Das DAX-Unternehmen Henkel hatte acht Jahre lang mit Kathrin Menges eine Pädagogin als Personalchefin, was allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht angekommen ist und daher kaum Auswirkungen auf das Ansehen der Pädagogen in der Wirtschaft hat.
Juristen
Das Spannende an Juristen ist: Sie befassen sich genauso wie Psychologen mit den Regeln des menschlichen Verhaltens. Dies tun sie aber nicht auf Basis der Frage »Wie ticken die Menschen wirklich?«, sondern eher nach der Maxime »Wie sollten die Menschen miteinander umgehen, damit das Zusammenleben klappt?«. Dass das ein großer Unterschied ist, ist klar. Zudem haben die Juristen Bücher, in denen alle Regeln aufgeschrieben sind, die dann nur noch angewendet werden müssen, während die Psychologen auf der Suche nach den nicht ganz so offensichtlichen Mechanismen noch nicht auf ein komplettes Handbuch zurückgreifen können. Das macht die Zusammenarbeit nicht ganz leicht. Auf jeden Fall sind Juristen häufig in den oberen Etagen von Organisationen anzutreffen, und als Wirtschaftspsychologe muss man sich überlegen, wie man mit ihnen reibungslos klarkommt, denn an den Entscheidern kommt man nicht vorbei.
Als Unternehmenslenker scheinen Juristen immer weniger infrage zu kommen. Ihr Anteil unter den Vorstandschefs der großen Konzerne ist über die letzten Jahre deutlich gesunken und bleibt weit hinter dem Anteil an Wirtschaftswissenschaftlern und Ingenieuren zurück. Aus Karrieregründen kann das Jurastudium heute also nicht mehr unumwunden empfohlen werden.
Standing und Image der Psychologen im Unternehmen
»Können Sie mir bitte sagen, wie ich zum Bahnhof komme?« – »Tut mir leid, den Weg kenne ich leider auch nicht, aber gut, dass wir darüber gesprochen haben.«
Das Image der Psychologen in der Öffentlichkeit ist durch die bekannteste Gruppierung, die klinischen, therapeutisch arbeitenden Psychologen geprägt. Diese tragen Cardigan, Birkenstocks und Bart, nicken viel und sagen wenig, sind freundlich, sympathisch und leicht schrullig. Gelegentlich haben sie einen Geistesblitz, der ihre Patienten auch weiterbringt, im Allgemeinen sind sie harmlos und ziehen keine Wurst vom Teller.
Wagt sich der Psychologe in das Unternehmen, kann er sich mit diesem Image natürlich nicht profilieren. Hier muss er sich zumindest in Anzug und mit Krawatte oder im Kostüm bewegen, um den »großen Bruder« BWLer möglichst gut zu imitieren. Intellektuellenbrille, Samsonite-Koffer, Montblanc-Kuli und Breitling-Uhr helfen da ungemein. Am besten gelungen ist dies den Diagnostikern unter den Psychologen, die Mitarbeiter »screenen« und Empfehlungen aussprechen: Wer geht »up« und wer ist »out«?
Stärken von Wirtschaftspsychologen
In Tabelle 1.1 sind einige exemplarische Bereiche genannt, in denen Psychologen in Unternehmen tätig sind. Der Bereich der Diagnostik kommt dabei besonders gut weg: In diesem Feld haben sich Psychologen durch die methodische Verfeinerung von Personalauswahlverfahren wie dem Assessment-Center eine gute Position erworben. Das hängt auch damit zusammen, dass zum Psychologiestudium eine umfangreiche Ausbildung in Statistik, Stochastik und psychologischer Methodenlehre gehört – umfangreicher als in den meisten anderen Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Denn wer sich mit weichen Themen beschäftigt, muss sich auch überlegen, wie diese weichen Themen mit harten Zahlen belegt werden können – sonst tappt man im Dunkeln. Mehr zu diesen Themen erfahren Sie in den Kapiteln 3 und 4, in denen es um Forschungsmethoden und Statistik sowie um Diagnostik und Testentwicklung geht.
Bereich | Standing | Bemerkung |
---|---|---|
Diagnostik: Einstellungs- und Auswahlentscheidungen | gut bis sehr gut | durch Assessment-Center-Methode und konsequente Weiterentwicklung |
Personalentwicklung: Training und Coaching | gut | Psychologen sind in diesem Feld gut angesehen, haben aber auch viel Konkurrenz. |
Personal- und Strategieberatung | mittel | Hier sind Psychologen auch dabei, jedoch in der Unterzahl. |
Führungskraft im Unternehmen | mittel bis gering | selten in Linienfunktionen zu finden, am ehesten im Personalbereich oder als Chef kleiner bis mittlerer spezialisierter Beratungsunternehmen |
Tabelle 1.1: Einige Einsatzfelder für Psychologen und ihr Standing
Ein weiterer Bereich, in dem Psychologen als anerkannt gelten können, ist der Bereich Personalentwicklung, wobei eher außerfachliche Kompetenzen im Fokus stehen: sogenannte Schlüsselqualifikationen. Hierzu gehören Kompetenzen wie
Mitarbeiterführung,
Konfliktmanagement,
Verhandlungsführung,
Kommunikation und Kooperation,
Moderation und Präsentation,
Projektmanagement.
Diese Themen werden meist im Rahmen von Trainings oder Coachings vermittelt. Um anderen Menschen ein neues Verhalten beizubringen, werden genau diese Kompetenzen auch benötigt. In Kapitel 2 erfahren Sie, welche Soft Skills Psychologen im Laufe ihrer Ausbildung entwickeln müssen, um andere wiederum bei ihren Entwicklungsprozessen unterstützen zu können.
Aktuell etabliert sich die Wirtschaftspsychologie als angewandte Wissenschaft mit ernst zu nehmenden Beiträgen zum Wirtschaftsleben. Dabei ist sie in deutschsprachigen Ländern in erster Linie an Fachhochschulen verankert, die als Erste den Trend erkannt haben, Psychologie mit Betriebswirtschaftslehre zu verknüpfen und dadurch ein neues Berufsbild zu schaffen. Die Wirtschaftspsychologie hat den Vorteil, dass sie sich auf die Grundlagenforschung der Universitäten stützen kann.
Wirtschaftspsychologie studieren
Deutschlandweit bieten Universitäten und Fachhochschulen, darunter auch private Institutionen, insgesamt an fast 100 Standorten Bachelor- und/oder Masterstudiengänge in Wirtschaftspsychologie an. An vielen weiteren Hochschulen besteht die Möglichkeit, »Wirtschaftspsychologie« als Schwerpunkt- oder Nebenfach zu belegen. In den letzten Jahren ist insbesondere die Möglichkeit, Wirtschaftspsychologie im Fernstudiengang zu studieren, ausgebaut worden.
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) verzeichnet aktuell etwa 11.000 Mitglieder, wovon nahezu 1.500 in der Fachgruppe Wirtschaftspsychologie organisiert waren. Allerdings vertritt der Berufsverband ausschließlich die Interessen derjenigen, die sich den geschützten Begriff »Psychologe/in« zulegen dürfen. Dies sind Diplom- und Masterabsolventen von Hochschulen, die im Studium zu mindestens 70 Prozent psychologische Fächer hatten. Da scheiden einige Wirtschaftspsychologie-Absolventen schon aus, weil sie einen höheren Anteil an BWL und Recht in ihrem Studium abgedeckt haben. Die Abschlüsse welcher Hochschulen zur Mitgliedschaft