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Diese grundsätzliche Vorgehensweise zur Zuweisung von Funktionen, Verantwortung und Kompetenzen sowie zur Identifikation von Schnittstellen und Informationsbedürfnissen soll nachfolgend exemplarisch für wesentliche Projektrollen erörtert werden, wie sie üblicherweise bei größeren Internal Investigations mit autonomer Projektorganisation vorzufinden sind. Nicht alle diese Projektrollen müssen zwingend in jeder Phase der Internal Investigation vorzufinden sein. Auch kann die Aufbauorganisation im Verlauf der Internal Investigation anzupassen sein, z.B. wenn sich Untersuchungsziel oder -aufgaben ändern bzw. erweitern.
aa) Auftraggeber des Projektes
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Es existiert eine Vielzahl von Auslösern für Projekte,[18] so auch für eine Internal Investigation. Doch kein Projekt startet von selbst sondern muss ins Leben gerufen werden. Auch eine Internal Investigation ist erst zu beauftragen. Der Auftraggeber dieses Projektes ist nicht notwendigerweise derjenige, der den Anstoß dazu gegeben hat. Er ist jedoch derjenige, der die Rahmenbedingungen abzustecken hat, d.h. die Anforderungen und Ziele, die mit der Internal Investigation verbunden sind, definieren muss.
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Internal Investigation zeichnen sich durch einen internen Projektauftraggeber aus. Hiervon abzugrenzen sind Projekte mit externen Projektauftraggebern (z.B. externen Kunden). Eine Internal Investigation mag möglicherweise parallel zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stattfinden. Gleichwohl darf dieser Umstand nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in solchen Fällen der Auftrag für die das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren begleitende Internal Investigation durch den Vorstand des Unternehmens erteilt wird. Als weitere Auftraggeber für eine Internal Investigation kommen Stabsabteilungen wie Corporate Compliance, die Rechtsabteilung, die Steuerabteilung oder die interne Revision, jedoch auch der Aufsichtsrat[19] in Betracht (siehe dazu auch Rn. 10).
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Der Auftraggeber einer Internal Investigation hat zunächst – wie bei jedem anderen Projekt auch – einen Projektleiter auszuwählen. Diesem gegenüber wird der Projektauftrag erteilt. Gerade bei komplexeren Internal Investigations, im Rahmen derer auch externe Berater beauftragt werden, hat der Projektauftraggeber bei Ernennung des Projektleiters oftmals noch eine vergleichsweise unpräzise Vorstellung zu den einzelnen Projekt-/Untersuchungszielen. Es ist dann die gemeinsame Aufgabe des Auftraggebers und des Projektleiters – ggf. in Person eines unternehmensexternen Beraters –, die konkreten Untersuchungsziele und -aufgaben (inhaltliche Projektabgrenzung) herauszuarbeiten und zu vereinbaren.
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Aufbauend auf der inhaltlichen Abgrenzung der Internal Investigation wird der Auftraggeber auch eine erste zeitliche Determinierung vornehmen, wesentliche Projektphasen abgrenzen, Meilensteine und Termine festlegen sowie seine Vorstellungen über den Kostenrahmen festhalten (Projektrahmenplan). Innerhalb dieser Vorgaben obliegt es dann dem Projektleiter, die Internal Investigation als Projekt eigenverantwortlich zu planen und durchzuführen. Der Projektplan wird von dem Auftraggeber geprüft und genehmigt. Damit verbunden ist die Zusicherung, die vereinbarten bzw. erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. Während des Projektes nimmt der Auftraggeber nur eine übergeordnete Führungsfunktion (Eskalationsstufe/Entscheidungsinstanz) ein: In Situationen, in denen die Autorität oder die Kompetenzen des Projektleiters nicht ausreichen (Krisen-/Eskalationsfall), greift der Auftraggeber ein. Ferner sind von ihm diejenigen (strategischen) Entscheidungen zu treffen, die das Projekt als Ganzes betreffen (z.B. Veränderung des Umfangs/Ziels der Internal Investigation, Laufzeit, Budget, Ressourcenbedarf, Wechsel der Projektleitung, etc.) oder eine projektübergeordnete Bedeutung entfalten (z.B. im Unternehmen zu ergreifende Sofortmaßnahmen aufgrund erster Untersuchungsergebnisse). Daneben ist der Auftraggeber für das strategische Projektcontrolling verantwortlich, d.h. die Überwachung des Projektfortschritts (wesentliche Teilergebnisse und Termine, Zielerreichung) und die Kostenkontrolle. Und der Auftraggeber hat die Interessen des Projektes gegenüber Umfeldgruppen zu vertreten bzw. den Projektleiter darin zu unterstützen. Zu berücksichtigen sind sowohl unternehmensinterne (z.B. erweiterte Geschäftsführung, Betriebsrat) wie auch unternehmensexterne Umfeldgruppen (z.B. Kreditgeber, Konsortialpartner, Behörden). Nach Abschluss des Projektes (dieser ist vom Auftraggeber festzustellen) hat der Auftraggeber die Pflicht, den Projektleiter zu entlasten und das Projekt formal zu beenden (Auflösung der Projektorganisation), die dokumentierten Ergebnisse der Internal Investigation zu sichern und den Nutzen daraus für das Unternehmen zu ziehen.
