Bauernhof statt Meer. Horst Reingruber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Reingruber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991310129
Скачать книгу

      Die prächtigen Farben hoben sich wundervoll vom dunklen Holz des Balkons ab und Daniela hatte ein Gefühl glücklicher Geborgenheit.

      Sonja Zehner, voll des Lobes, war begeistert und wiederholte immer, wie sehr es ihr hier gefiel. Restlos hingerissen war sie von der rotkarierten Bettwäsche und den rustikalen, handgewebten Vorhängen. Daniela und Günther standen dieser Begeisterung etwas rat- und teilnahmslos gegenüber, konnte sich jedoch dem netten Eindruck, den alles hier machte, nicht ganz entziehen. Sie gingen in ihre Zimmer, räumten die Kästen ein und brachten ihr Wasch- und Zahnputzzeug ins angrenzende Badezimmer. Die Betten in ihrem Zimmer waren so aufgestellt, dass eines beim Fenster nahe der Balkontür stand, das zweite aber neben der Eingangstüre. Natürlich gab es hier die ersten kleinen Reibereien, wer von ihnen im Bett beim Fenster schlafen dürfe. Doch siegte schließlich der Kavalier in Günther und er überließ Daniela dieses Bett. Die notwendige Steckdose für ihr Handy war auch gut erreichbar, was für sie sehr wichtig war, denn sie wollte ihre Freunde immer von der zu erwartenden Pleite des Urlaubs möglichst oft informieren.

      Während Günther schon darauf brannte, die, wie er glaubte, im Stall stehenden Pferde zu besichtigen, harrte Daniela etwas skeptisch der Dinge, die da kommen sollten. Die Wette, die ihr Herr Brandtner angeboten hatte, kam ihr wieder in den Sinn und sie musste zumindest zugeben, dass er sehr nett zu ihr war. „Wir werden ja sehen“, dachte sie nochmals und ging mit ihrem Bruder in das Zimmer der Eltern, die ebenfalls mit dem Einräumen ihrer Habseligkeiten fertig geworden waren. Daniela wollte die Kleider wechseln, aber die Mutter meinte, dass sie sich vorher noch den Bauernhof und in die nähere Umgebung ansehen sollten.

      Als es an der Türe klopfte, hörten sie die Stimme ihres Gastgebers. Seine Frau hätte eine kleine Willkommensjause zubereitet und sie würde unten auf sie warten. Erfreut über die nette Einladung stiegen sie die Treppe hinab und Herr Brandtner führte sie in einen netten kleinen Raum, der als Bauernstube eingerichtet war. Auch hier blitzte alles vor Sauberkeit und gegen die auf einem Bauernhof unvermeidlichen Fliegen hängten Schutzstreifen als Fliegenfänger. Auf einem klobigen Holztisch, der mit einem gestickten Tischtuch gedeckt war, stand ein riesiger duftender Guglhupf und aus der Küche roch es herrlich nach frischem Kaffee. Frau Brandtner, von ihrem Gatten liebevoll Anni genannt, kam mit einer Kanne Kaffee aus der Küche, stellte sich als die Bäuerin vor und begrüßte die Gäste besonders herzlich.

      Ein besonders netter Empfang

      Zehners freuten sich über diese nette Geste und besonders Daniela war überrascht, als sie die kleine, zierliche und auch sehr hübsche Frau sah. In ihren Büchern und auch in den Fernsehfilmen wurden die Bäuerinnen meistens als alte, abgerackerte Frauen dargestellt, diese Frau unterschied sich jedoch deutlich von diesen Bildern. Anna Brandtner ersuchte die Familie, sich zu setzen und fragte höflich: „Soll ich für die Kinder eine Kanne Kakao machen oder dürfen sie ausnahmsweise am ersten Tag eine Tasse Kaffee mit etwas mehr Milch trinken?“

      Daniela horchte erstaunt auf, als ihnen ihr Vater erlaubte, mit den Erwachsenen zur Feier des Tages Kaffee zu trinken. Schon oft hatte sie ihren Vater gebeten, auch einmal richtigen Bohnenkaffee zu trinken, doch hatte ihr Vater immer abgelehnt, da dieser für Kinder nicht gesund sei. Ihr Argument, dass es doch nicht so schlimm sein könne, da ihre Eltern ziemlich viel Kaffee im Büro und auch zuhause tranken, stieß immer auf taube Ohren. Der Bäuerin war es offensichtlich durch ihre nette Frage und ihren Hinweis, es ausnahmsweise am ersten Tag ihres Urlaubs zu erlauben, gelungen, etwas zu erreichen, was sie das ganze Jahr nicht schaffte. Sie hatte damit bei Daniela einen großen Stein im Brett, hatte sie ihr doch zum ersten Kaffee-Erlebnis verholfen. Die Tassen wurden gefüllt, die der Kinder natürlich etwas weniger, dazu gab es ein großes Stück Guglhupf auf den bereitgestellten mit Blumen bemalten Tellern. Alle langten kräftig zu und lobten die Gastgeberin wegen ihres guten Kaffees und der ausgezeichneten Mehlspeise. Daniela war als erste mit ihrem Stück fertig und bat um ein zweites. Anna Brandtner freute sich sehr, dass es ihren Gästen so gut schmeckte.

