In den vergangenen fünf Jahren haben mich Regelschmerzen nicht mehr belastet. Mein eigener Heilungsweg war auch der Grund, warum ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, andere Menschen dabei zu unterstützen, ihre Menstruations- und Hormonprobleme zu verstehen. Inspiriert wurde ich dabei von den weisen Frauen, von denen ich behandelt wurde und deren Therapieformen mich fasziniert haben. Ich habe mittlerweile einen Bachelor in Akupunktur sowie Diplome in Arvigo®-Therapie (Arvigo Techniques of Maya Abdominal Therapy®, kurz ATMAT, eine Form der Unterleibsmassage, siehe Seite 343), Aromatherapie und Reflexzonenmassage. Dann bin ich noch – wissbegierig, wie ich nun einmal bin – bei verschiedenen weltweit führenden Vertretern des wachsenden Felds der Menstrualität in die Lehre gegangen und habe erfahren, wie Ernährung und Lebensweise unseren Zyklus beeinflussen können und welche psychologischen Auswirkungen er hat.
Nach und nach konzentrierten sich mein persönliches ebenso wie mein Berufsleben immer stärker auf die Menstruationsgesundheit, und weil ich mich ja sozusagen selbst in den Dienst der Sache gestellt und so viele verschiedene Wege ausprobiert hatte, um meine eigene Gesundheit zu verbessern, wusste ich, wie ich Ratsuchenden helfen konnte und welche Techniken für ihre spezielle Situation oder ihren Zustand geeignet sein könnten. Der eine Ansatz aber, der sich für alle am einfachsten und effektivsten umsetzen ließ, war das Wissen darum, was tatsächlich in einem Menstruationszyklus abläuft und wie man seinen Alltag möglichst gut auf die eigenen Rhythmen und Bedürfnisse abstimmt. Immer wieder wurde ich gebeten, Diagramme zu zeichnen und Stichpunkte zu notieren, damit diese mit Freunden geteilt werden konnten. Aus diesem Grund begann ich irgendwann, neben meiner Einzelarbeit auch Workshops zur Menstruationsgesundheit zu geben. Hier wurde es dann erst richtig interessant, und meine Arbeit nahm neue Dimensionen an, denn es ist etwas sehr Machtvolles und Beeindruckendes, in einer Gruppe von Frauen zusammenzusitzen und gemeinsam die jeweiligen Zyklen zu erforschen. Die Teilnehmerinnen weinten. Ich weinte. Wir äußerten unsere Wut darüber, dass niemand uns diese wichtigen Informationen gegeben hatte, als wir vierzehn waren, oder dreißig, oder vierzig. In einigen Fällen sogar fünfzig. Es gab Frauen, die darum trauerten, aufgrund der Menopause keine Blutungen mehr zu bekommen, sodass sie das Wissen nicht mehr aktiv anwenden konnten. Aber sie zeigten auch Erleichterung, weil sie endlich verstanden, was während ihrer Menstruationsjahre abgelaufen war. Wir trauerten auch darum, dass niemand unsere Mütter aufgeklärt hatte, sodass sie ihrerseits nichts an uns hatten weitergeben können. Wir entdeckten die Themen, die uns miteinander verbanden – die eigene Geschichte und die der anderen waren oft ähnlich. Immer mehr Frauen kontaktierten mich und wollten liebend gerne zu einem Workshop kommen, aber die Entfernung sei einfach zu groß. Alle fragten sie, ob es noch einen anderen Weg gebe, mit mir zu arbeiten. Und so entstand die Idee zu diesem Buch.
Die Zeiten ändern sich
Die Idee, dass die Periode eine Art Zeugnis über die Gesamtgesundheit abgeben kann, stammt vom American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG), der größten gynäkologisch-geburtshilflichen Fachgesellschaft in den USA. Im Jahr 2015 empfahl die ACOG, dass der Menstruationszyklus als eine Art fünfter Vitalwert angesehen werden sollte, wenn es um die Gesundheit menstruierender Teenager geht, wobei einige Experten die Meinung vertraten, dass dies auf das gesamte gebärfähige Alter einer Frau ausgedehnt werden sollte, und dem kann ich absolut zustimmen.
Die Medienorganisation NPR (National Public Radio) ernannte das Jahr 2015 zum „Jahr der Periode“, weil sich die Verwendung des Wortes „Menstruation“ in den Nachrichtenbeiträgen zwischen 2010 und 2015 verdreifacht hatte, vor allem dank so prominenter Beiträge wie jenem über die Zensur eines Fotos von Rupi Kaur, das sie auf einem Bett liegend zeigt mit Blutflecken auf ihrer Hose und dem Laken, oder dem Marathonlauf von Kiran Gandhi in London, bei dem sie nichts tat, um ihre Blutung zu stoppen. Und dann war da noch die Reaktion auf Donald Trumps spöttische Bemerkung über Megyn Kelly, die die Bewegung #PeriodsAreNotAnInsult ins Leben rief. Gleichzeitig wurden die Rufe zur Abschaffung der Steuer auf Tampons, Binden und andere Menstruationsprodukte immer lauter. Schließlich ist es wirklich unverständlich, dass Tampons besteuert werden, Orangenkekse und Viagra aber nicht. (Die Aussage betrifft UK; in Deutschland werden seit 2020 Menstruationsprodukte nur noch mit 7 statt 19 Prozent besteuert; Anm. d. Übers.)
