Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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Kraft demselben entgegen zu arbeiten. Ich habe Menschen gekannt, denen ihr Glück ihr Gott war. Sie glaubten an ein Glück und der Glaube gab ihnen Mut. Mut gab ihnen Glück und Glück Mut. Es ist ein großer Verlust für den Menschen, wenn er die Überzeugung von einem weisen die Welt lenkenden Wesen verloren hat. Ich glaube, es ist dieses eine notwendige Folge alles Studiums der Philosophie und der Natur. Man verliert zwar den Glauben an einen Gott nicht, aber es ist nicht mehr der hülfreiche Gott unsrer Kindheit; es ist ein Wesen, dessen Wege nicht unsere Wege und dessen Gedanken nicht unsere Gedanken sind, und damit ist dem Hülflosen nicht sonderlich viel gedient.

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      Da gnade Gott denen von Gottes Gnaden.

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      Unser Weltsystem ist ein monarchischer Staat. Die Sonne hat ihren Hofstaat, sie hält aber doch die Großen etwas entfernt. Sie erlaubt ihnen aber ihre Neben-Planeten. Hieraus ließe sich vielleicht eine Fabel machen, die auf die jetzigen politischen Revolutionen passen (würde). Die Satelliten rebellieren und wollen gerade um die ?? laufen.

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      Nach authentischen Nachrichten werden jährlich für 30 000 Groschen Maultrommeln zu Schwabach verfertigt, das sind, eine zu 4  Symbol gerechnet, 1 440 000 Maultrommeln. Sollte dieses irgend einen Zusammenhang mit der deutschen Schriftstellerei, zumal der poetischen haben?

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      A. Der Mann hat viele Kinder. B. ja, aber ich glaube, von (den) meisten hat er bloß die Korrektur besorgt.

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      A. Warum unterstützen Sie Ihren Schwiegervater nicht? B. Warum?

      A. Er ist ein armer Mann. B. aber fleißig und ich habe nicht Geld genug ihn zum Faulenzer zu machen.

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       Eine der sonderbarsten Einbildungen, deren man fähig ist, wäre die daß man glaubte man sei rasend, und man säße im Tollhause, übrigens aber ganz vernünftig handelte. Wenn jemand einmal zu dieser Überzeugung käme, so sehe ich fürwahr nicht ein, wie man sie ihm ausreden wollte.

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      Außer der Zeit gibt es noch ein anderes Mittel große Veränderungen hervorzubringen und das ist die – Gewalt. Wenn die eine zu langsam geht, so tut die andere öfters die Sache vorher.

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      Man hat Nachtstühle, die wie aufeinander gelegte Folianten aussehen. Einige Schriftsteller scheinen Gefallen an der umgekehrten Methode zu finden und Bücher zu schreiben die sich wie Nachtstühle präsentieren.

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      Die Welt ist nicht da um von uns erkannt zu werden, sondern uns in ihr zu bilden. Das ist eine Kantische Idee.

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      Zu Braunschweig wurde in einer Auktion ein Hut für vieles Geld verkauft, der aus dem heimlichsten Haar von Mädchen verfertigt war.

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      Wenn man Mitleid fühlt, so fragt man nicht erst andere Leute ob man es fühlen soll.

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      Nachdem ich vieles menschenbeobachterisch und mit vielem schmeichelhaften Gefühl eigner Superiorität aufgezeichnet, und in noch feinere Worte gesteckt hatte, fand ich oft am Ende, daß grade das das Beste war, was ich ohne alle diese Gefühle so ganz bürgerlich niedergeschrieben hatte. (sehr sehr wahr)

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      Von allem, was ausgerechnet wird in der Welt, geschehen 2/3 gedankenlos.

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      Ora & non labora.

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      Eine intolerante Bestie von einem Hund kam herausgeschossen.

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       Seitdem er die Ohrfeige bekommen hatte, dachte er immer, wenn er ein Wort mit einem O sah, als Obrigkeit pp, es hieße Ohrfeige.

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      In der Nacht vom Ostersonntag 1792 auf den Ostermontag (vom 8 ten auf den 9 ten April) träumte mir, ich sollte lebendig verbrannt werden. Ich war sehr ruhig dabei, welches mich beim Erwachen nicht freute. So etwas kann Erschlaffung sein. Ich räsonierte ganz ruhig über die Zeit, die es dauern würde. Vorher bin ich noch nicht verbrannt, und nachher bin ich es. Das war fast alles, was ich dachte und bloß dachte. Diese Zeit liegt zwischen sehr engen Grenzen. Ich fürchte fast, es wird bei mir alles zu Gedanken und das Gefühl verliert sich.

