b) Die erfassten Handlungsformen
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Als verbotenen Handlungsformen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenwirkens sieht das Kartellverbot Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen an. Die Grenze zwischen den gleichrangig nebeneinanderstehenden Koordinierungsformen ist fließend. Alle Handlungsformen haben gemeinsam, dass sie die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten von Unternehmen auf dem Markt beseitigen.[22]
aa) Vereinbarung
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Der Begriff der Vereinbarung ist ein eigenständiger kartellrechtlicher Terminus, der weit auszulegen ist. Nach der Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung vor, wenn die Parteien ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck bringen (Willensübereinstimmung), sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise unternehmerisch zu verhalten.[23] Der Vereinbarungsbegriff erfasst danach in jedem Fall zivilrechtliche Verträge, geht aber noch darüber hinaus. Die Tatsache, dass ein Verstoß gegen das Kartellverbot zur zivilrechtlichen Nichtigkeit des Vertrages führt (§ 134 BGB) ändert nichts am Vorliegen einer Vereinbarung. Unerheblich ist wo und wann sowie in welcher Art und Weise die Vereinbarung zustande kommt, also schriftlich, elektronisch per E-Mail oder mündlich, ausdrücklich oder konkludent. Das gilt auch für die Motivation der Beteiligten, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Vereinbarung freiwillig oder unter dem wirtschaftlichen Druck der Konkurrenten zu Stande kommt. Die Tathandlung ist bereits durch den Abschluss der Vereinbarung vollendet, ohne dass es auf ihre Umsetzung oder Befolgung ankommt. Einem Unternehmen wird dabei das Verhalten aller Personen zugerechnet, die berechtigt sind für das Unternehmen tätig zu werden. Die Kenntnis der Geschäftsführung von der Vereinbarung oder eine Bevollmächtigung ist nicht erforderlich.[24] Das Kartellverbot erfasst Vereinbarungen unabhängig davon, ob die Vertragspartner auf der gleichen Wirtschaftsstufe (sog. horizontale Vereinbarungen) oder auf verschiedenen Wirtschaftsstufen (sog. vertikale Vereinbarungen) tätig sind. Unter das Kartellverbot fallen daher nicht nur die „klassischen“ Kartelabsprachen zwischen Wettbewerbern, sondern z.B. auch Ausschließlichkeits- und Vertriebsbindungen, Preis- und Konditionenbindungen sowie Lizenzverträge.
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Erfasst werden auch sog. gentlemen‘s agreements, bei denen die Beteiligten von vornherein auf eine rechtliche Verbindlichkeit der Verständigung verzichten und sich statt dessen mit einer wirtschaftlichen, moralischen oder gesellschaftsrechtlichen Bindung zufrieden geben.[25]
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Im Einzelfall problematisch ist die Abgrenzung der Vereinbarungen von den einseitigen Handlungen. Letztere stellen ebenso wie Empfehlungen, Weisungen oder Warnungen sowie interne Beschränkungen der Produktion oder des Absatzes keine Vereinbarung dar, weil hierfür eine Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien notwendig ist. Sie sind alleine am Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV/§ 19 GWB) zu messen, das – anders als das Kartellverbot – eine marktbeherrschende Stellung voraussetzt. Keine einseitige Maßnahme liegt nach der Rechtsprechung vor bei „einseitigen“ Aktionen eines Unternehmens zur weiteren Konkretisierung oder Durchführung einer bereits zuvor begründeten langjährigen Vertriebsvereinbarung, wenn sich diese als eine konkludente Aufforderung darstellen und die andere Seite dieser zumindest konkludent zustimmt.[26] Hierzu gehören etwa „einseitige“ Maßnahmen von Herstellern, mit denen diese versuchen, ihre Abnehmer (Händler) an Reimporten zu hindern.
bb) Beschluss
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Unter einem Beschluss ist ganz allgemein zunächst einmal jeder (körperschaftliche) Rechtsakt zu verstehen, durch den eine Unternehmensvereinigung ihren Willen bildet.[27] Die Rechtsprechung sowohl der Gemeinschaftsgerichte als auch des Bundesgerichtshofs tendiert zu einem weiten Verständnis des Begriffs „Beschluss“ und begründet dies damit, dass es sich beim Verbot wettbewerbsbeschränkender Beschlüsse um einen Umgehungstatbestand handelt. Dementsprechend ist es für die Anwendung des Kartellverbots ohne Belang, auf welche Weise, insbesondere auf welcher Ebene der Unternehmensvereinigung die Willensbildung geschieht. Sowohl die Willensbildung der Mitglieder der Exekutiv-, Kontroll- oder Beratungsorgane der Unternehmensvereinigung (Vorstand, Geschäftsführung, Kontrollgremien, Beirat etc.) als auch die Willensbildung der der Vereinigung angehörigen Unternehmen in Mitgliederversammlungen oder Fachausschüssen haben Beschlusscharakter.[28] Auch faktische Handlungen der Organe der Vereinigung, von Organmitgliedern oder sonstigen Vertretern (z.B. Vortragsveranstaltungen bei den Mitgliedern) werden als Beschlüsse angesehen und zwar unabhängig davon, ob hierbei die Bestimmungen der Satzung eingehalten wurden.[29] Nach der Rechtsprechung ist die rechtliche Verbindlichkeit keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Kartellverbots auf Beschlüsse. Vielmehr reicht es aus, wenn die Mitglieder faktisch gebunden sind. Dementsprechend genügen Empfehlungen von Verbänden bereits als solche dieser Voraussetzung, wenn die Empfänger der Empfehlung sich dieser nicht entziehen können, ohne Nachteile rechtlicher, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Art inkaufzunehmen.[30] Fehlt es an derartigen Sanktionen, so ist der Tatbestand des Beschlusses erst dann erfüllt, wenn die Empfehlung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen von mehreren Mitgliedern der Vereinigung freiwillig angenommen und befolgt wird.[31]
cc) Abgestimmte Verhaltensweise
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Als Auffangtatbestand werden vom Kartellverbot auch „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ erfasst. Hierbei handelt es sich um Formen der Verhaltenskoordinierung, die ohne irgendeine Bindungswirkung oder Willensübereinstimmung zu einem gewollten Zusammenwirken von Unternehmen zum Zwecke der Ausschaltung wettbewerblicher Risiken führen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bezeichnet der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt.[32] Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die Voraussetzung für die Feststellung einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise sind, verlangen nicht die Ausarbeitung eines konkreten Plans, sondern sind vielmehr i.S.d. vom EuGH aufgestellten Selbstständigkeitspostulats zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbstständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt betreiben will.[33] Dies nimmt den Unternehmen