»Gemacht«, sagte Pilz, ließ sich von Terra den Vertrag reichen und unterschrieb. Terra zog ihn dem Reichen unter der Hand fort, er faltete ihn sorgfältig, wobei er herausfordernde Blicke schoß. Dann zerriß er den Vertrag. »Wie, Lea? Der Erfolg genügt uns.« Er klingelte nach dem Kellner. Pilz wollte den Sekt übernehmen, er bat es sich aus, oder doch einen Teil! – aber Terra ließ nicht mit sich handeln. »Die Herren werden erlauben müssen, daß ich bezahle, was ich bestellt habe«, sagte er, streng und gediegen.
Seiner Schwester legte er selbst den Mantel um. Im Gang draußen sagte Mangolf nahe bei ihm und gepreßt: »Ich mußte es tun.«
»Das weiß ich«, sagte Terra. »Du hattest den Auftrag von Gott. Vergiß nicht, morgen fünf Uhr.«
Aus der Gasse beim Haus sprang Kurschmied hervor, er hielt Terra an, Mangolf gewann Zeit, mit Lea voranzugehen. »Ich weiß alles!« raunte Kurschmied inbrünstig. »Soll ich Ihnen zu Füßen fallen?«
»Ich hatte nicht den Eindruck, daß Sie übermäßig tranken.«
»Ich bin das Opfer eines tragischen Irrtums!«
»Sprechen Sie endlich wie in einer lebenswahren Rolle!«
»Ich komme durch die Hintertür. Pilz jammert, er sei von Ihnen gefoppt. Nein! niemals in Ihrem ganzen Leben haben Sie den Gedanken gehabt, Ihre Schwester zu verkuppeln. Nur der Verrat Ihres falschen Freundes war so teuflisch angelegt, daß ich wahnsinnig zu werden glaubte, als es mir klar ward, wozu ich mißbraucht sei. Sie, den ich für den verruchtesten Menschen unter Gottes Sonne gehalten hatte –«
»Sie schmeicheln mir.«
» – sind einer der edelsten. Sie gehen mit einem unstillbaren sittlichen Bedürfnis durch das Leben.«
»Woher wissen Sie –!« Terra sah sich den Blondkopf genauer an. Er hatte blaßblaue Halbkreise unter den Augen, und die Nasenwurzel glänzte weiß.
Mangolf dort vorn ging nahe an Lea, aber halb hinter ihr, wie Kurschmied an dem Bruder – und flehend geneigt unter ihren Hutrand. Sie warf über die Schulter: »Warum sind Sie nie mehr gekommen? Sagen Sie mir einen Grund, an den ich mich halten kann.«
»Überlegen Sie es sich noch«, sagte Terra zu Kurschmied. »Schließlich nehme ich von dem Jahrmarktsmädchen Geld, Sie selbst haben es gesehen.«
»Wer kann denn wissen, für wen Sie das Geld nehmen? Ich weiß es! Für Ihre Schwester, – um ihr die falschen Perlen zu kaufen, damit sie das Engagement bekam.«
»Ihr Scharfblick ist erschreckend«, sagte Terra.
Und Mangolf zu Lea: »Wenn ich Sie wirklich für meine Zukunft fürchtete?«
»Ich werde Erfolg haben!«
»Dann umso mehr. Erfolge wie die Ihren und die Ihres Bruders sind verderblich, sie sind nicht ernst gemeint. Ihr kennt den Kampf nicht. Warum muß ich Dich lieben!«
»Weil Du ihn haßt«, sagte die Schwester.
Kurschmied, die beschwörenden Hände hinstreckend: »Ich bin nun Ihr Freund, von dieser Stunde ab Ihnen mit Haut und Haar ergeben. Sollte ich achtzig Jahre lang leben – Ihr Freund!«
Terra nahm die Hände, sah ihm in die Augen, ging schweigend weiter. »So kommt man zu Freunden«, dachte er.
Mangolf zu Lea, vor dem Hause, wo sie stehen blieb: »Du liebst keinen Andern, ich weiß es.«
Sie lachte leichtsinnig, da drängte er sie gegen das Haustor; er kam ihr so nahe, daß er ihre Brust mit der seinen berührte, und sie den Kopf zurückbiegen mußte. »Wirf Dich nicht weg!« sagte er ihr in die Lippen. »Zwischen Dir und mir ist es für's Leben.«
Da stockte ihr Leichtsinn, in ihrer Miene vermischten sich Lachen und Qual, sie seufzte: »Ich weiß es.« Plötzlich stieß sie ihn fort. Er verlangte aber, daß sie hinter dem Haustor auf ihn warte, dann enteilte er, indes der Bruder schon nahte.
