgeführt werden; diese kann mit einer klassisch lateinischen Form korrespondieren oder auch nicht, kann in einem antiken oder frühmittelalterlichen Text belegt sein – aus welcher Epoche auch immer – oder aber rekonstruiert werden.
Für eine synchrone Betrachtung des Lateins der Antike hingegen aus Perspektive der Latinistik, wie sie in Kap. 4 vorliegender Arbeit vorgenommen wurde, bei der eben nicht die Weiterentwicklung zu den romanischen Sprachen im Vordergrund steht, sondern die Erfassung der diasystematischen Schichtung des Lateins – natürlich auch in Bezug auf seine Entwicklung innerhalb dieses als synchron gesetzten Zeitrahmens –, ist der Begriff des Vulgärlateins hingegen wenig dienlich. In diesem Kontext erscheint es vielmehr adäquat, darauf zu verzichten und stattdessen mit den Termini der Varietätenlinguistik zu operieren (diatopische, diastratische, diaphasische Varietäten des Lateins), um die Architektur der Sprache zu erfassen. Dies erscheint umso wichtiger, als damit auch deutlich wird, daß das Latein als einst lebende Sprache die gleiche diasystematische Variationsbreite aufweist wie eine moderne Sprache und keineswegs von zwei Systemen, einem vulgärlateinischen und einem des klassischen Lateins auszugehen ist, wie einst suggeriert wurde (zu dieser reductio ad unum bzgl. des Urromanischen bzw. Protoromanischen cf. Vàrvaro 1977:149).292
Si deve insomma considerare la lingua di Roma e dell’Impero come un vero e proprio diasistema contenente varietà diatopiche (geografiche ed areali), diastratiche (sociali) e diafasiche (attinenti ai diversi registri espressivi e di stile) oltre che ovviamente diamesiche (legate all’uso di mezzi espressivi diversi: in sostanza scritto ~ parlato) e non ultimo diachroniche o relative alla variabilità lungo l’asse temporale: in altre parole, un insieme (relativeamente) ordinato nel quale stratificazione, varietà e variabilità debbono necessariamente adeguarsi ai principi naturali ed universali che le determinano. (Zamboni 2000:71–72)
Der Übergang vom Lateinischen ins Romanische bzw. die einzelen sich ausdifferenzierenden romanischen Sprachen ist demgemäß ein schrittweiser Prozeß, währenddessen ein komplexes heterogenes Sprachsystem, nämlich das des Lateinischen, sich durch die verschiedensten Einflußfaktoren verändert (interne Sprachwandelprozesse, Sprachkontakte, Migrationen, Veränderung des Sprachraumes und der Sprechergemeinschaften)293 und neue Relationen zu den sich nach und nach abspalteten Teilsysteme aufbaut (Kontinuität und Diskontinuität), so daß am Ende eine Diglossie-Situation mit einem idealisierten mittelalterlichen Latein der Scholastiker bzw. später der Humanisten und den romanischen Sprachen mit sich vom Schriftlatein emanzipierenden Literatursprachen steht (cf. Zamboni 2000:80–81).
Für vorliegende Arbeit wirft diese Synopse der neueren vulgärlateinischen Begriffsgeschichte, die eng an die Entstehung der Sprachwissenschaft gebunden ist und in der die terminologische Variationsbreite sowie das Ringen um eine adäquate Beschreibung des Lateins, aber vor allem der romanischen Ur- und Protosprache deutlich wird, die Frage auf, inwiefern diese Annährungsversuche an die sprachliche Realität sich von denen der frühneuzeitlichen Betrachtungen unterscheiden. Dies kann im Kern bereits a priori damit beantwortet werden, daß die neuere Forschung von einer dezidiert linguistischen Sichtweise geprägt ist, während die humanistischen Untersuchungen meist andere Zielsetzungen haben und die Sprachbetrachtung zu diesem Thema oft nur als ancilla einer anderen Debatte fungiert; zudem sich diese Diskussionen hinsichtlich der Linguistik in einem vorwissenschaftlichen Raum abspielen. Es bleibt dennoch zu klären, inwieweit einzelne Grundgedanken dessen, was unter ‚Vulgärlatein‘ zu verstehen ist, in dieser Vorphase der Sprachwissenschaftsgeschichte bereits zu Tage treten bzw. nach und nach Gestalt annehmen, sich verfestigen und welche Aspekte tatsächlich erst mit der Etablierung einer Forschung in der Tradition von Diez und Schuchardt erschließbar werden.
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