bb) Projektlenkungsausschuss
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Bei besonders umfangreichen und fachlich komplexen internen Untersuchungsprojekten kann als Entscheidungs- und Verantwortungsträger an die Stelle oder in Erweiterung des Auftraggebers auch ein Projektlenkungsausschuss (Steuerungsgruppe, Steering Commitee, Projektbeirat) treten. Wird ein solches Gremium installiert, so kann dies einerseits dem Umstand Rechnung tragen, dass die genannten Großprojekte typischerweise einen Auftraggeber aus der obersten Stufe der Unternehmensführung haben (Vorstand, Geschäftsführung). Weil dieser Auftraggeber die Interessen eines solchen Projektes oftmals schon rein zeitlich nicht in Gänze wahrnehmen kann, ist u.U. ein Lenkungsausschuss mit Mitgliedern aus der unmittelbar nachgeordneten Führungsebene zur Entlastung des eigentlichen Auftraggebers geboten. Andererseits kann der Grund auch in den fachlichen Anforderungen des Projektes liegen. Ein hochrangiger Auftraggeber mag zwar die strategischen Projektentscheidungen insbesondere mit entsprechend finanziellen Auswirkungen treffen können. Auf viele inhaltliche Fragestellungen wird dies jedoch nicht zutreffen. Insbesondere wenn mehrere Fachabteilungen des Unternehmens in die Internal Investigation eingebunden sein sollten (bspw. Rechts- und Steuerabteilung, Vertrieb und Personalabteilung) und/oder verschiedene externe Beratergruppen, kann ein Projektlenkungsausschuss im Sinne eines Fachgremiums helfen, die divergierenden oder sogar konfligierenden Anforderungen der beteiligten Fachgruppen zu bündeln und in einheitliche Projektziele zu überführen. Mit diesem Hintergrund ist ein Projektlenkungsausschuss in der Praxis deshalb oft in Verbindung mit einer Matrix-Projektorganisation anzutreffen. Der Ausschuss dient in diesen Fällen der leichteren Abstimmung zwischen der Projekt- und der Linienorganisation.
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Ist ein Projektlenkungsausschuss in dem vorgenannten Sinne als Mittler zwischen dem eigentlichen Auftraggeber und dem Projektleiter eingesetzt, so können an dieses Gremium weitere Auftraggeber-Aufgaben delegiert werden. Soweit dies erfolgt, hat der Projektlenkungsausschuss die Projektaktivitäten ergebnisverantwortlich zu leiten bzw. zu überwachen. Die besonderen Anforderungen, die sich daraus für die Ablauforganisation des Projektes ergeben (Sitzungsfrequenzen, Berichterstattung, etc.), sind insbesondere im Rahmen der Terminplanung (siehe dazu Rn. 107 f.) zu berücksichtigen.
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Ein fachübergreifend besetzter Projektlenkungsausschuss eignet sich außerdem besonders gut, die vielfältigen Interessen eines großen Untersuchungsprojektes nach außen zu vertreten. Wie bereits erwähnt, kann eine solche Internal Investigation parallel zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, bspw. wegen erhobener Korruptionsvorwürfe, stattfinden. In diesen Fällen wird seitens des Unternehmens oftmals gegenüber der Ermittlungsbehörde eine Kooperationszusage abgegeben. Diese beinhaltet mindestens, dass für die Ermittlungen notwendige Unterlagen auf Anfrage