Der Bruder sagte zu Kurschmied: »Können Sie gut Maske machen? Dann kommen Sie morgen um vier Uhr zu mir und bringen Sie alles mit, um sich nach vorhandener Vorlage in einen vornehmen Fünfziger zu verwandeln, glatter Scheitel, bartlos, wohlbeleibt. Gute Nacht.«
Womit er ihn stehen ließ und zu der Schwester ging. Er sah das armselige Haus und davor sie, den Umriß des Reichtums und der Schönheit, der ihr Umriß war. Er sagte umso gehobener: »Du hast es gesehen, wir können alles, was wir wollen.«
»Ach, Lieber, es ist gekommen, wie es mußte«, murmelte sie, und sie trat, als versteckte sie sich in den Winkel hinter der Tür. Der Bruder wollte sie hinaufführen, sie schüttelte den Kopf. Er fragte, worauf sie noch warte, sie schwieg. Da schwieg auch er, stand stumm noch da, – und dann verließ er seine Schwester.
An einer entfernten Straßenecke machte jemand sich unsichtbar. Terra, dessen Weg dorthin geführt hätte, ging nach der anderen Seite. Er dachte: »Einander verraten und verlassen. Einander bekämpfen, finden und nicht kennen. Einander hassen, einander verfallen sein – und kaum fünfundzwanzig Jahre sind wir alle.«
Gegenüber dem Hotel Karlsbad, am Fenster einer kleinen Gastwirtschaft, wartete Terra auf Mangolf. Fünf Uhr, wahrhaftig, da kam er – aber in Gesellschaft. Lustige Damen und Herren, Mangolf brachte sie alle zum Lachen. Unter Lachen verabschiedete er sich einige Häuser weiter. Niemand hätte gedacht, er werde gleich darauf dieses unruhige Gesicht zeigen, werde mehrmals an dem Hotel vorbeigehen und endlich, qualvoll aufgerafft, es betreten, wie zu einer schweren Operation.
»Herrgott im Himmel, ob er es gut übersteht«, dachte Terra Fratzen schneidend, die stummes Hohngelächter waren, und folgte ihm auf dem Fuß bis in die Halle. Mangolf sah ihn nicht, er spielte den unbeteiligten Fremden und lagerte sich in einen Sessel. Terra verharrte angesichts der Treppe, hinter einer Palme. Den rechten Arm der Doppeltreppe herab stieg langsam und sicher ein Herr in reifen Jahren. Terra aus seinem Versteck nickte ihm zu, der Herr übersah es. Mangolf war aufgesprungen. Da kam links derselbe ältere Herr, viel schneller, von oben. Der Zweite erblickte drüben den Ersten, der ihn nicht sah. Er stockte, dann nahm er eilig Deckung neben dem Aufzug. Als der Erste sich in die Halle und zu den Tischen wandte, stürzte sein Doppelgänger fluchtartig dem Ausgang zu. Der Portier hinter seinem langen Tisch sah ihm aus aufgerissenen Augen nach. Da Terra sich zeigte, fragte der Portier: »Was war das? Zweimal derselbe?«
»Sehen Sie doppelt?« bemerkte Terra. »Das sagen Sie nur Niemandem.«
Ein Ehepaar fragte erregt: »Wer ist der Herr dort?«
»Exzellenz Graf Lannas«, sagte der Portier.
»Und der andere, der genau so aussah?«
»Den gibt es bei uns nicht«, sagte der Portier.
Hinter Terra stand Mangolf, sehr bleich. Er raunte ihm zu: »Charlatan! Und ich war drauf und dran, Dir zu glauben!«
»Du wirst sogleich sehen«, behauptete Terra, aber auch er konnte kaum sprechen. Bei dem Herrn in reifen Jahren stand die junge Dame von der Festwiese! ... Er hatte sich gefaßt, er fragte den Portier: »Fräulein von Lannas?«
»Die Komtesse steht beim Herrn Papa«, sagte der Portier.
Nun zog Terra aus seinem Mantel ein Buch, schritt gediegen über den Teppich und überreichte es zeremoniös der Dame, – die es zuerst sogar nehmen wollte. Dann hatte sie Terra erkannt und erstarrte. Graf Lannas stellte die Teetasse hin. »Der Kurier?« fragte er schnell.
»Leider nein, Herr Staatssekretär«, sagte Terra sorgfältig und verbeugte sich tief.
»Ich bin nicht Staatssekretär.« Graf Lannas runzelte die glatte Stirn. »Um Vergebung«, sagte Terra.
»Und das Buch?« Der Vater sah die Tochter an, dabei bekam er ein Grübchen. Sie hatte sich gefaßt. »Bei Mila. Wir lasen Ariost. Der Herr ist –«
»Terra, Student der Rechte.« Er setzte mit Ausdruck hinzu: »Ich habe