      *

      Die Welt jenseit der geschliffenen Gläser ist wichtiger, als die jenseits der Meere, und wird vielleicht nur von der jenseits des Grabes übertroffen.

      *

      Seit der Mitte des Jahrs 1791 regt sich in meiner ganzen Gedanken-Ökonomie etwas, das ich noch nicht recht beschreiben kann. Ich will nur einiges anführen und künftig aufmerksamer darauf werden. Nämlich ein außerordentliches fast zu schriftlichen Tätlichkeiten übergehendes Mißtrauen gegen alles menschliche Wissen, Mathematik ausgenommen, und was mich noch an (das) Studium der Physik fesselt, ist die Hoffnung etwas dem menschlichen Geschlecht Nützliches auszufinden. Wir müssen nämlich auf Ursachen und Erklärungen denken, weil ich gar kein anderes Mittel sehe uns ohne dieses Bestreben in Tätigkeit zu erhalten. Jemand kann freilich wochenlang auf die Jagd gehn und nichts schießen, aber so viel ist gewiß, zu Hause würde er auch nichts geschossen haben und zwar gewiß nichts, da er doch nur auf dem Felde die Wahrscheinlichkeit für sich hat, so gering sie auch sein mag. Wir müssen freilich etwas ergreifen. Aber ob das nun alles so ist, wie wir glauben? Da frage ich mich wieder: was nennst du so Sein, wie du es dir vorstellst? Dein Glaube, daß es so ist, ist ja auch etwas, und von dem übrigen weißt du nichts. Dieses war auch die Zeit da ich (Gott verzeih mir wenn ich irre) zu glauben anfing, daß die Muscheln in den Bergen gewachsen sein könnten. Es war aber kein positives Glauben, sondern bloß dunkeles Gefühl von unsrer Unfähigkeit, oder wenigstens von der meinigen in die Geheimnisse der Natur einzudringen.

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      Zum Teil zum Vorhergehenden gehörig: Das Wesen, was wir am reinsten aus den Händen der Natur empfangen, und was uns zugleich am nächsten gelegt wird, sind wir selbst, und doch wie schwer ist da alles und wie verwickelt! Es scheint fast, wir sollen bloß würken ohne uns selbst zum Gegenstand der Beobachtung zu machen. So bald wir uns zum Gegenstand der Beobachtung machen: so ist es fast einerlei ob wir aus dem Hainberg den Ursprung der Welt, oder aus unsern Verrichtungen die Natur unserer Seele wollen kennen lernen.

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      Selbst unsere häufigen Irrtümer haben den Nutzen, daß sie uns am Ende gewöhnen zu glauben, alles könne anders sein, als wir es uns vorstellen. Auch diese Erfahrung kann generalisiert werden, so wie das Ursachen-Suchen, und so muß man endlich zu der Philosophie gelangen, die selbst die Notwendigkeit des principii contradictionis leugnet.

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      Die beiden Begriffe von Sein und Nichtsein sind bloß undurchdringlich in unsern Geistes-Anlagen. Denn eigentlich wissen wir nicht einmal was Sein ist, und so bald wir uns ins Definieren einlassen, so müssen wir zugeben daß etwas existieren kann was nirgends ist. Kant sagt auch so was irgendwo.

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      Es ist doch fürwahr zum Erstaunen, daß man auf die dunkeln Vorstellungen von Ursachen den Glauben an einen Gott gebaut hat, von dem wir nichts wissen, und nichts wissen können, denn alles Schließen auf einen Urheber der Welt ist immer Anthropomorphismus.

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      Wenn der Verstand reift, oder seine Regierungskräfte fühlt ohne etwas zu haben was er regieren kann, so entstehen freilich seltsame Dinge. Man fällt in den Fehler der kleinen Fürsten, und macht sich vor den Großen lächerlich. Hat man viel gelesen und besitzt wenig Regierungskunst, so macht man sich vor den Weisen lächerlich. Wenn sich denn doch am Ende einmal lächerlich gemacht sein soll: so wollte ich doch lieber vor dem Großen lächerlich werden, als vor dem Weisen, lieber vor dem Belesenen, als vor dem Denker, der