Ein großes Augenmerk wird auf den derzeitigen Stand des Wissens zur Nachhaltigkeitsbewertung und Ökobilanzierung gelegt. Dabei wird die Baustoff-, die Bauteil- und die Bauwerksebene unterschieden. Detailliert wird auf die Bindemittel, die Gesteinskörnung (z. B. rezyklierte aus Tunnelausbruchmaterial) sowie auf die derzeitigen und zukünftig möglichen Arten der Bewehrung (z. B. Carbonbewehrung) und die Ressourceneffizienz sowie auf die Topologieoptimierung umfassend eingegangen. Ein wichtiger Ansatz zur verbesserten Nachhaltigkeit ist auch die Verlängerung der planmäßigen Nutzungsdauer der Bauwerke. Abschließend werden noch einige Leitlinien für ein nachhaltiges Bauen einschließlich notwendiger Änderungen bei der Ausbildung formuliert.
Der zweite Teil beginnt mit einem Beitrag über die digitale Zustandserfassung von Gebäuden und Infrastrukturbauwerken sowie von Naturgefahren, erarbeitet von Konrad Bergmeister, Alfred Strauss und Markus Hoffmann. Die Digitalisierung unter Einsatz moderner Sensorik, der technische Stand von Hochleistungsdrohnen sowie die Möglichkeiten in der Analyse großer Datenmengen mittels intelligenter Algorithmen unter Verwendung von Methoden aus der künstlichen Intelligenz erlauben bereits jetzt eine digitale Zustandserfassung. Die automatisierte Auswertung nach Schadensmerkmalen ist derzeit auch in der Forschung nur teilweise realisiert. Im Beitrag werden strukturiert die aktuellen messtechnischen Möglichkeiten mit unbemannten Luftfahrzeugen – Drohnen (unmanned aircraft vehicle – UAV) – dargestellt, der Einsatz von Fotogrammmetrie, Laserscan, Thermografie und Multispektralanalyse für verschiedene Anwendungen praxisrelevant diskutiert und wertvolle Hinweise zum aktuellen Stand der Technik gegeben. Neben den Aufnahmen von Gebäuden werden auch Infrastrukturabschnitte bestehend aus Brücken etc. behandelt und mögliche Einsatzgebiete bei Naturgefahren zur quantitativen und qualitativen Erfassung möglicher Einwirkungen sowie zur Erfassung des visuellen Zustandes der Schutzbauwerke beschrieben. Diese neuen digitalen Erhebungsmethoden gerade zur Früherkennung und zusätzlich – sowie in bestimmten Fällen ersatzweise – zu den bereits vorgeschriebenen periodischen Inspektionen bringen wesentlich detailliertere Aufnahmen mit verbesserter Sichtbarkeit und einer möglichen Optimierung der Lebenszykluskosten.
Mit der künstlichen Intelligenz für ingenieurtechnische Anwendungen sowie den Erkenntnissen aus einer multi-skalen und cross-domänen Analyse von Raumfahrt und Bauwesen beschäftigt sich der Beitrag von Michael A. Kraus, Michael Drass, Bianca Hörsch, Jens Schneider und Walter Kaufmann. Mit einer Zusammenstellung der wichtigsten Terminologien wird in dieses zukünftig auch im Bauwesen wichtige Wissensgebiet eingeführt. Als Kerngebiet wird die digitale Transformation aller Prozesse des Bauens sowie der Zustandserhebung und der Bereitstellung von lebenszyklusbegleitenden Bauwerksinformationen definiert. Auch auf die derzeitige Entwicklung der BIM-Modelle als digitale Grundlage von mehrskaligen Informationssystemen sowie dem digitalen Zwilling von Baustrukturen wird eingegangen. Einen weiteren Innovationsschritt stellt die Robotik mit der digitalen Bauproduktion dar. Als Bindeglied zwischen der digital vernetzten, modellbasierten Planung eines Bauwerks und seiner realen Herstellung wird zukünftig der Einsatz einer digitalen Bauproduktion eine richtungsweisende und produktivitätssteigernde Rolle in der Digitalisierung des Bausektors einnehmen. Die Methoden der künstlichen Intelligenz, wie sie beispielsweise von der ESA vorangetrieben werden, eröffnen auch neue Möglichkeiten für das Bauwesen. Beispielhaft wird der Einsatz der künstlichen Intelligenz im Brückenbau entlang des Lebenszyklus aufgezeigt. Auch die KI-basierte Prognose von Brückenschäden und die Zustandsbewertung auf der Grundlage von sensoriellen Daten aus Brückenschwingungen mit einem Deep Learning Algorithmus werden beispielhaft angeführt. In einem weiteren Beispiel zur Darstellung der Interaktion von Raumfahrt und Bauwesen wird das Potenzial zur großflächigen Kartierung und Aufnahme der Bodenverformungen beim Bau eines U-Bahn-Tunnels aufgezeigt. Für die großflächige Kartierung und Darstellung der Absenkung der Bodenoberfläche durch einen U-Bahn-Tunnel wurden frei zugängliche Daten des europäischen Copernicus-Programms sowie weiterer Satelliten der ESA verwendet.
