2. Teil Emittenten-Compliance › 3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › A. Einleitung
A. Einleitung
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– | „Wenn Aktionäre es zu spät erfahren.“[1] |
– | „Ad-hoc-Pflichten von VW, RWE & Co.: Anleger spät und schlecht zu informieren, ist riskant.“[2] |
– | „Deutsche Börse: Staatsanwaltschaft prüft Publizitätsverstoß.“[3] |
– | „Deutsche Bank muss Bußgeld wegen Ad-hoc-Verstößen zahlen.“[4] |
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So lauten Pressemitteilungen über potenziell unzureichende Ad-hoc-Mitteilungen.
Die Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung wurde seit ihrer Einführung 1995 dreimal reformiert und zählt zu den Kernbereichen des WpHG.[5]
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Am 3.7.2016 trat europaweit die vierte Reform durch die unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten geltende Marktmissbrauchsverordnung in Kraft. Zwar ist das Grundgerüst der bisherigen Publizitätspflicht bestehen geblieben[6], jedoch erfordert sie durch eine drastische Erhöhung der Bußgeldandrohungen und des erweiterten Anwendungsbereichs eine noch höhere Aufmerksamkeit in Bezug auf die Einhaltung der Pflichten als bisher.
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Der Anwender ist dabei aufgrund der europäischen Regelungsmechanik, mit einer Dichte von Regelungsebenen[7] konfrontiert, die es zu überblicken und einzuhalten gilt.
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Die Unternehmenspraxis steht dabei vor der Herausforderung, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen, die aktuelle Rechtsprechung sowie den Meinungsstand in der Literatur zu analysieren und bei der konkreten Beurteilung der Ad-hoc-Publizitätspflicht im Einzelfall, aber auch bei der Modellierung der zu ihrer Erfüllung erforderlichen Prozesse, zu berücksichtigen.
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Im Folgenden werden daher die rechtlichen Grundlagen der Ad-hoc-Publizitätspflicht, die wichtigsten strittigen Fragen sowie prozessuale Maßnahmen zur größtmöglichen Reduzierung von Haftungsrisiken in der Praxis näher beleuchtet.
2. Teil Emittenten-Compliance › 3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › B. Tatbestandliche Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht
I. Überblick
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Gem. Art. 17 der Marktmissbrauchsverordnung[8] (EU/596/2014 – MAR) müssen Emittenten[9] Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich bekanntgeben. Wann eine Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betrifft, ist in der MAR nicht geregelt, hier gilt weiterhin, dass dies Umstände sein können die in der Sphäre des Emittenten eintreten, z.B. eine Kapitalerhöhung, als auch solche die außerhalb der Sphäre des Emittenten eintreten, diesen aber unmittelbar betreffen, z.B. die Durchführung eines Squeeze-Outs.
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Allerdings kann sich der Emittent so lange von der Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung selbst befreien, wie es (i) der Schutz seiner berechtigten Interessen oder die Interessen des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate erfordert, (ii) der Aufschub nicht dazu geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen und (iii) der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Unter diesen Voraussetzungen kann sich der Emittent z.B. im Falle eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der aus mehreren Schritten besteht und einen bestimmten Umstand oder bestimmtes Ereignis herbeiführen soll, von der Ad-hoc-Veröffentlichung befreien.[10] Im Falle der Selbstbefreiung hat der Emittent nach Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung des Sachverhaltes eine sog. Selbstbefreiungsmitteilung der zuständigen Behörde (BaFin) zu übermitteln.[11]
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Bei der Beurteilung der Frage, wann im Einzelfall die Ad-hoc-Publizitätspflicht eintritt, sieht sich der Rechtsanwender mit unbestimmten Rechtsbegriffen konfrontiert, deren Auslegung in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist. Als Auslöser für die Ad-hoc-Publizitätspflicht kommt dabei dem Begriff der Insiderinformation im Sinne des Art. 7 MAR eine Schlüsselrolle zu.[12]
II. Anwendungsbereich
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Gem. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 MAR treffen die Ad-hoc-Publizitätspflichten nicht nur Emittenten deren Wertpapiere am regulierten Markt zugelassen sind[13] sondern erfasst nunmehr Emittenten von Finanzinstrumenten,[14] deren Zulassung an einem geregelten Markt[15] beantragt oder genehmigt[16] wurde und Emittenten die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung an einem multilateralen oder organisierten Handelssystem[17] erhalten haben bzw. die Zulassung zum Handel an einem multilateralen Handelssystem (MTF) beantragt haben. Somit haben die Regelungen zur Ad-hoc-Publizität eine Erweiterung erfahren und erfassen unter anderem auch Freiverkehrsemittenten.
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In Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 MAR und auch im Erwägungsgrund Nr. 49 S. 5 MAR wird jedoch explizit klargestellt, dass der Emittent nur verpflichtet ist Insiderinformationen offenzulegen, „wenn