Es geht also voran. Nach einem erfolgreichen Pilotversuch hat die schottische Regierung mehr als 500 000 britische Pfund für einen Plan ausgegeben, demzufolge Haushalte mit niedrigem Einkommen kostenlos Menstruationsartikel erhalten, und vor Kurzem wurde damit begonnen, sie an Schüler und Studenten an allen Schulen, Colleges und Universitäten auszugeben. Leider haben die konservative Regierung in England und das englische Kultusministerium nicht mitgezogen.
Die Kampagne #freeperiods, angeführt von der Teenager-Aktivistin Amika George, erhielt massive öffentliche Unterstützung, und nach einer von der Organisation The Pink Protest organisierten Demonstration vor dem Parlament in London verpflichtete sich die Regierung tatsächlich, Mittel in Höhe von 15 Millionen britischen Pfund bereitzustellen, um die Periodenarmut in Großbritannien anzugehen – ein wahrhaft unglaubliches Ergebnis. Doch obwohl gleichzeitig angekündigt wurde, auch die Tampon-Steuer abzuschaffen, und der britische Ärzteverband (BMA) einen Antrag zur Beendigung der Periodenarmut unterstützte, besteht die Steuer immer noch.
Zum Glück gibt es einige Politiker, die sich dafür einsetzen, dass das Thema auf dem Tisch bleibt. Die Abgeordnete Danielle Rowley stand kürzlich im britischen Parlament auf und verkündete, dass sie gerade ihre Tage habe (Faustcheck, Schwester!). In den USA war der demokratische Abgeordnete Sean Maloney aus New York schockiert, als die Verwaltung ihm Kosten in Höhe von 37,16 US-Dollar nicht erstattete, die in seinem Büro für Tampons für Mitarbeiter und Besucher angefallen waren. Laut Mahoney sollten wir „damit aufhören, so zu tun, als wäre der tägliche Bedarf einer Frau etwas, mit dem wir nicht umgehen können.“ Männer, die sich für die Sache einsetzen wollen, dürfen sich gerne ein Beispiel an Maloney nehmen!
Eine zunehmende Zahl an Universitäten und Unternehmen stellt Studenten, Mitarbeitern und Besuchern kostenlose Menstruationsprodukte zur Verfügung. Kenia und Uganda haben ihre Steuern auf Menstruationsprodukte abgeschafft und Indien hat die 12-Prozent-Steuer auf Binden gekippt. In Kanada wurde die Mehrwertsteuer auf Binden und Tampons 2015 abgeschafft, ebenso wie in sechs US-Bundesstaaten, und es sieht so aus, als würde Australien in Kürze nachziehen.
Das sind durchaus Fortschritte, aber sie reichen nicht aus, denn es geht nicht nur um den Zugang zu Produkten, der vereinfacht werden muss. Wenn wir daran arbeiten wollen, die Scham und den Makel zu beseitigen, die häufig noch immer mit der Regelblutung verbunden sind, dann müssen wir weiter gehen. Wir müssen den Zugang zu Informationen und Bildung verbessern und lernen, eine andere Sprache zu verwenden, wenn wir über die Menstruation sprechen. In unserer Gesellschaft ist es die Schwangerschaft, und folglich das Fehlen einer Blutung, die gefeiert wird, und solange wir als reine „Fortpflanzungsgefäße“ betrachtet werden, bleibt unsere Menstruation etwas Ekliges und Verborgenes, ein Zeichen unserer Unfähigkeit, uns fortzupflanzen, statt unsere Fähigkeit als „Zuchtstuten“ zu erfüllen. Bei dem Stigma, das die Sprache und das Verhalten rund um die Periode dominiert, geht es vor allem um die Scham über einen fehlgeschlagenen Zyklus. Wenn Menstruationsartikel als weibliche Hygieneprodukte bezeichnet werden, dann lässt sich daraus ableiten, dass wir wohl schmutzig und unhygienisch sind. Und dann gibt es da noch die neue Tampon-Produktlinie von Tampax® mit dem Namen „Pure and Clean“ – denn auch wenn man einen Tampon benutzt, kann man ein braves Mädchen sein, Jungfrau bleiben, wie es sich gehört, und dazu noch sauber und rein sein.
Einige Unternehmen nehmen zugegebenermaßen Tabus in Angriff. Erstaunlicherweise ist niemals eine tatsächliche Damenbinde in einer Anzeige aufgetaucht, bis Bodyform® im Jahr 2016 eine echte zeigte. Gleichzeitig räumte die Firma mit dem Mythos der blauen Ersatzflüssigkeit auf, und zeigte eine rote Flüssigkeit, ebenso wie Blut, das am Bein einer Frau entlanglief, während sie duschte. In Indien gibt es den Mythos, dass Mädchen und Frauen während ihrer Periode eingelegtes Gemüse verderben lassen können. Folglich stieß die Werbekampagne #touchthepickle für Binden von Procter &