Die digitale Fertigung im Betonbau wird von einem weiteren Autorenteam, angeführt von Ksenija Vasilic mit Norman Hack, Harald Kloft, Dirk Lowke, Viktor Mechterine, Venkatesh Naidu Nerella, und Timoty Wangler behandelt. Das Interesse an der digitalen Fertigung mit Beton steigt aktuell stark und die ersten industriellen Anwendungen mit Pilotprojekten finden großes Interesse. In diesem Beitrag haben die Autoren den aktuellen Stand der Entwicklung in den verschiedenen Industriebereichen sowie die bemerkenswerten Beispiele im Bauwesen zusammengestellt. Es werden die verschiedenen Fertigungsverfahren, unterteilt in die auf dem selektiven Binden oder auf Extrusion basierenden Verfahren, die Spritzbetonverfahren und die Gleitschalungsverfahren, beschrieben. Die digitale Fertigung stellt aber auch neue Ansprüche an die Frischbetoneigenschaften. Daher ist eine Kontrolle der Materialeigenschaften während des gesamten Fertigungsprozesses genauso wichtig wie das Vorhandensein fundierter Kenntnisse über die Rheologie und den Hydrationsprozess des Betons. Auch auf die Möglichkeit des Druckens von Bewehrung wird im Beitrag eingegangen und die technologischen und technischen Herausforderungen sowie noch offene Fragestellungen werden diskutiert.
Die Digitalisierung des Planens und Bauens sowie Ansätze und Ziele werden von Lucio Blandini, Roland Bechmann und Matteo Brunetti behandelt. Die Autoren gehen auf das Building Information Modeling (BIM) ein und zeigen die Möglichkeiten der automatisierten Konsistenzprüfung sowie der digitalen Basis für eine interaktive Planung auf. Über den openBIM Standard können Änderungen offen und dokumentierbar mit weiteren Projektbeteiligten ausgetauscht werden. Die einheitliche 3D-Modellierung der maßgebenden Bauteile erlaubt es, den Planungsprozess bereits von den frühen Planungsphasen an digital umzusetzen. Anhand von zwei Projektbeispielen (neue Bahnsteighalle Stadtbahn-Haltestelle Staatsgalerie in Stuttgart sowie Terminal 2 des Kuwait International Airport) werden die eingesetzten digitalen Werkzeuge entlang der gesamten Wertschöpfungskette beschrieben. Im Beitrag werden die verschiedenen gerade für die Ingenieurspraxis wichtigen Schritte der 3D-Modellierung, der Tragwerksberechnung und der teilweisen Automatisierung durch CNC-Maschinen und Roboter erläutert. Immer wieder zeigt sich in der Praxis, dass trotz des hohen Digitalisierungsgrades immer noch eine große Anzahl an 2D-Plänen auf den Baustellen zu finden sind. Abschließend werden aktuelle Forschungsund Entwicklungsarbeiten dargestellt (z. B. Gradientenbeton), womit zukünftig eine bessere Qualität und Kostenkontrolle sowie ein reduzierter Ressourcenverbrauch und geringere Emissionen ermöglicht werden sollen. Wichtig wird dabei eine engere Zusammenarbeit zwischen der Forschung, der Industrie, den Planern und den privaten und öffentlichen Entscheidungsträgern, um die enormen Potenziale der digitalen Technologie überhaupt effizient in die Praxis umzusetzen.
In einem eigenen Kapitel werden die Verstärkungsmöglichkeiten mit Carbonbeton von den Autoren Manfred Curbach, Sebastian May, Egbert Müller, Alexander Schumann, Elisabeth Schütze und Juliane Wagner behandelt. Auf der Grundlage intensiver Forschungsarbeiten haben die Autoren praxisrelevante Erkenntnisse herausgearbeitet und Verstärkungsmöglichkeiten in Form von dünnen Carbonbetonschichten mit Gelegen, mit Carbonstäben sowie auch mit spritzfähigem Feinbeton aufgezeigt. Für die Herstellung von Neubauteilen werden bevorzugt gießfähige Betonmischungen eingesetzt. Prägnant werden die wesentlichen Merkmale von Carbonbeton mit deren mechanischen Eigenschaften für Kurz- und Dauerbelastung, dem Brand- und Hochtemperaturverhalten sowie die Aspekte zur Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit beschrieben. Die Anwendungsbeispiele mit den Berechnungsgrundlagen bilden wertvolle Unterlagen für die Ingenieurspraxis. Obwohl sich der Beitrag im Wesentlichen auf die Verstärkung mit Carbonbeton konzentriert, zeigen die Autoren informativ auch einige ausgewählte Projekte, wie beispielsweise das CUBE des C3-Forschungsvorhabens der Technischen Universität Dresden. Dieses Gebäude ist das weltweit erste Haus aus Carbonbeton.
Auf die Tragwerksplanung im Bestand in Österreich gehen Walter Potucek und Markus Vill ein. Die Autoren beschreiben detailliert die Reihe der ÖNORM B 4008 Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Tragwerke für den Hochbau und den Brückenbau. Ausgehend von den Einwirkungen auf Hoch- und Brückenbauten wird auf den rechnerischen Nachweis der Tragfähigkeit von Hochbauten und von Brücken eingegangen. Interessant ist auch die Verifikation mittels Probebelastung oder Belastungsversuchen, wenn ein rechnerischer Nachweis der Tragfähigkeit eines Tragwerks nicht möglich ist. Bei einer Probebelastung