      Nachdem sie die Jause beendet hatten, erhoben sich die Zehners und bedankten sich herzlich bei der Bäuerin. Bisher gab es selbst für die kritische Daniela keinen Grund zur Klage. Man konnte deutlich erkennen, dass Bauer und Bäuerin höflich, nett und zuvorkommend waren und Günther, der schon lange etwas fragen wollte, platzte plötzlich heraus: „Auf Ihrem Schild habe ich einen Pferdekopf gesehen, aber ich hörte noch keines wiehern. Haben Sie denn keine Pferde?“ Der Bauer lachte: „Natürlich haben wir Pferde, nur sind sie draußen auf der Koppel und meine Kinder, Michael und Walter, sind bei ihnen!“ Günther rief: „Juhu!“, aber Daniela sank in sich zusammen. Das fehlte noch! Zwei Buben sind auch noch auf dem Bauernhof. Sie hatte schon genügend Scherereien mit ihrem Bruder und jetzt kamen noch zwei dazu. Da wird es viel zu berichten geben.

      Alle bisherigen guten und netten Eindrücke waren plötzlich erloschen und sie dachte mit Schrecken an die zu erwartenden Probleme und Schwierigkeiten. Nun ging Günthers Temperament durch, denn er wollte unbedingt so rasch wie möglich zur Koppel und fragte nach dem Weg dorthin. Herr Brandtner beruhigte ihn und sagte, dass er sich noch ein wenig gedulden möge, da seine Buben bald zum Mittagessen kämen und er danach mit ihnen zur Koppel gehen könnte.

      Michael und Walter

      Nach der netten Kaffeejause zogen sich die Zehners um und gingen in den Hof. Jetzt hatten sie genügend Zeit, sich etwas genauer umzusehen. Die Reinlichkeit, die überall herrschte, war beeindruckend! Auch hier war nichts von den Klischeevorstellungen eines Bauernhofes mit einem Misthaufen und darauf scharrenden Hühnern und einem krähenden Hahn zu sehen. Sicher musste es auch hier einen Misthaufen geben, denn wie sie mit einem kurzen Blick in den Stall sehen konnten, gab es mindestens zwanzig Rinder und auch einige grunzende Schweine. So genau konnten sie es nicht sehen, da sich niemand ohne Erlaubnis des Bauern in den Stall wagte.

      In der Scheune standen außer dem Traktor und dem Heuwagen noch ein Mähdrescher und andere Maschinen, von denen sie nicht wussten, wofür sie gehörten. Gerade als sie mitten in der Besichtigungstour waren, hörten sie plötzlich eilige Schritte vor dem Haus, die rasch näherkamen. Auch Rigo begann wieder laut zu bellen. Das Eingangstor wurde schwungvoll geöffnet und herein stürmten zwei total verschmutzte Gestalten. Nun sahen sie das erste Mal Schmutz auf dem Bauernhof, denn diese beiden Gestalten strotzten vor Nässe, Erde und Schlamm. Es gab kaum eine reine Stelle an ihren Körpern. An den Schuhen klebte die Erde zentimeterdick, die Hosen waren bis zu den Knien nass und voll Schlamm. Ihre Gesichter waren hinter der Schmutzschicht kaum zu erkennen.

      Als die beiden die Fremden im Hof sahen, blieben sie kurz stehen und grüßten höflich. Frau und Herr Zehner lachten aus vollem Hals, als sie die zwei Figuren sahen und waren froh, dass ihre Kinder nicht so aussahen. Es mussten die Brandtner-Buben sein, die hungrig nachhause kamen. Die Bäuerin schlug die Hände zusammen, als sie ihre Buben erblickte und rief: „Ich bin ja einiges von Euch gewöhnt, aber dass man in so kurzer Zeit so schmutzig werden kann, ist mir unverständlich! Rein mit Euch ins Badezimmer, aber zieht vorher die Schuhe aus!“ Sie versuchte, ärgerlich zu wirken, was ihr nicht ganz gelang. Auch schien sie Kummer gewöhnt zu sein. Zu der Familie gewandt sagte sie lächelnd: „Jetzt haben Sie also meine zwei Helden kennengelernt. Ich werde sie Ihnen aber erst vorstellen, wenn ich sie einer Generalreinigung unterzogen habe!“ Dann ging sie ins Haus, um mitzuhelfen, ihren Söhnen wieder ein menschliches Aussehen zu verleihen.

      Daniela und Günther waren von dieser Szene beeindruckt, wenngleich jeder auf eine andere Art. Daniela, die in der Stadt wenig Gelegenheit hatte, sich so schmutzig zu machen und der es vor Schmutz ekelte, dachte mit Abscheu an die beiden „Schmutzfinken“, während Günther vor Neugier brannte, was man hier alles anstellen könnte, um so auszusehen, und stellte sich bereits allerlei Abenteuer vor. Spielen am Bach und im angrenzenden Wald Schätze zu suchen. Nach einer halben Stunde kamen Michael und Walter frisch gewaschen, umgezogen und kaum erkennbar in Jeans und T-Shirt zur Begrüßung der Gäste.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте