Doch zurück zur Kontaktanzeige mit dem Mähdrescher und der Mindestschnittbreite. Die Auswertung von Heiratsannoncen ergab, dass in Bayern die Liebesheirat tatsächlich erst in der 1980er-Jahren in allen Schichten akzeptiert wurde (Braun 2017). Bis dahin folgten eher die ärmeren Frauen auf dem Land ihrem Herzen, statt eine reine Versorgerehe zu erdulden. Bundesweit trug vor allem die Studentenbewegung (1967 – 1969) dazu bei, die bürgerlichen Heiratsnormen aufzubrechen.
Der traditionelle Wunsch nach einer lebenslangen Bindung ist heute bei Jugendlichen ungebrochen. Bei der ersten Partnerschaft sind Frauen meist jünger als Männer. Auch die Entscheidung, erstmals zusammenzuziehen, fällt bei den Frauen früher. Im Durchschnitt heiraten sie früher und häufiger (Pairfam 2021). Tendenziell ist das Heiraten den jungen Pärchen nicht mehr so wichtig, die Quote sinkt. Von einem Auslaufmodell kann man bei der Ehe trotzdem nicht sprechen. Immerhin gaben sich 2019 noch 416.300 Paare das Ja-Wort. Auch die Haltbarkeit der „ewigen Bindungen“ ist beachtlich. Im Durchschnitt erfolgte die Scheidung erst nach 14,8 Jahren (Destatis 2021). Das passt nicht zum „gefühlt“ schlechten Ruf der Ehe, die statistisch angeblich in jedem dritten Fall „scheitern“ würde.
Eine weitere Ursache für die Scheidungsrate ist die gestiegene Lebenserwartung. Mein Großvater starb 1974 im Alter von 65 Jahren. Das war für Männer damals kein ungewöhnliches Sterbealter. Er war 43 Jahre mit meiner Großmutter verheiratet. Heute hätte er eine Lebenserwartung von 78 und das Ehemodell wäre für 56 Jahre ausgelegt. War das vom Erfinder der Lebensform so gedacht? Als die Kirche im zwölften Jahrhundert die Trauung einführte, erreichten die meisten Menschen das 40. Lebensjahr nicht. Bei einem Heiratsalter von 14 Jahren dauerte das Eheleben maximal 26 Jahre. Wer heute zwei Silberhochzeiten erlebt, nutzt seine Lebenszeit optimal für zwei reguläre Ehezyklen des Mittelalters …
Ähnlich wie mit den tradierten Vorstellungen von der romantischen Liebe und der Neigungsehe verhält es sich mit den überlieferten Formen von Familie. Die heute gängige Kleinfamilie mit zwei Kindern ist historisch gesehen eine recht junge Erscheinung. Über Jahrhunderte spielten die Privatsphäre der Eltern und die Bedürfnisse der Kinder kaum eine Rolle.
Der folgende Überblick beleuchtet den geschichtlichen Hintergrund unserer Wunschbilder von Familie und macht deutlich, welche sozialpolitischen Errungenschaften heute für selbstverständlich gehalten werden.
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