Als das Meer sich beruhigt hat, passiert das Unfassbare: ein Blauwal, so lang wie das Schiff. Das glaubt mir keiner, ein unvergesslicher Anblick. Ich kann mich gar nicht satt sehen und vor Staunen vergesse ich ein Foto zu machen. Hinterher bin ich darüber sehr zufrieden und damit sehr einverstanden.
Abends hören wir einen Vortrag über die Tiere, die sich hier tummeln und über den Blauwal: Er kommt in allen Weltmeeren vor und kann bis zu 33 Meter lang werden und bis zu 200 Tonnen schwer. Auch kann er sehr alt werden, mindestens 100 Jahre, wenn nicht älter.
Mein Fotoapparat macht schlapp. Das Objektiv lässt sich nicht mehr einfahren. Das gibt es ja gar nicht, dasselbe ist mir mit demselben Fotoapparat beim Eintritt in Machu Picchu vor vier Jahren passiert.
Dieser Fotoapparat hält diese Schönheit nicht aus. Er streikt und vielleicht hat er Recht. Jedes Mal macht das etwas mit mir und jedes Mal stellt sich mir die Frage: Warum machst du diese Fotos, warum reist du nicht ohne Kamera? Das wäre eigentlich für mich reizvoller. Ich würde dann ganz anders nochmal in die Welt schauen. Aber ich traue mich das nicht, weil ich weiß, dass ich inzwischen auch vergesslich geworden bin und mich beim Betrachten alter Fotos erinnern und riesig freuen kann über vergangene Ereignisse, die ich so möglicherweise nicht in mein Gedächtnis hätte zurückholen können. Also eben doch ein paar Erinnerungsfotos nur für mich. Anderen Menschen zeige ich die Fotos fast gar nicht, weil ich weiß, dass viele sich emotional nicht wirklich für die Fotos und Reisen anderer interessieren, es sei denn, es gibt da irgendetwas, mit dem man sich selber identifizieren kann.
Ich frage einige Männer an Bord, die Fotoapparate bei sich tragen, die richtig gut und teuer aussehen, und die ständig fotografieren, in der Annahme, dass sie sich auskennen und meinen Apparat wieder in die Gänge kriegen können. Sie basteln ein bisschen dran herum und wissen auch keinen Rat.
Nach zwei Tagen hat er sich wieder selbst repariert, wie damals auch.
Mein Freund Siegfried, genannt SAGA, ist Künstler und hat eine ganz eigene Art, Erinnerungen herzustellen. Wenn er und seine Frau reisen, benutzen sie die Technik der Frottage.
Er sagt dazu: „Die Kunst und die Welt des Reisens als Openair-Atelier zu nutzen, war unser Ziel. Aber wie? Ausgangspunkt waren zunächst die herzlichen und aufschlussreichen Begegnungen mit blinden Menschen. Sie lenkten unsere Aufmerksamkeit mehr denn je hin zum
bewussteren Sehen und Begreifen. Um dies bildhaft zum Ausdruck zu bringen, spezialisierten wir uns auf die so genannte Frottagetechnik. D.h., wer als Kind das Profil (Relief) einer Münze mit Bleistift auf ein Blatt Papier durchgerieben (franz. frotter)hat, kennt dieses 2000 Jahre alte Druckprinzip.
Auf unseren Reisen z. B. durch alle 28 Hauptstädte der Europäischen Union, durch deutsche Universitätsstädte oder entlang der Eisenbahnstrecke von Berlin über Moskau bis Vladivostok, galt es, markante landes- und städtetypische Reliefoberflächen an Gebäuden, an Denkmälern, auf Straßen und Plätzen und in Parkanlagen zu finden und als geeignet zu erfassen. Diese Reliefentdeckungen wurden sodann mittels farbigen Ölkreiden auf passend vorbemalte Stoffbahnen vor Ort original frottiert. Dabei verwiesen die vielfältigen Symbole, Ornamente, Texte, Zahlen, Namen und Strukturen auf die teils tragischen, aber auch fortschrittlichen Vergangenheitsereignisse in historischer, kultureller, gesellschaftlicher, ökonomischer und religiöser Hinsicht. Auf diese Weise entstanden sich verdichtende kaleidoskopartige Kompositionen.
In der Quintessenz führte diese künstlerische Vorgehensweise in der Welt des Reisens, nicht nur vor Ort, sondern auch bei nachfolgenden Kunstausstellungen, zu bereichernden Begegnungen von und mit international aufgeschlossenen Menschen.“
Am dritten Tag fallen die Schwächen der Fähre auf. Sie ist veraltet und vergammelt, aber daran stört sich niemand. Diese Reise ist so einzigartig, dass ich sie wohl mit jedem Schiff machen würde, sofern es sauber ist, und das ist es.
Es ist ein neues Erlebnis für mich, in einer Gruppe fünf Tage auf einem Schiff zu sein ohne Landgang. Es ist eine wunderbare Erfahrung mit netten Menschen, die auf dieser Fahrt wie eine Familie sind. Wenn man Frühaufsteher ist, so wie ich, dann trifft man jeden Morgen noch vor dem Frühstück zum Sonnenaufgang dieselben Menschen, dieselben Frühaufsteher. Auf so einer Tour kann man recht vertraut miteinander werden und erzählt sich viele private Dinge. Das tut gut und man ist geschützt, weil man sich nach Ende der Fahrt wahrscheinlich nie im Leben wiedersehen wird. Gleichzeitig kann man sich auf diesem Schiff aber auch sehr gut aus dem Wege gehen und es entsteht nicht so eine Gruppendynamik wie zum Beispiel bei einer Busreise. Ich freue mich sehr, dass ich diese Fahrt gemacht habe.
Langsam erreichen wir den Golf von Ancud. Hier sind die Fahrwasser ruhig. Der Golf wird von den Inseln des Chiloe- Archipels geschützt, mein nächstes Ziel.
Chiloe ist eine grüne, hügelige Insel.
Auf der gegenüberliegenden Seite auf dem Festland ragen zum Schluss der Reise noch zwei gewaltige schneebedeckte Vulkane in den blauen Himmel.
Dann ändert sich das Wetter. Es ändert sich ständig und rasch, erst Regen und Wolken, kurze Zeit danach, nach einem heftigen Wind, wieder strahlend blauer Himmel und gespenstische Ruhe. Das Schiff gleitet vorbei an Seelöwen, Pinguinen und Delfinen.
Um 8.30 Uhr morgens erreichen wir Puerto Montt.
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