2.Abs 1 Buchst b11, 12
IV.Umsetzung in Deutschland18, 19
I. Zweck der Vorschrift
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Jedes Steuerabkommen als völkerrechtlicher Vertrag muss sich notwendigerweise abstrakt-genereller Regelungen bedienen, die auf eine Vielzahl bekannter und unbekannter Einzelfälle anwendbar sein müssen. Ebenso selbstverständlich ist es, dass sich ein Abkommen in einem Spezialbereich einer Vielzahl von Fachtermini (Ausdrücke in der Terminologie des MLI oder Begriffe in der Terminologie des OECD-MA) bedient, die mal aus sich selbst heraus verständlich und mal auslegungsbedürftig sein können. Insb sog unbestimmte Rechtsbegriffe, die mehrere Bedeutungen haben können und nicht klar konturiert sind, müssen für die Anwendungspraxis zumindest bestimmbar sein.
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Vor diesem Hintergrund enthalten int Verträge, aber insb völkerrechtliche Verträge regelmäßig im vorderen Teil eine Vorschrift, die für den Vertrag besonders wichtige Fachtermini definiert. Solche Definitionen sieht auch Art 2 Abs 1 MLI vor und erfüllt damit eine wichtige Funktion für die Anwendung des Vertrags insgesamt. Diese Definitionen gelten nämlich für sämtliche Vertragsstaaten und sollten daher bestenfalls nicht auslegungsbedürftig sein. Auf diese Weise wird eine einheitliche Anwendung des Vertrags in allen Vertragsstaaten sichergestellt. Abs 2 der Norm enthält zwar für nicht im MLI definierte Fachtermini zunächst nur eine Weiterverweisung auf das jeweils konkret einschlägige erfasste Steuerabkommen, dient aber im Ergebnis demselben Zweck.
II. Bezug zum OECD-MA
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Die Vorschrift entspricht Art 3 OECD-MA, der terminologisch „Begriffsbestimmungen“ vorsieht, ohne dass damit inhaltlich ein Unterschied verbunden wäre. Freilich handelt es sich bei den in Art 2 Abs 1 MLI in Bezug genommenen Ausdrücken nur um solche des MLI, während Art 3 Abs 1 OECD-MA Begriffe des OECD-MA definiert. Ferner sieht Art 2 Abs 2 MLI ebenso wie Art 3 Abs 2 OECD-MA eine Regelung für nicht in dem jeweiligen Abkommen definierte Begriffe vor. Insoweit stehen Art 3 Abs 1 bzw Abs 2 OECD-MA und Art 2 Abs 1 bzw Abs 2 MLI aufgrund der unterschiedlichen Regelungsebenen im Grundsatz selbstständig nebeneinander. Eine Verbindung zwischen beiden Ebenen indes schafft Art 2 Abs 2 MLI, der für die Auslegung von im MLI nicht definierten Begriffen zunächst auf das jeweils erfasste Steuerabkommen verweist. Die in dem jeweiligen Steuerabkommen dem Art 3 Abs 2 OECD-MA entsprechende Vorschrift wiederum verweist bei ihrerseits fehlender Definition im Steuerabkommen sodann auf das nationale Recht des Anwenderstaates. Dieses ist mithin in Ausnahmefällen auch zur Auslegung des MLI berufen.
1. Abs 1 Buchst a
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Die Vorschrift erfüllt eine zentrale Funktion für das gesamte MLI, denn dieses kann seine Zweckbestimmung der Änderung bereits bestehender DBA nur erreichen, wenn hinreichend klar feststeht, für welche DBA einer Vertragspartei diese Änderungen durch das MLI gelten sollen. Die Vertragsparteien müssen daher diejenigen DBA, die durch das MLI geändert werden sollen, ausdrücklich und für alle anderen Vertragsparteien nachvollziehbar zu sog erfassten Steuerabkommen erklären, denn das MLI modifiziert nach dessen Art 1 nur „alle erfassten Steuerabkommen iSd Art 2 Abs 1 Buchst a (Auslegung von Ausdrücken)“.
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Nach Art 2 Abs 1 MLT bedeutet der Ausdruck „erfasstes Steuerabkommen“ danach ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (unabhängig davon, ob es auch für andere Steuern gilt), das in Kraft ist zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien und/oder Gebieten oder Hoheitsgebieten, die Vertragsparteien eines derartigen Abkommens sind und für deren int Beziehungen eine Vertragspartei zuständig ist, sowie in Bezug auf welches jede derartige Vertragspartei dem Verwahrer eine Notifikation übermittelt hat, in der das Abkommen sowie sämtliche Änderungs- und Begleitübereinkünfte dazu (unter Angabe des Titels, der Namen der Vertragsparteien, des Datums der Unterzeichnung und – sofern zum Zeitpunkt der Notifikation zutreffend – des Datums des Inkrafttretens) als Abkommen aufgeführt sind, das von diesem Übereinkommen erfasst sein soll. Hieraus ergeben sich für das solchermaßen „erfasste Steuerabkommen“ die folgenden drei Tatbestandsmerkmale.
a) DBA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
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Um als „erfasstes Steuerabkommen“ zu qualifizieren, muss zunächst ein „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen“ vorliegen. Diese oder eine ähnliche Terminologie verwenden sämtliche DBA, die Deutschland im Bereich des Ertragsteuerrechts abgeschlossen hat. Der Klammerzusatz „unabhängig davon, ob es auch für andere Steuern gilt“ macht zudem deutlich, dass die Einbeziehung anderer Steuern, die im regelmäßig in einer dem Art 2 OECD vergleichbaren Vorschrift angesprochen sind, unschädlich sind. In dt Abkommen wird beispielsweise häufig auch die Gewerbesteuer oder sogar die Grunderwerbsteuer als erfasste Steuerarten genannt, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Möglichkeit zur Benennung dieses Abkommens als erfasstes Steuerabkommen hätte.
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Zu beachten ist dennoch die Einschränkung „auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen“. Aus Rn 25 der Erläuterungen (Explanatory Statements) zu Art 2 MLT geht hervor, dass Abkommen betreffend die Seeschiff- und Luftfahrt sowie Sozialversicherungsabkommen nicht unter Art 2 Abs 1 Buchst a) qualifizieren. Die Sachnormen des MLI würden in Bezug auf diese Abkommen ohnehin keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Sinn ergeben, weil die abkommensbezogenen Ergebnisse des BEPS-Projekts insoweit nicht relevant sind.
b) In Kraft befindliches Abkommen
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Das im vorstehenden Sinne grds für das MLI qualifizierende „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen“ muss ferner zum Zeitpunkt der Benennung als erfasstes Steuerabkommen zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien und/oder Gebieten oder Hoheitsgebieten, die Vertragsparteien eines derartigen Abkommens sind und für deren int Beziehungen eine Vertragspartei zuständig ist, in Kraft sein.
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